Chrysostephanosphaera globulifera – eine geheimnisvolle Goldalge

Begonnen von Bernd, November 25, 2019, 20:05:37 NACHMITTAGS

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Bernd

Liebes Forum,

bei einem Spaziergang am letzten Samstag habe ich aus einer Pfütze im Wald eine Wasserprobe entnommen, in der sich bei der Untersuchung zuhause eine ungewöhnliche Goldalge fand: Chrysostephanosphaera globulifera. Obwohl diese Goldalge bereits vor etwa 140 Jahren das erste Mal beschrieben wurde, hat sie das Geheimnis ihrer ,,Kügelchen" anscheinend bis heute bewahrt.

Chrysostephanosphaera globulifera Scherffel (1911) wurde zuerst von Stein (1878) beschrieben, der diesen Organismus für das Palmella-Stadium der Goldalge Chromulina flavicans Bütschli hielt. Scherffel (1911) erkannte, dass es sich um eine neue Gattung handelte und benannte den Organismus C. globulifera. Auf Grund des Vorhandenseins von Rhizopodien hat Pascher (1913) die Art zu den Rhizochrysidales gestellt. Ellis-Adam (1982) favorisiert wie Stein (1878) die Zuordnung als Palmella-Stadium von Chromulina flavicans.
Besonders auffallend sind die in die Gallerte eingelagerten kleinen "Kügelchen" (C. globulifera!), über deren Natur Stein (1858) keine Angaben gemacht hat. Scherffel (1911) betrachtete sie als Exkretkörper. Geitler (1948) identifizierte sie als Symbionten, die sich nicht durch gewöhnliche Zweiteilung, sondern durch Knospung vermehren und vermutete, dass es sich um "eine eigenartige neue Gruppe kernloser Organismen" handelt. Ellis-Adam (1982) hielt die "Kügelchen" ebenfalls für Exkretkörper. In der 2. Auflage der "Freshwater Flora of the British Isles" ist Chrysostephanosphaera bei den Chrysophyta, Chromulinales eingeordnet. In der Beschreibung heißt es "colony surrounded by numerous symbiotic, sphaerical bacteria".

Die Natur der "Kügelchen" scheint somit bis heute ungeklärt, auch weil keine neuere Literatur als die Publikationen von Geitler und Ellis-Adam zu existieren scheint (genauer: ich keine neuere Literatur gefunden habe).

Literatur:
Ellis-Adam, A. C. (1982). Chrysostephanosphaera hyalocytobia spec. nov.(Chrysophyceae). Acta botanica neerlandica, 31, 169-174.
Geitler, L. (1948). Symbiosen zwischen Chrysomonaden und knospenden Bakterien-artigen Organismen sowie Beobachtungen über Organisationseigentümlichkeiten der Chrysomonaden. Österreichische Botanische Zeitschrift, 95(3), 300-324.
Pascher. A, (1913). Die Süsswasserflora Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Heft 2, Flagellatae II. Chrysomonadinae, Cryptomonadinae. Eugleninae. Chloromonadinae. Jena.
Scherffel. A, (1911). Beitrag zur Kenntnis der Chrysomonaden. Arch. Protistenk. 22: 299-344.
Stein (1878) Der Organismus der Infusionsthiere, 3. Abteilung.

Viele Grüße
Bernd

Abb. 1 und 2: C. globulifera
Abb. 3: C. globulifera, auf die ,,Kügelchen" an der Oberfläche der Kolonie fokussiert
Abb. 4: Abbildungen aus Stein (1878)


M.Butkay

Hallo Bernd,

toller Fund und erstklassig beschrieben, Danke hierfür :)

Michael
Captain Kirk (Wächter des Plankton...)


Ole Riemann

Hallo Bernd,

vielen Dank für diesen interessanten Beitrag zu Chrysostephanosphaera globulifera und die historischen Hintergründe zur Taxonomie dieser Art. Da die Alge offenbar selten gefunden und dokumentiert wird, ergänze ich hier noch drei Fotos von Material aus der Schwemm bei Walchsee in Österreich, das ich während des vergangenen Pillersee-Treffens gesammelt habe.

