Jena Amplival Interphako Teil 3 : Messung kleiner lateraler Größen

Begonnen von Carsten Wieczorrek, Februar 08, 2020, 16:08:00 NACHMITTAGS

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Carsten Wieczorrek

Hallo,

ich füge meinem Interphako-Beitrag nun den dritten Teil zu. Die anderen Beiträge können unter folgenden Links erreicht werden:

Teil 1 ist hier : https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=35829.0
Teil 2 ist hier : https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=35898.0

Ich behalte hier wieder die Bennennung/Nummerierung der Bedienelemnte analog der Jena Bedienungsanleitung und meinem ersten Beitrag bei.
Dieser Beitrag wird sich damit beschäftigen, wie man mit Interferenzstreifen auch kleine Abstände in der Bildebene messen kann.

Um laterale Abstände im mikroskopischen Bild zu messen, verwendet man in der Regel kalibrierte Okular-Mikrometer oder Messschraubenokulare. Das geht natürlich auch mit einem Interphako-Mikroskop. Das Verfahren stößt aber an seine Grenze, wenn die zu messenden Partikel kleiner sind, als die Abstände der Striche des Okular-Mikrometers. Wir reden hier also über Längenmessungen im Bereich < 2 µm. Aber für Messungen so kleiner Größen mit Interferenz-Effekten ist das Interphako ja entwickelt worden.

Bevor wir eine echte Messung durchführen, sehen wir uns erst mal das Messprinzip an.

Für die folgenden Bilder wird das Interphako mit dem Drehkeil 30 im Durchlicht verwendet. Beleuchtet wird mit monochromatischem Licht von 550 nm. Spaltblenden oder Gitter werden von mir nicht verwendet (was nicht heissen soll, dass man nicht alles noch besser machen kann). Blendeneinstellungen usw. werden nur eingesetzt, um den optimalen Kontrast für die Fotos zu erreichen (durchaus mit Auflösungsverlust, aber Interferenzstreifen mit dem Handy durchs Okular zu fotographieren, ist nicht einfach, wenn man keine Halterung hat).

Wir starten mit einer Einstellung von genau NULL Bildaufspaltung. Also quasi einem normalen mikroskopischem Bild. Bild 1 zeigt als Objekt ein menschliches Haar. Natürlich sind bei Verwendung eines Drehkeils und genau KEINER Aufspaltung kontrastreiche Interferenzstreifen im Bild zu sehen. Am rechten Rand des Bildes zeige ich eine Aufnahme der "Pupille", also bei eingeschalteter Betrand-Linse 16.

Bild 1 : Haar ohne Bildaufspaltung



Man erkennt, dass bei maximalem Kontrast der Interferenzstreifen im mikroskopischen Bild in der Pupille keine Interferenzstreifen zu sehen sind.
Jetzt stellen wir mit dem Drehkeil eine sehr geringe Bildaufspaltung ein. Das Bild wird dabei etwas unscharf, da ja jetzt zwei verschobene Bilder übereinander gelegt werden. Im Mikroskopischen Bild verschwinden die Interferenzstreifen. Bild 2 zeigt das Ergebnis:

Bild 2 : Haar mit geringer Bildaufspaltung



In der Pupillle tauchen jetzt aber Interferenzstreifen auf.

Betrachten wir die Bilder 3 bis 4. Sie zeigen genau das gleiche Objekt bei jeweils vergrößerter Bildaufspaltung:

Bild 3 : Haar mit mittlerer Bildaufspaltung



Bild 4 : Haar mit großer Bildaufspaltung



Man erkennt eine allgemeine Regel: je größer die Bildaufspaltung, desto kleiner der Abstand der Interferenzstreifen in der Pupille.
Es gilt also für den Streifenabstand b ~ 1/a wobei a die Bildaufspaltung ist. Das ist ein sehr positiver Befund: je kleiner der zu messende Abstand, desto größer wird der Interferenzstreifen-Abstand, was deren Messung natürlich vereinfacht. Wie wir später sehen werden, ist das Ausmessenn sehr kleiner Abstände tatsächlich viel einfacher, als das Messen von Abständen > 30 µm.

Jetzt brauchen wir nur noch eine exakte mathematische Herleitung, und wir können über die Bildaufspaltung Abstände messen. Leider ist der mathematische Hintergrund etwas über meinem Horizont....

Ich berufe mich hier auf die Interphako-Bedienungsanleitung für das Peraval. Wem das nicht genügt, dem seien die Seiten 126 folgende im Beyer ans Herz gelegt.

