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Sillimanit

Begonnen von Florian D., Januar 25, 2020, 23:53:34 NACHMITTAGS

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Florian D.

Glückauf Forum!

Nachdem für Floristen und Tümpler im Winter eher saure Gurkenzeit ist, traf es sich gut, dass ich von der besten aller Ehefrauen einige Dünnschliffe von Rob Gill geschenkt bekam.
Und zwar hauptsächlich solche, die die 3 Alumosilikatmodifikationen  Andalusit, Disthen (=Kyanit) oder Sillimanit enthalten.
Diese drei Minerale treten häufig in metamorphen Gesteinen auf, allerdings in verschiedenen Druck und Temperaturbereichen. Daher sind sie von immenser Wichtigkeit, um die metamorphotischen Bedingungen, unter dem sich das Gestein gebildet hat, nachzuvollziehen.
So tritt Andalusit bei niedrigen Drücken aber hohen Temperaturen auf, Disthen hingegen bei hohen Drucken aber niedrigen Temperaturen, wohingegen Sillimanit sein Stabilitätsgebiet bei hohen Drucken und zugleich hohen Temperaturen hat.

Der Dünnschliff, den ich als erstes Vorstellen möchte, ist ein Sillimanit-Glimmerschiefer aus New York:
https://geosec.biz/Sillimanite-Schist-New-York-USA-Thin-Section-Microscope-Slide-P5502436.aspx

Er enthält neben Sillimanit noch Quarz, Cordierit (ebenfalls ein Alumosilikat, das allerdings im Unterschied zu Sillimanit auch Magnesium enthält), sowie Muskovit  ( ein kaliumhaltiges Alumosilikat).
Letzteres ist diagnostisch von Interesse, da Muskovit nur in einem gewissen Druck- und Temperaturbereich neben Sillimanit stabil ist und sonst zu Feldspat umgesetzt wird.
Dies lässt auf die niedriggrade Amphibolitfacies schliessen.

Chemisch ist in diesem Gestein neben Quarz, der praktisch immer im Überschuss vorliegt, Aluminium, Kalium und Magnesium vorhanden, wobei letzteres auch teilweise durch Eisen erstetzt sein kann. Man stellt diese Art von Gesteinen daher in einem sogenannten A'KF-Dreieck dar, wobei A für Aluminium, K für Kalium (hier im Muskovit) und F für die mafischen Elemente (Magnesium und Eisen (Ferrum)) steht.
Dieses System ist noch relativ einfach, denn die meisten Metamorphen Gesteine enthalten darüber hinaus noch Calcium.
Mithin kann das Ausgangsgestein keinen Kalk enthalten haben, sondern eher eine tonige Zusammensetzung gehabt haben.

In den Bildern erkennt man nun Muskovit, besonders an den hohen Interferenzfarben bei gekreuzten Polarisatoren, grössere transparente Bereiche aus Quarz und Cordierit in die schliesslich ein Filz aus langen feinen Sillimanitnadeln eingebettet ist, die in dieser Tracht auch "Fibrolith" genannt werden.

Der Brechungsindex des Sillimanits ist mit 1.65-1.68 deutlich höher als der der anderen Materialien, so dass die Kristalle sich gut abheben.
Die höchsten Interferenzfarben sind das Blau 2. Ordnung, das gut zu einer Doppelbrechung von Sillimanit von 0.018-0.022 passt.

Schönes Wochenende
Florian









Florian D.

#1
Heute zwei Bilder ebenfalls eines Sillimanit Glimmerschiefers aus Moine, Strontian, Stuart in Schottland. In Strontian wurde auch erstmals Strontianit beschrieben, welches wiederum dem Element Strontium seinen Namen verlieh. Dort gibt es grosse Gruben, in denen Schwerspat und Bleiglanz gewonnen werden.
Rob Gill's Beschreibung findet sich hier:
https://geosec.biz/Sillimanite-Schist-Strontian-Thin-Section-Microscope-Slide-P3206676.aspx

Im Vergleich zu dem gestern gezeigten Sillimanitschiefer fällt auf, dass dieser keinen Muskovit enthält, dafür aber Biotit, perthitischen Alkalifeldspat und wenig Plagioklas sowie Granat (wohl Grossular). 
Wie gestern erwähnt, reagiert Muskovit bei höheren Temperaturen mit Quarz zu Sillimanit und Orthoklas. Damit gehört das Gestein wohl zur höhergradigen Amphibolit- bis Granulitfacies. Das Vorkommen von Plagioklas und Grossular zeigt, dass das Gestein auch nennenswerte Mengen von Calcium enthält.
Das Vorkommen von Biotit lässt mich auf einen höheren Kaliumgehalt im Vergleich mit dem Gestein aus New York, schliessen.


