Hauptmenü

Frühlingsplankton

Begonnen von Michael Plewka, Februar 14, 2020, 08:15:45 VORMITTAG

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Michael Plewka

Hallo zusammen,
im Zuge der Vorbereitung für das Treffen der NVH (siehe hier:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=36293.0
ergab eine Probennahme von Plankton in verschiedene Gewässern  der Umgebung Bochum/ Hattingen/ Witten  einige interessante Beobachtungen:

1. Die Probenstellen sind zur Zeit unterschiedlich weit "entwickelt". Während beispielsweise in einem nahe gelegenen Feuerlöschteich sehr viel Plankton zu finden ist, ist im Hammerteich in Witten,  in dem ich im Sommer/Herbst schon sehr viele und interessante Plankton-Organismen gefunden habe, praktisch nichts zu finden.
Auch scheint der Sturm "Sabine" eine Einfluss (gehabt) zu haben: an "meiner" windexponierten Standard-Probeeentnahmestelle am Kemnader See in Bochum war die gezogene Probe grau von aufgewirbeltem Sediment. Plankton war kaum zu finden, außer einem Ciliaten (Didinium nasutum). Hier ein Blick auf den Cortex mit den zwei Cilienkränzen. Außerdem ist die Dorsalbürste erkennbar:




Ein weiteres Bild zeigt einen optischen Längsschnitt durch den Ciliaten; in dieser Fokusebene ist der Makronukleus (Ma) zu sehen:




Knapp 50 m weiter in einem windgeschützten und stark abgeschattetem Seitenarm des Sees dagegen pulsierte  das Plankton-Leben: sehr viele Rädertiere (Synchaeta, Polyarthra, Keratella, allerdings kaum Brachionus) , Wasserflöhe  (Copepoden und deren Larven).

Frontonia leucas  (in der Zoochlorellen-Form) war relativ häufig in dieser Probe vom Seitenarm des Kemnader Sees zu finden, wobei aber auch zoochlrellenfreie Exemplare zu finden waren.




Frontonia bietet eine Menge faszinierender Feinstrukturen. Hier ein Bild vom Oralapparat mit seiner komplexen Struktur:




Noch zwei Aufnahmen desselben Ausschnitts des Cortex  in unterschiedlichen Fokusebenen. Die postorale Naht  läuft quasi als Diagonale durch das Bild.  Die linsenförmigen Gebilde sind möglicherweise Mitochondrien:





2.Auffällig  war auch, wie wenig  Phytoplankton in allen Proben zu finden war.

3.Als ich mit dem "Tümpeln" anfing, habe ich mich oft über die "Variabilität" des Rädertiers   Synchaeta gewundert. Mittlerweile hat die Erfahrung gelehrt, dass die Gattung Synchaeta in unseren Gewässern zeitgleich sehr häufig mit mehreren Arten (sympatrisch) vorkommt. So auch in einigen der jetzt beprobten Gewässer: immer ist Synchaeta pectinata vertreten, daneben aber auch S. oblonga oder S. tremula.
Dabei fiel mir auf, dass in Proben aus zwei unterschiedlichen Gewässern die Populationen von Synchaeta  zu ca 50 % mit Parasiten befallen waren, was ich für diese Jahreszeit (noch) nicht erwartetet hatte. Die Pfeilspitzen im folgenden Bild zeigen die Parasiten bei einer S. oblonga:



Hier eine bereits stark gequetschte S. pectinata. aus derselben Probe, bei der der Befall besonders deutlich zu sehen ist:




4. Apropos grüne Ciliaten:

im Feuerlöschteich waren viele Ciliaten (vermutlich Pelagothrix plancticola) zu finden. Bei diesem Ciliaten ist die Felderung des Cortex durch die Alveolen (daher der Name ,, Aveolata" für die  Gruppe des biologischen Systems, die den Ciliaten übergeordnet ist und diese mit den Dinoflagellaten verbindet)  besondes auffällig.




Beste Grüße
Michael Plewka

Bernd

Hallo Michael,

die Aufnahmen der Dorsalbürste von Didinium und des Oralapparates von Frontonia sind absolute Spitze.

Viele Grüße
Bernd

sushidelic

Hallo Michael,

wundervolle Aufnahmen und tolle Doku! Hätte gar nicht gedacht, dass schon wieder soviel los ist im Teich. Da bekommt man doch Lust, gleich mal zur nächsten Entnahmestelle zu laufen!

LG Michael

Heiko

Hallo Michael,

gerade, oder auch, der Laie verfällt dem Zauber Deiner Aufnahmen. Deshalb die Bitte, ihm, dem Staunenden, zu erklären, was es mit dem Parasiten bei einer S. oblonga auf sich hat. Den Fakt finde ich ja erstaunlich genug. Was mir nicht einleuchtet, ist die so unterschiedliche ,,Optik" der beiden Aufnahmen. Zwischen der peripheren Abbildung und dem ,,optischen Schnitt" liegen für mich Welten. Wie kommt das?

