Histopathologie- das Muttermal/ Pigmentzellnävus

Begonnen von ammererlutz, November 13, 2019, 22:05:21 NACHMITTAGS

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ammererlutz

Diese Patientin hat besonders am Rücken sehr viele Muttermale.
Dieses hier fiel ihr auf, da sie meinte, es wäre etwas dunkler geworden, dieses Phänomen bezeichnet man auf Neuhochdeutsch als ,,changing mole", üblicherweise werden diese Muttermale dann entfernt, was ich auch tat.

Dermatoskopisch sieht man ein feines, regelmäßiges, in die Peripherie auslaufendes Pigmentnetz, engen Rete-Leisten entsprechend, was die Diagnose eines gutartigen Nävus nahe legt.

Ein Muttermal bezeichnet man als Pigment-Nävus-Zell-Nävus.
Diese Pigmentzell-Nävi entstehen durch Vermehrung von Melanozyten in der Junktionszone ( wo die Melanozyten ja normalerweise immer vorkommen), man spricht dann von einem ,,Junktionsnävus", oder in der Dermis, man nennt diese Muttermale dann ,,dermale Nävi", oder beides, wobei die Melanozyten dann Nester in der Epidermis bilden, die dann in das Stratum papillare abtropfen und dort neue Nester bilden, diese Muttermale nennt man ,,Compound Nävi". 

Bild eins zeigt das Muttermal ohne optische Hilfsmittel (leider nur schlechtes Handy Foto)
Bild zwei das Dermatoskopische Bild und
Bild drei den Schnitt, HE gefärbt im Überblick.
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

ammererlutz

#1
Die Schwierigkeit besteht in der Beurteilung des Verhaltens der Melanozyten,
Bild eins 100x, Bild zwei 200x vergrößert.
Die hier mitlesenden erfahrenen Pathologen sind herzlich eingeladen, die Bilder weiter zu kommentieren.
Verdächtig wird ein Nävus, wenn die Melanozyten beginnen, durch das Stratum spinosum aufwärts zu wandern, wobei allerdings auch bei normaler Haut mitunter Melanozyten im Stratum spinosum anzutreffen sind, das macht noch lange kein Melanom daraus.
Weiters verdächtig wird eine Probe, wenn die normale Histologie nicht mehr klar erkennbar ist, oder wenn im Stratum papillare bei den Melanozyten Nestern dichtere lymphozytäre Infiltrate auftreten. Immunologische Verfahren helfen dabei, die Diagnose abzusichern.
Leider ist keines dieser Kriterien absolut in Stein gemeißelt, sodaß viel von der Erfahrung des befundenden Pathologen abhängt: ein mir gut befreundeter Institutsvorstand auf der Patho, sagte mir: erstens nicht zu sehr auf die Kerne sehen, zweitens nicht glauben, man verstünde schon etwas davon, wenn man die Facharztprüfung hat.

In den beiden Bildern sieht man jedenfalls große Nester von Melanozyten in der Junktionszone und auch ins Stratum papillare reichend. Im Stratum spinosum sind einige Melanozyten erkennbar, ohne dass man aber (denke ich) von einer wirklichen ,,Aufwärtstendenz" sprechen kann ( Pathologen hier bitte korrigieren, falls jemand anderer Meinung ist), die Melanozyten-Nester halten sich auch recht ,,brav" an die Basalmembran der Spitzen der Reteleisten ( wobei ich bei den Zellen ganz rechts beim 200xBild nicht mehr ganz sicher bin, bitte hier Fachmeinung der Pathologen hier)
Etwas auffällig vielleicht auch die vermehrten Lymphozyten perivasculär im Stratum papillare.
In der Dermis auch einige Melanophagen  ( Monozyten, die Melanin phagozytierten).

Insgesamt wurde dieser Nävus vom Befunder als Compund Nävus mit vereinzelt atypischen Melanozyten-Proliferationen beschrieben.
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

Peter G.

