Fliege sezieren - Ratschläge erbeten

Begonnen von Schroefl, November 17, 2019, 12:16:14 NACHMITTAGS

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Schroefl

Liebe Foristen!

Ich habe gerade eine tote Stubenfliege seziert. Lt. einer im Internet gefundenen älteren Anleitung zunächst zum Weichmachen kurz in Wasser gekocht, dann Beine, Flügel und Mundapparat abgetrennt, über Ethanol und Xylol entwässert und mit Euparal eingedeckt. Die Ergebnisse sind aber nicht zufriedenstellend, vor allem weil es bei Zerlegen des Tieres fast nicht möglich war die Teile ohne Beschädigungen vom Körper abzutrennen. Beim Eindecken zeigte sich dann, daß die Teile doch deutlich dicker sind als botanische Schnitte und demzufolge einiges an Euparal erforderlich war, um den Raum zwischen Objektträger und Deckglas auszufüllen. Für Ratschläge von erfahrenen "Sezierern" wie hier am klügsten vorzugehen wäre, wäre ich sehr dankbar.

Beste Grüße
Thomas

JB

Hallo Thomas,

Richtig gute Mikropraeparate von Insekten sind vor allem eine Frage der Uebung. Also nicht verzagen, im Laufe der Jahre werden die immer besser!

Fuer die Praeparation von Insektenteilen braucht man:

- Abbau von Kollagen, das nach dem Tod des Insektes die Steifheit der Gliedmassen verursacht (Mazaration)
- Abbau der Weichteile
- Aufhellung des Chitinskelets

Klassischerweise wird dazu das angestochene Insekt in verduennter (5 %) Kali- oder Natronlauge erwaermt. Aus Arbeitsschutzgruenden kann ich das aber nicht empfehlen - mindestens eine Schutzbrille ist unbedingt noetig, da Laugen schwere Veraetzungen der Augen verursachen koennen.

Einfacher ist die Mazaration mit Milchsaeure (gibt es bei Ebay), ca. 40 %. Insekt anstechen und einige Wochen in der Milchsaeure lassen. Diese baut die Weichteile ab und mach das Insekt flexibel und transparent. Dann mit destiliertem Wasser gruendlich auswaschen und einbetten. Waerme bescheunigt die Mazaration. Leider wird mit Milchsaeure nicht so stark aufgehellt.

Eine weitere Moeglichkeit ist die Mazaration in einer Lauge von Vollwaschmittel (eine alkalische Loesung mit Enzymen fuer den Abbau der Weichteile). Danach mit Wasser auswaschen, mit Milchsaeure neutralisieren, mit destiliertem Wasser auswaschen und einbetten.

Als Ausgangsmaterial sind bereits naeturlich verstorbene Insekten immer schwierig, da die Gliedmassen bereits steif sind. Frisch mit Essigsaureethylester getoetete Insekten sind das beste Ausgangsmaterial. Aber man muss natuerlich nicht extra fuer die Mikroskopie Insekten umbringen. Statt dessen koennen Sie auf dem Fensterbrett nach kleineren Insekten suchen: Essigfliegen, Pilzmuecken, Ameisen, Blattlaeuse usw. - die mazarieren schneller und werden im Mikropraeparat auch schoen transparent. Stubenfliegen sind einfach schon ein bisschen zu gross fuer diesen Zweck.

Viel Erfolg,

Jon

Schroefl

Lieber Jon!

Danke für Deine ausführlichen Darlegungen, die ich gerne befolgen werde. Also heißt es vor allem, üben, üben und nochmals üben.

Beste Grüße
Thomas

Aquarius

Moin,

heißt das, z. B. ein Fliegenkopf wird (mal abgesehen von den oben erwähnten chemischen Behandlungen) ohne weitere Mikrotom-Schnitte komplett unters Deckglas verfrachtet? Ist das nicht zu dick?
Viele Grüße,
Arndt.

Leitz Dialux 170 mm (Hammerschlag) mit Achr. 4/10/25/40/100 + 3 x Periplan GF10 (Trino). Leitz Kardioid-Kondensor 0.8 und Systemkondensor 600. Hertel & Reuss Stereomikroskop. Leitz Wetzlar Gefriermikrotom.
NVW Wuppertal, Sektion Mikroskopie: https://tinyurl.com/y5xzl9g4

plaenerdd

Hallo,
falls man im Reagenzglas Kali- oder Natronlauge erhitzt, sollte man immer ein, zwei kleine Streichholzstücke mit hineinwerfen, das mindert das Stoßen der Lauge erheblich. Brille ist trotzdem das mindeste an Schutzausrüstung. Schließlich brauchen wir Mikroskopiker unsere Augen noch, um das fertige Präparat noch betrachten zu können  ;D
LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

ammererlutz

#5
also , nur nebenbei, wenn ich das Wort "sezieren" lese, denke ich eigentlich nicht an die Zerstörung sämtlicher Organe und der( meiner Meinung nach recht langweiligen) Beobachtung des leeren Chitin Panzers der Tiere, sondern an das Studium der mikroskopiach kleinen Organe, der Muskulatur der Flügel, des Tracheen Systems, des Nervensystems, des Verdauungstraktes der Tiere, das wäre eher interessant, wie Entomologen das machen.
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