Viele Grüße,
Heiko

junio

Lieber Michael,
da freue ich mich ja wirklich schon sehr auf heute Nachmittag.

Beste Grüße und bis gleich sagt

Jürgen aus Hagen

Ole Riemann

Lieber Michael,

ganz große Klasse - wie Jürgen schon sagt: Da wäre ich auch gerne dabei. Vielleicht magst Du ja etwas Material nach Würzburg am kommenden Wochenende mitbringen?

Viele Grüße

Ole

Michael Plewka

Hallo zusammen,

recht herzlichen Dank für die positiven Kommentare!

@ Heiko: was erst im Stereomikroskop deutlich wird und bei den meisten Zeichnungen von Synchaeta nicht,  ist die ausgesprochen "Dreidimensionalität" der Viecher. Während S. pectinata im Querschnitt auf Höhe der Wimperohren einer (Konvex)Linse gleicht, ist es bei S. oblonga in etwa ein gleichseitiges Dreieck. Insbesondere bei letzteren  ist das mit der Tiefenschärfe ein echtes Problem. Von den beiden angesprochenen Bildern ist das von S. oblonga ein "optischer Schnitt", wobei es wegen des angesprochenen Querschnitts praktisch unmöglich ist, ein symmetrisches Bild von den Viechern im lebendigen Zustand hinzubekommen.  Hier ist halt der Fokus auf die Parasiten bzw. den Augenfleck. Das von Dir als "optischer Schnitt" bezeichnete Foto  entspricht aber einem von mir schon des öfteren hier kritisierten Habitus: knackscharf fotografiert, aber meist aus biologischer Sicht ekelhaft. Um einen Vergleich anzuführen: man stelle sich vor: ein Kaninchen wird von einer Dampfwalze überrollt und dann mit einer Nikon 850 schön scharf  fotografiert. Häufig haben  vergleichbare  Fotos von Mikroorganismen hier im Forum breite positive Resonanz gefunden....
Wie ich bereits schrieb: die Synchaeta ist stark gequetscht, geplatzt, im unteren Viertel des Bilds ist der ausgetretene und ausgelaufene Darm zu sehen.  Ich halte es aber in diesem Fall für gerechtfertigt, das Bild zu zeigen, weil dadurch der Parasitenbefall deutlich wird.

Wenn sich Deine zwei "Welten" aber auf das unterschiedliche Aussehen der Parasiten beziehen sollten: das ist aus biologischer Sicht ein sehr spannendes, aber auch komplexes Thema. Zum einen ist das Thema "Parasiten in Rädertieren" hier schon des öfteren angesprochen worden. Hier nochmal ein Beispiel:

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=1945.0


Im Verlaufe der Zeit nach diesem Thread sind in meinen Proben weitere Viecher mit Parasiten aufgetreten; hier eine Übersicht dazu:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/E-TL/e-Ecology/Para-Roti.html

Die Parasiten durchlaufen wohl -zumindest teilweise- sehr komplexe Generationswechsel, die mit Formwechseln  innerhalb desselben Wirts verbunden sein können. Da kenne ich mich nicht aus; deshalb ist nicht mir klar, ob es sich in den jetzt hier gezeigten Bildern um verschiedene Arten von Parasiten oder aber um verschiedene Entwicklungsstadien handelt.


Vielleicht noch ein  Hinweis: die hier gezeigten monogononten Rädertiere sind ja im Plankton zu finden. Die andere Gruppe, die  bdelloiden Rädertiere, werden ebenfalls von Parasiten befallen.   Sie kommen zwar auch im  Wasser vor, aber ein  Großteil der Arten lebt eher an Land im Moos oder der Erde, also Lebensräumen, die nur zeitweise nass sind. Interessant ist nun deren Strategie    solchen Parasiten zu entkommen: sie können bei Trockenheit austrocknen, werden möglicherweise  als "Tönnchen" durch den Wind verdriftet und sind damit für die Parasiten nicht erreichbar.

@ Ole: gerne bringe ich Proben mit: allerdings dürften Plankton-Proben, die ich donnerstags sammeln würde, am Freitag nach der Anfahrt schon vergammelt sein....



Beste Grüße
Michael Plewka

Heiko

Hallo Michael,

Danke für Deine Antwort, deren zweiter Teil meine Frage beantwortet, wobei ich Deinen ,,Prolog" nicht weniger aufschlussreich finde.
An ,,Mischinfektion" hatte ich gedacht – nie aber wären mir Generationswechsel in den Sinn gekommen. Aber natürlich, ,,infizieren" des Wirts und ,,vermehren" in ihm sind ja recht unterschiedliche Anforderungsbereiche.
Bezüglich des Anemochorie-Beispiels, wenn ich das richtig verstehe, ist es wohl eine Doppelstrategie: Verbreitung und Flucht. Und wie hat der Parasit das Problem gelöst, denn Wettrüsten ist überall.

Viele Grüße,
Heiko