Botanik: Orientalisches Zackenschötchen, war "Nachtkerze, Haare und Stoma"

Begonnen von Fahrenheit, Oktober 26, 2009, 23:31:47 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Mikrofreunde,

Edit 08.05.2010: aus der Nachtkerze hat der Frühling ein Orientalisches Zuckerschötchen (Bunias orientalis) gemacht, daher korrigiere ich hier. (Siehe auch mein Beitrag von heute weiter unten).

Im Zitat der alte Text, der bezüglich der Nachtkerze weiterhin Gültigkeit hat.  ;D
Informationen zum Zackenschötchen weiter unten im Thread.
ZitatDie Nachtkerze (Oenothera spec.) ist eine zweijährige Pflanze, die im 17. Jahrhundert aus Amerika als Zierpflanze nach Europa gebracht wurde und sich seit dem aufgrund ihrer geringen Ansprüche an ihr Biotop in ganz Europa verbreitet hat.

Im ersten Jahr bildet die Pflanze eine Blattrosette aus und erst im zweiten Jahr einen eindrucksvollen Blütenstand. Sind die Samen gereift, stirbt die Pflanze ab.

Hier noch einmal herzlichen Dank für die Bestimmung meines Fundes - (Klick!)

Bild 1: Orientalisches Zackenschötchen am Fundort (Herbst 2009)


Bild 2: Einzelne Blätter der herbstlichen Blattrosette


Die Blätter des  Zackenschötchens haben eine recht derbe Epidermis. Bricht man den Blattspreit durch und reißt das Blatt von der Mitte nach außen auseinander, besteht eine gute Chance, dass der Riss nicht einfach den Blattadern folgt, sondern sich ein teilweise mehrere Quadratzentimeter großes Stück Epidermis gewinnen lässt, an dem nur noch ein einzige Lage der Zellen des Schwammparenchyms hängt.
Wird das Blatt durch nachlassenden Turgor welk, funktioniert der Trick nicht mehr. Die Präparation muss also schnell nach dem Pflücken erfolgen (maximal 30 Minuten).

Mit diesem Präparat gelingt es recht einfach, die Blattspalte (Stoma) der Pflanze zu beobachten. Weiterhin ist die Blattunterseite mit großen ypsilonförmigen Haaren besetzt.
Die Epidermisstücke wurden in AFE fixiert und mit Etzold Grün bzw. BEN gefärbt:

Bild 3: Blatthaare auf der Blattunterseite, Vergrößerung 100x, Stapel aus 7 Bildern


Bild 4: Ein ca. 6 µm großes Stoma an der Blattunterseite, Vergrößerung 400x, Stapel aus 10 Bilder


Herzliche Grüße
Jörg
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Fahrenheit

Liebe Mikrofreunde,

irgendwie kann ich mich mit dem Bilderstapel vom Stoma (Bild 4) nicht so recht anfreunden.

Daher hier noch einmal das Einzelbild aus dem Stapel, in dem das zentrale Stoma am besten herauskommt.
Das Bild ist leicht nachgearbeitet: Schwarz- und Weißpunkt angepasst, Größe auf 800*600 reduziert und leicht nachgeschärft. Und einen anständig sichtbaren Maßstabsbalken gibt es gratis dazu!  ;D

Was meint Ihr?

Bild 5: Das selbe ca. 6 µm große Stoma an der Blattunterseite wie in Bild 4, Vergrößerung 400x, Einzelbild


Herzliche Grüße
Jörg
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Fahrenheit

#2
Liebe Pflanzenfreunde,

heute habe ich mir den Fundort der 'Nachtkerze' vom letzten Oktober noch einmal angesehen. Wie zu erwarten, haben die Pflanzen in den letzten Wochen mächtig ausgetrieben und es zeigen sich erste Blüten.

Damit wird die Bestimmung, die im Herbst nur anhand der Blattrosette etwas schwierig war, recht leicht und darum hier nun eine Korrektur.

Es handelt sich nicht - wie wir vermutet hatten - um eine Nachtkerze, sondern um das Orientalische Zackenschötchen (Bunias orientalis). Der laut Wikipedia in Mitteleuropa nur gebietsweise vorkommende Kreuzblütler wird auch als Glattes Zackenschötchen oder Türkische Rauke bezeichnet und scheint sich an der unteren Sieg recht wohl zu fühlen - die Aue steht voll davon.
Die Pflanze ist zwei- selten mehrjährig und zeigt ihre gelben Blüten von Mai bis August, dabei erreicht sie eine Höhe zwischen 25 und 120 cm.
Die frischen Triebe sind essbar und die einjährige Pfahlwurzel kann ähnlich einem Meerrettich verwendet werden. Zumindest was die Essbarkeit der Wurzel angeht, haben wir hier eine Gemeinsamkeit mit der Nachtkerze.

Hier nun einige Bilder und Illustrationen als Beleg:


Bild 6: Die gleiche Stelle wie in Bild 1, Aufnahme von heute Morgen.


Bild 7: Eine einzelne freistehende Pflanze


Bild 8: Bunias orientalis ist ein typischer Kreuzblütler


Bild 9: Übersicht über Blätter und Blütenstand mit Maßstab (das Lineal ist 50 cm lang)


Bild 10: Eine Illustration der Bunias orientalis (Rysskal auf Schwedisch) aus "Ur Nordens Flora" von C. A. M. Lindman
(1917 - 1926) gemeinfrei

Den Ausgangsbeitrag samt Überschrift habe ich entsprechend korrigiert und auch eine Info im damaligen Thread im Unterforum zur Bestimmungshilfe hinterlassen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Hyperion

#3
Cool!

rekuwi

Lieber Jörg,

schön daß jetzt die Lösung gefunden ist. Ich war schon gespannt denn ich hatte ja die vermeintliche Nachtkerze angezweifelt.
Schmecken die jungen Triebe senfartig?