Zuerst eine Totalaufnahme einer Kolonie, bei der die Zellen ziemlich regelmäßig die Peripherie der gemeinsamen Gallerte (?) ausfüllen:



Bei höherer Vergrößerung treten in den Einzelzellen die kontraktilen Vakuolen (kV) und der becherförmige Chloroplast (Chl) hervor; die Pfeile markieren die äußerst zarten und im Hellfeld kaum abzubildenden Filopodien/Rhizopodien:



Hier noch ein weiteres Bild einzelner Filopodien/Rhizopodien (Pfeile):



Beste Grüße

Ole


Bernd

Liebes Forum,

gestern habe ich nochmals Fotos von einer C. globulifera im DIC gemacht und auch die Chlorophyll-Autofluoreszenz fotografiert (Ex450-490 nm, FT 510 nm, Em LP 520 nm). Nur die Chloroplasten der Goldalge zeigen Autofluoreszenz, die ,,Kügelchen" sind nahezu unsichtbar. Deshalb kann es sich bei den ,,Kügelchen" nicht um Cyanobakterien (Blaualgen) handeln, weil diese auch intensiv fluoreszieren würden. Die unwahrscheinlichste Hypothese über die Natur der ,,Kügelchen" kann ich also ausschließen. Damit sind meine technischen Möglichkeiten erschöpft.

@Jon: Vielen Dank für dir Literaturstelle. Die Angaben der Autoren zur Natur der ,,Kügelchen" sind kryptisch, dafür haben sie aber auf die Angabe einer Referenz verzichtet, um jede Klarheit zu vermeiden.

@Ole: Vielen Dank für deine Fotos als Ergänzung des Beitrags. In deinem DIC-Foto habe ich ebenso wenig wie in meinen eigenen Fotos ,,Kügelchen" entdecken können, die sich durch Knospung oder Teilung vermehren. Vielleicht sind es ja doch Exkretkörper und keine Symbionten.

Das Rätsel um die Natur der ,,Kügelchen" bleibt somit ungelöst.

Viele Grüße
Bermd

Martin Kreutz

Hallo Bernd,

vielen Dank für diesen Beitrag über eine selten gezeigte Chrysophycee. Tatsächlich habe ich in meinem Archiv auch nur wenige Fotos von dieser Art. Ich fand Chrysostephanosphaera früher auch im Simmelried, aber seit ca. 10 Jahren nicht mehr. Hier zwei Aufnahmen von 2005, noch auf Diafilm, auf denen man die Filipodien sieht (natürlich nicht so schön getroffen wie bei Ole):


Fi = Filopodien

Ich halte die Körner in der Gallerte auch für Exkretkörner. Um dies zu belegen, müsste man allerdings eine der koloniebildenden Zellen flach legen und mit Ölimmersion mal nachschauen, wie groß die Nahrungsvakuolen sind und in welcher Form sie ausgeschieden werden. Sicher kein leichtes Unterfangen.

Bei einer anderen Art, Phalansterium digitatum, kann man diesen Prozess der "Aufstockung" der Gallerthülle mit Exkretkörnern jedoch ganz gut nachvollziehen. In den beiden nächsten Fotos erkennt man sowohl die Gallerthülle mit den eingelagerten Exkretkörnern als auch die "Baummeister" mit den Nahrungsvakuolen mit der gleichen Größe wie die Exkretkörner. Es ist hier also offensichtlich. Ich glaube, dass es bei Chrysostephanosphaera genauso ist.

Martin



NV = Nahrungsvakuolen
PK = Plasmakragen
KV = kontraktile Vakuole
ZK = Zellkern
GKa = Gallerthüllen Kanäle
GE = Geißeln

Bernd

Liebes Forum,

dem Vorschlag von Martin folgend habe ich versucht eine Chrysostephanosphaera mit Hilfe von Deckglasdruck so platt wie möglich zu quetschen. Obwohl sich die Gallerthülle als extrem zäh erwies, ist es mir gelungen im Inneren von jeder Zelle der Kolonie ein ,,Kügelchen" zu sehen (Pfeile). Die ,,Kügelchen" sahen in allen Zellen gleich aus. Daraus schließe ich, dass es sich tatsächlich um Exkretkörper handelt. Wären es Symbionten, die von den Algenzellen gefressen werden, würde ich nicht erwarten, die ,,Kügelchen" in jeder Zelle zu finden. Außerdem würde ich größer Unterschiede in ihrem Aussehen erwarten, da in verschiedenen Zellen die Verdauung der ,,Kügelchen" unterschiedlich weit fortgeschritten sein sollte.

Viele Grüße
Bernd