Nach diesem Bericht stimmt es mich umso nachdenklicher, wenn mein Hautarzt nach einem kurzen Blick auf neu auftretende braune Flecken diese als Altersflecken bewertet.
Aber es bleibt mir nichts anderes übrig, als seiner Kunst zu vertrauen und beruhigt nachhause zu gehen.

ammererlutz

#3
Zitat von: Peter G. in November 13, 2019, 22:22:11 NACHMITTAGS
Nach diesem Bericht stimmt es mich umso nachdenklicher, wenn mein Hautarzt nach einem kurzen Blick auf neu auftretende braune Flecken diese als Altersflecken bewertet.
Aber es bleibt mir nichts anderes übrig, als seiner Kunst zu vertrauen und beruhigt nachhause zu gehen.

das sollte eigentlich oK sein, er hat ja eine Dermatologie Prüfung hinter sich (im Zweifelsfall wird entfernt), gefährlich sind die Fälle, wo Patienten ihre Hautveränderungem über Jahre gar keinem Arzt zeigen. 
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

CZJ-Mikrotec

#4
Leider kann man nicht immer davon ausgehen das es erkannt wird  :( - Ich selbst hab leider erleben müssen das 2 Hautärzte nicht in der Lage waren etwas richtig einzuordnen. Bei mir bildete sich in der Körperstammmitte auf der Brust ein kleiner roter Fleck der juckte und nässte. Abwechselnde Konsultationen bei 2 Hautärzten und einem Hausarzt ergaben dann ein Diagnosenmix. mal war es ein Pilz , dann ein Ekzem dann eine Flechtenart eine schlecht heilende Entzündung die wegen Duschen und Kleidung ständige Reizung erfährt und daher schlechter heilt. Das die ganze Sache größer wurde schien dabei nicht zu stören. Da die Ärzte eine sehr lange Wartezeit haben zog sich der ganze Zirkus ca. 3 Jahre hin. letztendlich stellte dann der 3 Hautarzt dann schon beim hingucken fest das es ein Hautkrebs ist. In dem Falle "glücklicherweise nur" ein Basalzellkarzinom. Er sagte auch sofort hinterher : das haben sie aber nicht erst seit gestern.  Eine schmerzhafte Imiquimod Kur hat es dann gerichtet. Trotz alledem ist das Vertrauen in die Ärztekunst natürlich ein wenig gedämpft. ich selbst habe auch sehr viele Muttermal auf dem Rücken und gehe daher jetzt auf Nummer sicher bei der Hautkrebsvorsorge. ich lasse zu der normalen Sichtung auch noch das ganze mit Fotodokumentation vermessen so das sofort die kleinste farbliche oder Formveränderung erkannt werden kann und entsprechend reagiert werden kann.

Gruß, Alex
No man is an island

Wutsdorff Peter


RainerTeubner

Mikroskop: Carl Zeiss Standard Universal
Bildbearbeitung: Gimp, Helicon focus und picolay
Kamera: Canon EOS 5D II

Peter V.

#7
Hallo,

Zitat von: CZJ-Mikrotec in November 15, 2019, 12:58:58 NACHMITTAGS
Leider kann man nicht immer davon ausgehen das es erkannt wird  :( - Ich selbst hab leider erleben müssen das 2 Hautärzte nicht in der Lage waren etwas richtig einzuordnen. Bei mir bildete sich in der Körperstammmitte auf der Brust ein kleiner roter Fleck der juckte und nässte. Abwechselnde Konsultationen bei 2 Hautärzten und einem Hausarzt ergaben dann ein Diagnosenmix. mal war es ein Pilz , dann ein Ekzem dann eine Flechtenart eine schlecht heilende Entzündung die wegen Duschen und Kleidung ständige Reizung erfährt und daher schlechter heilt. Das die ganze Sache größer wurde schien dabei nicht zu stören. Da die Ärzte eine sehr lange Wartezeit haben zog sich der ganze Zirkus ca. 3 Jahre hin. letztendlich stellte dann der 3 Hautarzt dann schon beim hingucken fest das es ein Hautkrebs ist. In dem Falle "glücklicherweise nur" ein Basalzellkarzinom. Er sagte auch sofort hinterher : das haben sie aber nicht erst seit gestern.  Eine schmerzhafte Imiquimod Kur hat es dann gerichtet. Trotz alledem ist das Vertrauen in die Ärztekunst natürlich ein wenig gedämpft. ich selbst habe auch sehr viele Muttermal auf dem Rücken und gehe daher jetzt auf Nummer sicher bei der Hautkrebsvorsorge. ich lasse zu der normalen Sichtung auch noch das ganze mit Fotodokumentation vermessen so das sofort die kleinste farbliche oder Formveränderung erkannt werden kann und entsprechend reagiert werden kann.