Liebe Grüße
Regi

Fahrenheit

Lieber Regi,

mh, das kann ich noch nicht sagen. Ich werde aber beim nächsten Besuch mal probieren und hier berichten.

Herzliche Grüße
Jörg
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rekuwi


Fahrenheit

#7
Liebe Regi,

danke für den Hinweis, er hat mich zu diesem spannenden PDF der Universität Wisconsin geführt:
Hill Mustard, an invasive mustard on the move in Southwestern Wisconsin.
Beschrieben wird die aggressive Ausbreitung des Zackenschötchens in Teilen des Staates Wisconsin. Weiterhin werden Maßnahmen diskutiert, um den Einwanderer einzudämmen.

Vor dem Hintergrund bin ich auf die Entwicklung in den Siegauen gespannt, da sich dort nicht nur das Drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera) - ein Neophyt aus dem Himalaya - rasant verbreitet, sondern nun wohl auch Bunias orientalis.
An der Sieg laufe ich sehr oft. In den letzten Jahren ist mir die Pflanze dort nicht wirklich ins Auge gefallen, während sie jetzt im Frühjahr auffällig häufig zu sehen ist.

Nun, wir haben ja auch frei lebende Halsbandsittiche, die sich von Köln siegaufwärts ausbreiten. Warum sollten sich die Pflanzen zurückhaltender zeigen?  :)

Auf jeden Fall bin ich sehr gespannt, wie der 'Hügelsenf' denn schmeckt.

Herzliche Grüße
Jörg  
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Bernhard Kaiser

Hallo Jörg,

In:
Schwarz,A.F.(1897): Flora Nürnberg-Erlangen.
ist zu lesen, daß Bunias orientalis 1868-69 in Lichtenhof b. Nürnberg zu finden war.

Laut "Hegi" wurde das Zackenschötchen bereits 1814 von russischen Truppen bis nach Paris verschleppt.

Interessant, der Geschichte von Pflanzen nachzuspüren.

Liebe Grüße
Bernhard Kaiser

Fahrenheit

Lieber Bernhard,

ja, die Verbreitungsgeschichte solcher Neophyten und ihre Auswirkungen auf die 'alteingesessenen' Arten ist wirklich sehr interessant.
Danke für Deine weiterführenden Informationen, dann ist es ja garnicht so lange her, dass sich das Zackenschötchen in Mitteleuropa breit gemacht hat.

Herzliche Grüße
Jörg
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Fahrenheit

#10
Liebe Regi,

nun hatte ich Gelegenheit, den "Hügelsenf" einmal zu probieren. Die Blätter und Triebe haben einen leicht scharfen Geschmack, ohne jedoch aromatisch-würzig zu sein. Vom echten Senf kenne ich allerdings nur den Geschmack der Samen.  ;)

Vielleicht bezieht sich der Name "Hill Mustard" aber auch auf die Ähnlichkeit der Pflanzen? Dazu hier eine Illustration vom Ackersenf (Sinapis arvensis), weisser Senf (Sinapis alba) scheidet wegen der gefiederten Blätter aus.

Bild 11: Sinapis arvensis, Illustration von Carl Axel Magnus Lindman (1856-1928) aus "Bilder ur Nordens Flora", Stockholm (gemeinfrei, Quelle www.biolib.de).


Herzliche Grüße
Jörg
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liftboy

http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
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Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Fahrenheit

Liebe Mikrofreunde,

hier zum Abschluss noch ein paar Bilder von Schnitten vom Spross und Blattstiel des Zackenschötchens.

Der Grundsätzliche Aufbau des Sprosses ist dem vom Raps sehr ähnlich, daher nur noch Bilder von einem Leitbündel und einer 'Warze'.

Bild 12: Leitbündel, Färbung nach Wacker W3A, Vergrößerung 100x, Stapel aus 4 Bildern


Bild 13: Das gleiche Leitbündel in einer Vergrößerung von 200x, Stapel aus 6 Bildern


Bild 14: ein "warziger Höcker" auf der Epidermis, Vergrößerung 100x, Stapel aus 12 Bildern


Bild 15: der Blattstiel am Blattansatz, Färbung nach Etzold FCA, Vergrößerung 40x, Stapel aus 20 Bildern


Bild 16: das zentrale Leitbündel im Blattstiel, Vergrößerung 100x, Stapel aus 8 Bildern


Viel Spaß beim Betrachten,

herzliche Grüße
Jörg
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Mila

Lieber Jörg,

ich wusste gar nicht, dass Sprossquerschnitte so nett lächeln können :)

schön!

Herzliche Grüße
Mila

Fahrenheit

Liebe Mila,

so griesgrämige alte Sprosse können das auch nicht. Junge, frische Blättchen schon.  ;D ;D

Obwohl, hat sich was mit jung und frisch. Das ist ein Querschnitt von einem Herbstblatt aus dem letzten Jahr.
Und mit den Hörnern erinnert es auch eher an ein hämisches Grinsen.  ;)

Herzliche Grüße
Jörg
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