Für die Größe der Bildaufspaltung a in  µm gilt:

a = (C x n x L) / (b x B x 546)

Dabei ist:

a Größe der Bildaufspaltung/gemessener Abstand in µm
b der Abstand der Interferenzstreifen in der Pupille in mm
C ein kalibrierbarer Gerätefaktor, für den als Faustregel 164 gilt
n die Anzahl der Interferenzstreifen, die man für die Abstandsbestimmung verwendet hat
L die Wellenlänge des verwendeten Lichtes in nm
B der Abbildungsmaßstab in der letzten Zwischebildebene
546 die Referenzwellenlänge von Jena

Für B gilt laut meiner Jena-Bedienungsanleitung "ungefär 1,25 x Vergrößerungsfaktor des Objektives". Wenn man im unteren Mikrometerbereich messen soll, ist ein ungefährer Faktor doch etwas wage für mich. Also messen wir den Abbildungsmaßstab doch mal nach. Bild 5 zeigt mein Objektmikrometer mit Okularmikrometer mit dem Handy durch das Okular mit dem Planachromat 63x fotographiert.


Bild 5 : Bestimmung des Abbildungsmaßstab



Ich zähle hier zwischen den Roten Markierungen 10 Strichabstände auf 8 mm. Da mein Objektmikrometer eines der üblichen "1 mm in 100 Teilen" ist, komme ich damit auf einen Abbildungsmaßstab von 8000 µm / 100 µm, = 80:1. Und mit 80/63 = 1,2698. OK, ungefär 1,25.


Jetzt können wir etwas messen. Das Haar lohnt sich dafür nicht, wir wollen ja zumindest unter die 5 µm Grenze kommen.

Bild 6 zeigt mein Test-Objekt:


Bild 6 : Testobjekt



Was sehen wir hier? Das ist NUCLEODUR® C18 100-7. Ich habe hier mal ein Objekt aus  meiner Arbeitswelt mitgebracht. Mein Arbeitgeber stellt unter anderem HPLC-Säulen her (also für die Hochdruck-Flüssigkeits-Cromatographie). Dabei stellen wir nicht nur die Hardware her, wir sind einer der wenigen Hersteller, die ihr eigenens HPLC-Sorbens herstellen.

In der HPLC werden in der Regel Kieselgele als stationäre Phase verwendet. In 99% der Fälle sind das kugelförmige, poröse, wasserhaltige Polykieselsäure Partikel. Die Kunst ist, sie kugelförmig und vor allem regelmäßig in der Form herzustellen. Die meißten Phasen werden auf ihrer Oberfläche chemisch modifiert. Man tauscht z. B. die aus dem Kieselgel endständig herausragenden Si-OH Gruppen gegen Si-O-CO-C18H37 aus. Oder gegen C8, CN, NH2....
Also quasi gegen alles, was man so möchte. Damit kann man die Polarität der Phase beliebig einstellen.

NUCLEODUR® C18 100-7 beutet: sphärisches Kieselgel, C18 modifiziert, mittlerer Porendurchmesser 100 Angström, mittlerer Partikeldurchmesser 7 µm.

Also sehen wir hier Kugeln aus Kieselgel, die im Mittel zwischen 10 und 5 µm gross sein sollten.


Bild 7 zeigt ein Partikel mit einem Einschluss. Vermutlich handelt es sich hier um eine Luftblase in einem hohlen Bereich der Kugel. Den Durchmesser dieser Luftblase werden wir jetzt messen.


Bild 7 : Testobjekt mit Einschluss



Mit dem Drehkeil 30 wird jetzt das Bild soweit aufgespalten, dass der obere Rand der Luftblase im unteren Bild gerade den unteren Rand der Luftblase im oberen Bild berührt, siehe Bild 8:


Bild 8 : Testobjekt mit Bildaufspaltung



Rechts wieder der Blick in die Pupille. Zwischen den roten Markierungen zähle ich 9 Interferenzstreifen. Deren Abstand beträgt (55 - 20) = 3,5 mm.

Damit ergibt sich für den Abstand der Bildaufspaltung nach obiger Formel:

a = (164 x 9 x 550 nm) / (3,5 mm x (63 x 1,2698) x 546 nm) = 811800 / 152875 = 5,3 µm.

Und da die Bildaufspaltung genau dem Durchmesser des Testobjektes entspricht, haben wir den Durchmesser des Partikels zu 5,3 µm bestimmt. 5,3 µm ist natürlich noch riesig. Das Verfahren funktioniert aber sehr gut mit viel kleineren Abständen. In den 70er Jahren wurden damit die Durchmesser von Bakterien bestimmt.

Was alles in dem ominösen Gerätefaktor C steckt und warum der etwa 164 ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Wir können ihn aber bestimmen:

Bild 9 zeigt mein senkrecht gestelltes Objektmikometer. Wichtig: die nächsten Bilder sind mit dem 25x Objektiv aufgenommen. Leider liegt es etwas schräg, weshalb die Schärfe nach oben abnimmt....