Wie schon gestern, erst eine Aufnahme ohne Analysator, dann eine mit gekreuzten Polarisatoren.

Viele Grüsse
Florian

Florian D.


Florian D.

Jetzt zum Andalusit: Dieser ist ein typisches Mineral der Regionalmetamorphose, wenn z. B. ein Pluton in oberflächennahe Sedimentgesteine eindringt. Die Temperatur steigt mit fallendem Abstand zum Pluton an, der Druck ist jedoch gering.

Der Andalusit hat einen ähnlichen Brechungsindex wie der Sillimanit, aber eine geringere Doppelbrechung (0.009-0.012), weshalb er mit gekreuzten Polarisatoren gerade mal weisslichgrau erscheint. Man erkennt deutliche bis gute Spaltbarkeit.

Hier ein Beispiel eines  Andalusitschiefers aus der Bastnäs Mine in Schweden (dort wurden auch die ersten Seltenerdminerale entdeckt).
https://geosec.biz/Andalusite-Mica-Schist-Sweden-Thin-Section-Microscope-Slide-P3241797.aspx

Man erkennt den Andalusit an seinem hohen Relief gegenüber dem umgebenden Muskovit. Auf dem 3. und 4. Bild ist auch Cordierit zu erkennen. Auf dem 5. und 6. Bild ein Mineral mit auffälligen Entmischungslamellen (?). Bin mir nicht sicher, was das ist.

Florian D.

ups, ein Bild fehlt noch!

Florian D.

Und jetzt nochmal ein Andalusit in  der aufgrund typischer schwarzer Graphiteinschlüsse "Chiastolit" genannt wird:
https://geosec.biz/Andalusite-Hornfels-Skiddaw-Cumbria-Thin-Section-Microscope-Slide-P4465937.aspx
Er stammt aus Caldew Valley, Siddaw, Cumbria, England und es handelt sich um einen Chiastolit-Hornfels, der entstanden ist, als ein Granitgang in einen Tonschiefer eingedrungen ist.
Das erste und zweite Bild ohne und mit Analysator, das dritte ist ein anderer Chiastolit ohne Analysator.


olaf.med

Lieber Florian,

das Mineral in Bild 5 und 6 ist wohl ein verzwillingter Plagioklas.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Florian D.

Lieber Olaf,
Ja, gut möglich, die Lamellen kamen mir nur ein bisschen zu gekrümmt vor.
Viele Grüsse
Florian

derda

Guten Moin Florian,

vielen Dank für deinen schön beschriebenen Beitrag. Ich mache um unbekannte metamorphe Gesteine einen großen Bogen. Es ist für mich einfach zu schwierig aus den Dünnschliffen etwas herauszulesen. Daher Respekt, dass du dich dann auch noch an so nadeligen Kleinkram rantraust.

Kleine Kritik am Rande: Maßstabsbalken und ein Übersichtsbild wären super.

Ich freue mich schon auf neue Beiträge.

Viele Grüße,

Erik


Florian D.

Hallo Erik,

Ja, mit unbekannten metamorphen Gesteinen habe ich auch noch nicht viel gemacht. Zu den Gekauften von Rob Gill gibt es aber wenigstens Beschreibungen und es handelt sich um Präparate, die gefühlt nicht nur aus Sericit bestehen. Daher hier mein Versuch, das auch mir weitgehend unbekannte Gebiet der Metamorphite zu erschliessen.

Das mit dem Massstab habe ich leider versäumt, aber Übersichtsbilder versuche ich nachzuliefern. Allerdings muss ich für das 1x Objektiv das halbe Mikroskop umbauen.

Ein Professor hat einmal verächtlich kommentiert, dass viele Leute in Ihren Publikationen wenig Neues darstellen würden, sondern ihren eigenen Lernprozess dokumentieren würden.
Dies gilt für mich, zumindest im Rahmen dieses Forums, im besonderen Masse:

Die IUGS vertritt ja den Standpunkt, dass man ein Gestein auch ansprechen können sollte, auch wenn man den Feldzusammenhang nicht kennt. Da habe ich mich immer gefragt, warum in Metamorphiten so viele Minerale vertreten sind, die z. B. in Plutoniten nicht, oder nur selten vorkommen, wie z. B. Chlorit, Epidot, Cordierit, oder die einfachen Alumosilikate Andalusit, Kyanit und Sillimanit, obwohl einige Metamorphite ja unter durchaus ähnlichen Drücken und Temperaturen gebildet werden, wie etwa Plutonite.