plaenerdd

Hallo Lutz,
auch die leere Chitinhülle hat einiges zu bieten, was man nicht so recht sieht, wenn die Weichteile noch vorhanden sind. Da diese leicht zu entfernen sind, werden solche Mazerationzpräparate auch oft hergestellt. Das Studium der Innereien ist hingenen sehr viel aufwendiger. Für Dauerpräparate muss man wie in der Histologie Fixieren, Färben, Einschließen und Schneiden, meist entwässern und schließlich Eindecken. Das ist vom Auwand her eine ganz andere Hausnummer, die auch eines erheblich größeren aperativen Aufwandes bedarf. Im Forum findest Du aber reichlich Beiträge auch über die Histologie und Mikroskopische Anatomie von Insekten.
LG Gerd
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Inverses: Willovert mit Ph

ammererlutz

Zitat von: plaenerdd in November 19, 2019, 18:02:22 NACHMITTAGS
Hallo Lutz,
auch die leere Chitinhülle hat einiges zu bieten,  Im Forum findest Du aber reichlich Beiträge auch über die Histologie und Mikroskopische Anatomie von Insekten.
LG Gerd

ja danke, ich habe das als Junge oft gemacht, samt stoßender Kalilauge,
aber echtes Sezieren mit Organdarstellung von so kleinen Lebewesen ist sicher eine Herausforderung, wenn ich mal Zeit habe lese ich da gerne mal nach. Querschnitte sind ja nicht so kompliziert, aber da muss man sich in der Insektenanatomie schon gut auskennen, um sich bei den Schnitten zurecht zu finden, denke ich.
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

plaenerdd

Hallo Lutz,
Zitat von: ammerlutzaber da muss man sich in der Insektenanatomie schon gut auskennen, um sich bei den Schnitten zurecht zu finden, denke ich.
Ich denke, das ist bei der menschlichen Anatomie nicht anders, nur, dass es da viel mehr Material und Veröffentlichungen gibt. Aber wenn mir als Laie in Mikroskopischer Histologie und Anatomie jemand irgendein Präparat hinlegt und mich fragt aus welcher Ecke meines Körpers das wohl stammen könnte, wäre ich sicher auch ziemlich erschossen.
LG Gerd
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Inverses: Willovert mit Ph

Aquarius

Zitat von: Aquarius in November 19, 2019, 14:07:42 NACHMITTAGS
Moin,

heißt das, z. B. ein Fliegenkopf wird (mal abgesehen von den oben erwähnten chemischen Behandlungen) ohne weitere Mikrotom-Schnitte komplett unters Deckglas verfrachtet? Ist das nicht zu dick?
Moin,

bin ich unsichtbar oder warum bekommt jeder eine Antwort, nur ich nicht?!
Viele Grüße,
Arndt.

Leitz Dialux 170 mm (Hammerschlag) mit Achr. 4/10/25/40/100 + 3 x Periplan GF10 (Trino). Leitz Kardioid-Kondensor 0.8 und Systemkondensor 600. Hertel & Reuss Stereomikroskop. Leitz Wetzlar Gefriermikrotom.
NVW Wuppertal, Sektion Mikroskopie: https://tinyurl.com/y5xzl9g4

JB

#10
Zitat von: Aquarius in November 19, 2019, 14:07:42 NACHMITTAGS
heißt das, z. B. ein Fliegenkopf wird (mal abgesehen von den oben erwähnten chemischen Behandlungen) ohne weitere Mikrotom-Schnitte komplett unters Deckglas verfrachtet? Ist das nicht zu dick?

Hallo,

Ja, z.B. den kompletten Kopf. Das Exoskelet selbst ist interessant und detailreich, das ist ein lohnendes Objekt. Schnitte sind nur fuer die Gewebe noetig und das Scheiden ist sehr anspruchsvoll.

Dann kommt es auf die Groesse an. Stubenfliegen sind sehr gross; da wuerde man z.B. eher nur den Ruessel praeparieren. Der ganze Kopf ist sinnvoll nur mit den beschriebenen Methoden und fuer die Eindeckung wird das Deckglas mit einer Unterlegscheibe auf Abstand gehalten damit er nicht zerdrueckt wird https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=11537.0

Mit viel Talent kann man auch grosse Insekten praeparieren: http://www.victorianmicroscopeslides.com/slidelrg.htm

Ansonsten einfach eine kleine Fliege verwenden. Essigfliegen, Pilzmuecken usw. sind gut geeignet. Die kleinste Fliege ist nur 0,4 mm gross  ;)

Jon


Aquarius

Viele Grüße,
Arndt.

Leitz Dialux 170 mm (Hammerschlag) mit Achr. 4/10/25/40/100 + 3 x Periplan GF10 (Trino). Leitz Kardioid-Kondensor 0.8 und Systemkondensor 600. Hertel & Reuss Stereomikroskop. Leitz Wetzlar Gefriermikrotom.
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