Gruß, Alex

Ich hatte bei meinem vorigen Auto ein Problem: Regelmäßig begann der Motor bei einer Drehzahl von exakt 4000 Upm zu ruckeln. Eine freie Werkstatt tauschte mehrfach diverse Teile aus - erfolgslos. Verzweifelt wurde es von der freien Werkstatt  in eine VW-Fachwerkstatt gebracht, dort ebenfalls umfangreiche Fehlersuche und Austausch diverser Teile - erfolglos! Letztlich Konsultation eines VW-Beratungsingenieurs, der meinte jetzt könne es ja nur noch "das" sein (ich weiß nicht mehr genau, was). Austausch: Erfolgslos. Insgesamt war das Auto Monate(!) in den Werkstätten, mit dem Endergebnis, dass es weiterhin bei 4000 Upm ruckelt. Tja - da habe ich auch völlig das Vertrauen in die KfZ-Werkstätten verloren.  ;)

Leider ist das alles nicht immer so leicht wie es sich der Laie vorstellt. In der Medizin genau so wenig wie in allen anderen Bereichen, selbst der Technik.

Und eines ist absolut typisch: Der dritte Arzt hat es natürlich am leichtesten: Es wurde ja von den Vorgängern schon alles versucht, die Krankheit schritt fort. Irgendwann ist das Bild dann so typisch (auch, weil man ja weiß, was alles n i c h t ) geholfen hat, dass man dann auf die richtige Diagnose kommt.

Herzliche Grüße
Peter

Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

CZJ-Mikrotec

Hallo Peter (V)

Danke für die Gegenüberstellung des BCC mit dem ruckelnden Motor. ich weiß was du meinst - bin aber nicht ganz der Meinung das es anwendbar ist. Im nachhinein habe ich mich wohl über die Möglichkeit der früheren Erkennung eines solchen Tumors informiert. ( nein nicht in der freien Werkstatt sondern beim Hautarzt ) der sagte mir das es schon im frühen Stadium spezifische Merkmale wie ein Perlschnurartiger Randsaum , die Farbe, die Schuppung und die Glasige Oberfläche hätten schon gute Hinweise geben können.

Und ich war ja auch nicht " in der freien Werkstatt " wie du es da vergleichst sondern " in der Fachwerkstatt ". Und mein Vertrauen beschrieb ich als gedämpft und nicht als verloren. Schlussendlich brachte die bestätigte Diagnose auch nicht der dritte HA sondern der Histologe. Denn der dritte HA war so schlau eine Gewebeprobe zu nehmen und sie demjenigen
zu schicken der darüber das letzte Wort hat.

Aber lass uns das nicht zu sehr vertiefen, dieser Thread soll ja eigentlich dazu nutzen um Histologische Beispiele zu zeigen und nicht um über Ärztekunst zu streiten. War vielleicht auch nicht der richtige Platz für meine Antwort auf Peters (G)  .. [ sehr viele Peter hier im Thread  :) ] .. nachdenklichen Kommentar, in dem wohl zuerkennen war das auch er schon den flüchtigen Turboblick über Hautflecken erlebt hat.  :)

Liebe Grüße, Alex
No man is an island

Ulf Titze

#9
Hallo Lutz,

Zitat von: ammererlutz in November 13, 2019, 22:07:27 NACHMITTAGS
Die hier mitlesenden Pathologen sind herzlich eingeladen, die Bilder weiter zu kommentieren.

Ich nehme diesen Passus mal als Einladung. Und die darauf folgende naive Diskussion über die ärztliche Kunst als Aufforderung.

Es ist so, wie Du sagst. Die Beurteilung melanozytärer Läsionen der Haut gehört definitiv zum Schwierigsten, was die Dermatohistologie zu bieten hat. Ich hatte das Glück, mit einem der Herausgeber des deutschsprachigen Standardwerks zusammenarbeiten zu dürfen und kenne seinen Standpunkt zu dem Thema: "Melanozyten sind ja eingewanderte Zellen der Haut. Daher sind Melanome ja eigentlich gar keine Hauttumoren!  ;D" Womit er natürlich vollkommen Recht hat. Die Melanozyten entstammen der Neuralleiste und wandern während der Embryogenese in die Haut, aber auch in viele andere Organe ein, wo deren Funktion teilweise noch ungeklärt ist. Die Tumoren, die ihren Ursprung in diesen neuroektodermalen Zellen haben, sind durchweg sehr schwierig zu beurteilen, weil die konventionellen Malignitätskriterien, die man von den epithelialen Tumoren kennt, hier nicht vollständig greifen. Es gibt mehrere Klassifikationssysteme, die sich nur teilweise überdecken. Oftmals ist die Dignität (gutartig vs. bösartig) erst im Nachhinein aus dem klinischen Verlauf ersichtlich. Aus leidvoller Erfahrung kann jeder Pathologe früher oder später Fälle nennen, die auch von den erfahrensten Kollegen und gar Referenzpathologen falsch eingeschätzt wurden (sog. "Expertenkiller").