Der Grund ist letztendlich dieser: Das Substrat der meisten Metamorphite sind Kalke, Mergel oder Tone, die sich im Wasser gebildet haben, also z. B. Meeresablagerungen oder Flusssedimente.
Im Vergleich zu den magmatischen Edukten, sind diese Substrate extrem an Alkalien abgereichert, einfach, weil diese leicht in Wasser löslich sind. Daher müssen die Alkalien in Metamorphiten teilweise durch andere Elemente vertreten werden, speziell durch Aluminium.
Aluminium ist ein amphoteres Element, d. h. sein Oxid kann sowohl als Säure als auch als Base fungieren.
In den Feldspäten, Amphibolen und Pyroxenen der Magmatite fungiert es zusammen mit SiO2 als Säure, wohingegen es in den Metamorphiten zusätzlich als Base (also als Al3+) die Alkalien vertritt.

Der Elementbestand der Metamorphite -ich beschränke mich jetzt hier mal auf Kalke, Mergel und Tone- ergibt sich besonders aus folgenden Edukten (Silizium wird nicht besonders erwähnt):
Kaolinit -> Aluminium
Montmorillonit -> Magnesium und Aluminium
Muskovit -> Kalium und Aluminium
Kalk -> Calcium
Im Rahmen der Metamorphose verändert sich dieser Bestand an Elementen normalerweise nicht, allerdings kommt es zu Entwässerung und Verlust von CO2.
D. h. aus Kaolinit wird Andalusit, aus Montmorillonit z. B. Cordierit, Chlorit oder, Pyrop.
aus Kaolinit und Kalk wird Epidot oder Grossular.

Viele Grüsse
Florian














Florian D.

Hier die versprochenen Übersichtsaufnahmen!
Erst die Skala, dann der
Sillimanit Glimmerschiefer aus NY, der Sillimanit Glimmerschiefer aus Strontian,  der Andalusit Glimmerschiefer aus Schweden und der Chiastolit aus Cumbria, jeweils ohne und mit gekreuzten Polarisatoren.


Viele Grüsse,
Florian

Florian D.

Weiter geh's!

Rawfoto

Guten Abend

Danke für den spannenden Beitrag👍

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

hugojun

Hallo Florian,
auch von mir besten Dank fürs Zeigen und für die ausführliche Beschreibung.
Das Dreigestirn Andalusit; Sillimanit und Disthen sind ja die klassischen Minerale in dem Druck-Temperatur-Diagramm der Metamorphose Grade.
Besonders hilfreich aber , finde ich  die Hinweise auf das auftreten von Umwandlungen und Neubildungen, wie den Muskovit, Biotit oder Granat, die die Deutung des Metamorphose-Grades unterstützen.
Gruß
Jürgen


Florian D.

#14
Danke für die Blumen, aber es fehlt noch der Disthen alias Kyanit!
Zunächst ein präkambrischer Kyanit-Glimmerschiefer, aus Drummadrochit Highland, Schottland:
https://geosec.biz/Kyanite-mica-Schist-Drumnadrochit-Scotland-Thin-Section-Microscope-Slide-P3214975.aspx
Die ersten beiden Bilder wieder Übersichtsaufnahmen.
Bilder 3 und dann mit 3.5 fach grösserem Massstab (ohne und mit x-Pol).
Durch vielen sehr guten bis vollkommenen Spaltbarkeiten bei hohem Brechungsindex sieht er generell wie mit Tusche gezeichnet aus,
Was mich etwas wundert, ist, dass die Kristalle in diesem Schliff praktisch gerade Auslöschung zeigen und die Interferenzfarben nicht das gelb der 1. Ordnung erreichen.
Dies ist für gewisse Orientierungen der Kristalle aber möglich.
Der Schliff enthält ansonsten Feldspat, Biotit und Muskovit, körnigen Quarz und Erz.
Als Hochdruckmodifikation hat Kyanit von den 3. Allotropen die höchste Dichte und Brechungsindex (1.71-1.73)