Bild 9 : senkrechter Objektmikometer



In diesem Bild führen wir jetzt eine sehr große Bildaufspaltung herbei. Und zwar verschieben wir einen der längeren Teilstriche auf den nächsten längeren Teilstrich. Damit haben wir eine Bildaufspaltung von genau 50 µm eingestellt, wie in Bild 10 zu sehen ist:


Bild 10 : senkrechter Objektmikometer mit Bildaufspaltung 50 µm



Da bei großen Bildaufspaltungen der Interferenzstreifenabstand in der Pupille sehr klein wird, haben wir hier echt etwas zu zählen, wie Bild 11 zeigt:


Bild 11 : messen des Interferenzstreifenabstands



Ich habe dreimal etwas anderes gezählt. Erst, als ich das Bild ausgedruckt habe und die Streifen mit dem Bleistift weggestrichen habe, kam ich auf eine stabiles n von 60 Streifen. Absoluter Zufall, dass das auch einem Abstand von 60 Teilstrichen = 6 mm entspricht. Damit können wir jetzt obige Formel umstellen und C ausrechnen:

C = (a x b x B x 546) / (n x L)

C = (50 µm x 6 mm x (63 x 1,2698) x 546) / (60 x 550) = 5199831/33000 = 157,6


Nicht ganz 164, aber nahe dran. Wenn man diesen Gerätefaktor C bei der Abstandsbestimmung einsetzt, verändert sich unser Messergebnis zu 5,3 µm x (157,6/164) = 5,1 µm.


Viel Spaß beim "Erarbeiten",

Carsten
Für's grobe : GSZ 1
Zum Durchsehen : Amplival Hellfeld, Dunkelfeld, INKO, Phasenkontrast
Zum Draufsehen : Vertival Hellfeld, Dunkelfeld
Zum Polarisieren : Amplival Pol u Auf-/Durchlicht
Für psychedelische Farben : Fluoval 2 Auflichtfluoreszenz
Für farbige Streifen : Epival Interphako

Stuessi


hugojun

#2
Hallo Carsten,
danke für den Beitrag zu diesem schönen Präzisionsinstrument.
Deiner Aufforderung zum ,,Erarbeiten" bin ich natürlich gefolgt.
Im letzten Abschnitt zur Ermittlung der Gerätekonstante C ist Dir ein kleiner Fehler unterlaufen. Zwar hast Du das richtige Ergebnis bekommen, aber in der Formel hast Du den Maßstab Zahl 63, und nicht 25 eingesetzt. Ich habe deshalb zwangsläufig Immer ein anderes Ergebnis gehabt.
Zur Gerätkonstante C selber sagt die Literatur 164 als Größenordnung. Den genauen Wert für die eigene Gerätekonstante wird dann mit der Formel C= (a x b x B x 546) / ( n x L ) berechnet( ich bin da bei deinen Abkürzungen geblieben ).
Für die gemessene Größe a gilt dann a= (C x n x L) / (b x B x 546). B ist das Produkt aus der Maßstabzahl des Objektives X dem Tubus Faktor, also in Deinen Beispielen (63 x 1,25), bzw. (25 x 1,25).Diese nominalen Werte des Tubus Faktor und die der Objektivvergrößerung im Zähler , sollen ja durch die Gerätekonstante C korrigiert werden.
Wenn Du nun zusätzlich eine Tubus Korrektur einführst (in Deinem Fall 1,2689 ) und damit rechnest , führst Du
nach meinen Vorstellungen einen Teil des Geräte Fehlers wieder in deine Rechnung ein?
Mit Deinen Werten komme ich somit auf C = ( 50µm x 6mm x25 x 1,25 x 546 ) / ( 60 x 550) = 155,1.
Somit wird a= (155,1 x 9 x 550 )/(3,5 x 63 x 1,25 x 546) = 5,1 µm.


                                  

Gruß
Jürgen

Carsten Wieczorrek

Hallo Jürgen,
Danke fürs nachrechnen. Ich schaue nacher noch mal drüber. Was ich aber nicht verstehe, ist der Tubusfaktor von 1,25. Wo kommt der her? Der unendlich Tubusfaktor des Interphakoträgers ist 2.
Grüße
Carsten
Für's grobe : GSZ 1
Zum Durchsehen : Amplival Hellfeld, Dunkelfeld, INKO, Phasenkontrast
Zum Draufsehen : Vertival Hellfeld, Dunkelfeld
Zum Polarisieren : Amplival Pol u Auf-/Durchlicht
Für psychedelische Farben : Fluoval 2 Auflichtfluoreszenz
Für farbige Streifen : Epival Interphako

hugojun

Hallo Carsten ,

der Interferenz-Tubus-Faktor beträgt Nominativ 2x , aber die Trägerarme sind alle Nominativ 0,63x.
2  x  0,63  =  1,26 ; daher deine 1,2689x.
Der normale Zwischen Tubus hat einen Faktor 1,6x, macht dann 1,6 x 0,63 = 1,008, ohne Korrektur mit
Tisch-Mikrometer natürlich.
Gruß
Jürgen