Für die Beurteilung melanzytärer Läsionen der Haut hat Bernie Ackermann den Spruch geprägt: "Die Silhouette ist Alles!" Das bedeutet, die wichtigsten Kriterien erkennt man bei schwacher Vergrößerung. Grundlage der Beurteilung ist die Beobachtung, dass proliferierende Melanozyten sich lange Zeit zunächst horizontal in der basalen Epidermis ausbreiten (horizontales Wachstum). Man unterscheidet dabei das flechtenartige (lentigenöse) Muster, wenn die Zellen im Schnitt eine Reihe bilden, und das nävoide Muster, bei dem die Melanozyten Haufen bilden. Diese Haufen können sich dann in die Lederhaut verlagern, ohne das Verhalten eines invasiven (bösartigen) Tumors zu zeigen. Diese dermalen Zellen zeigen dann über die Jahre eine Ausreifung, die ihnen das Aussehen von Nervenfasern geben kann (sog. "neuroide" Ausreifung). Aus dieser Sequenz entstehen dann die unterschiedlichen Nävustypen: Junktions-Nävus (Melanzoyten an der Junktionszone im basalen Epithel), Compound-Nävus (Melanozyten im basalen Epithel und im Papillarkörper), dermaler Nävus (Melanozyten ausschließlich im dermalen Bindegewebe).

Gefährlich werden diese Tumoren, wenn die melanozytären Zellen ein transversales Wachstumsmuster zeigen: Im Epithelverband erreichen die Melanozyten in die oberen Lagen und führen zu Erosionen. In dermalen Nestern verliert sich die sehr typische Ausreifung, die Nester werden deutlich größer als die in der Umgebung und man findet Mitosefiguren in den dermalen Anteilen (ok, die findet man nur im starken Objektiv).

Entgegen meines Prinzips, hier im Forum keine Bilder von meinen Patienten zu zeigen, tue ich es hier einmal, weil mir die Kenntnis dieser Tumoren am Herzen liegt:



Dies ist eine immunhistologische Färbung, in der man die melanozytären Zellen isoliert herausarbeiten kann (Melan A). In der Übersicht erkennt man den symmetrischen Aufbau: am Rand finden sich nur einzeln in der Epidermis gelagerte Melanozyten - das ist Normal. Jeder Melanozyt versorgt etwa 36 Epithelzellen mit Melaninpigment. Zentral im Präparat findet man dann das melanozytäre Proliferat, das einen symmetrischen Aufbau hat. Jeweils außen liegen die Zellen als eine Reihe, zur Mitte bilden sich Nester, ganz zentral gelangen die Nester in die Lederhaut. Das ist also ein völlig gutartiger Compound-Nävus.

Woran erkenne ich jetzt das transversale Wachstum? Wie gesagt: wenn die melanozytären Zellen im Epithel aufsteigen und wenn die Symmetrie gestört ist. In der Dermis finden sich dann große Nester, die sich von den umgebenden Nävuszellnestern in Größe, Architektur und Ausreifung unterscheiden. Mitosefiguren in den dermalen Nestern sind immer ein Alarmzeichen.

Daraus folgt, dass es bei der Beurteilung der Dignität (gutartig/bösartig) dieser Tumoren immer Grauzonen geben muss. Woher dieser vermessene Anspruch kommt, dass die Ärzteschaft gefälligst auf so ein Ding zu kucken hat und binnen 30 Sekunden zu sagen hat was es ist, erschließt sich mir nicht. Als Diagnostiker ist man dann immer im Zwiespalt: diagnostiziere ich zu scharf, wird der Patient unnötig verletzt (nachoperiert und ggf. chemotherapiert), diagnostiziere ich zu zurückhaltend, werde ich im Fall eines metastasierenden Verlaufs jede Woche der Verzögerung verfluchen. Für eines der potentiellen Fehlerszenarien muss man sich entscheiden. Ausweg ist dann die Rücksprache mit dem behandelnden Kollegen. Bei dieser Art Läsionen ist allgemein akzeptiert, dass man im Zweifelsfall lieber überdiagnostiziert und ggf. unnötig aggressiv behandelt.

Beste Grüße

Ulf
"Do not worry about your problems with mathematics, I assure you mine are far greater." (A. Einstein)

"Komm wir essen Opi!" - Satzzeichen können Leben retten!!!

ammererlutz

#10
Super, danke für die Vertiefung. Leider kann ich Melan A oder S 100 Färbungen Aufwand bedingt nicht zeigen, das gehört auch in die Patho Institute,   aber in dem Melan A gefärbten Schnitt erkennt man die Melanozyten Verteilung natürlich sehr schön. Danke
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)