Kameras am Polmikroskop David vs. Goliath

Begonnen von derda, Februar 22, 2020, 14:54:25 NACHMITTAGS

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derda

Liebe Mikrofotografen,

ich habe mir Ende des letzten Jahres doch noch ein Zeiss-Standard-WL-Pol zugelegt. Seine Ausbaufähigkeit bei den Kontrastverfahren reizte mich einfach. Zudem sind die Preise für gebrauchte digitale Vollformatbodies sehr in den Keller gegangen. Eine SONY A7S, die ich wegen ihrer geringen Megapixel ausgewählt habe, ist mit etwas Geduld für weniger als 500€ zu bekommen. In gleichem Maß sind selbstverständlich die Preise der alten Kameradapter gestiegen, bin ja nicht der Einzige, der die Idee einer Vollformatadaption hat.
Ich habe die A7S über den Zeiss-IKON-Trichter am Trino mit S-KPL, Zeiss-Projektiv 47 60 29 und T2-NEX Adapter befestigt und erhalte damit ein radscharfes Bild mit keiner merklichen Verzeichnung.

Über die Sony-Remote Software kann die Kamera ferngesteuert werden:



Das Bild im Detail:



Bis zum Zeitpunkt der Selbstnutzung einer Vollformatkamera am Mikroskop hielt ich diese für das Nonplusultra. Jetzt bin ich jedoch etwas enttäuscht, was die Dynamikeinstellmöglichkeiten betrifft. Im Schwarzbereich der aufgenommenen Bilder sind kaum Abstufungen zu erkennen.



Am Jenalab-Pol verwende ich eine 1/2"-5MP-Industriekamera (µEye 3580), die weitaus mehr Einstellmöglichkeiten in der Bediensoftware selbst bietet. Die Bilder können von dort ohne weitere Bearbeitung direkt verwendet werden.



Bild im Detail:


Nach vielen anschließenden Bearbeitungsschritten in einer Bildbearbeitungssoftware lässt sich das Vollformatbild auch verbessern. Ich hätte nie gedacht, wie aufwendig dies ist:



Das Ergebnis der Vollformatkamera ist mit erheblich mehr Aufwand auch nicht besser als das der Industriekamera.

Viele Grüße

Erik

Silber_und_Licht

Moin!

Mir ist nicht klar, wo Du den "erheblichen" Mehraufwand siehst? Bei mir wären das ein bis zwei Mausklicks. Im äußersten Fall 10 Sekunden Justage im Konverter, exportieren im gewünschten Format - fertig. Wo ist das Problem? Insbesondere auch, weil der Prozess kopierbar und damit auf dutzende gleichartiger Bilder mit einem weiteren Mausklick anwendbar ist.

Gruß
Wolfgang
"Du" fänd' ich ganz in Ordnung.

das Schönste: ZEISS Lumipan
das Liebste: LEITZ Panphot II, Ortholux
das Beste: ZEISS Axiomat

eine etwas umständliche Vorstellung: www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=28652.0

xf00741

Hoi Erik

Stammt das 1. Bild von der Sony Remote Software? Wenn ich das Histogramm so anschaue, dann ist das stark linkslastig, sprich überwiegend dunkle Tonwerte, während Du auf der rechten Seite in den hellen Tonwerten kaum was hast.

Hast Du in RAW oder in JPG fotografiert? Wenn in RAW dann ist das was Wolfgang schon geschrieben hat anzuwenden. Ausserdem würde ich da generell die Belichtungskorrektur so so ins Plus drehen, dass das Histogramm fast an der rechten Seite anschlägt. Abdunkeln kannst Du gegebenenfalls immer, wodurch Du sogar noch das Rauschen reduzierst. Ansonsten empfehle ich Dir mal im Internet nach "Expose to the right" zu suchen.

Wenn Du in JPG fotografiert hast, wie sind denn Deine Einstellungen in der Kamera für Kontrast, etc. Da würde ich dann den Kontrast zurücknehmen, evtl. auch die Sättigung.

Gruss
Jörg



Zeiss Standard WL IV FL
Zeiss Standard WL DL, POL, DIK
Wild M5

derda

Hallo Zusammen,

na klar kann ich das Bild hinterher bearbeiten und einem Profi wie dir Wolfgang geht das ohne Frage schneller von der Hand als mir. Leider sehe ich zum Aufnahmezeitpunkt nicht, ob die für mich wichtigen Informationen irgendwo in der Dunkelzone durch Nachbearbeitung herausgehoben werden können.

Bei gekreuzten Polfiltern bin ich doch gefesselt vom immer vorhandenen Schwarz und irgendeinem Leuchtpunkt in Weiß. Wenn ich dann das Histogramm durch "Überbelichten" weiter nach rechts verschiebe, dann sind die Hellen Punkte später nicht mehr zu unterscheiden. Oder habe ich da etwas falsch verstanden.

Viele Grüße

Erik

xf00741

Hoi Erik

Wie ich geschrieben habe funktioniert ETTR nur in Verbindung mit RAW. Klar wird das Bild im ersten Moment heller und Deine hellen Punkte unterscheiden sich evtl. nicht mehr. Du nutzt aber die Tonwerte die Deine Kamera liefern kann optimal aus, was dann insbesondere den Tiefen zu Gute kommt. Bei der RAW-Konvertierung ziehst Du die Belichtung aber wieder etwas runter und Deine hellen Punkte sind wieder unterscheidbar. Darüber hinaus gibt es den den meisten, wenn nicht sogar allen aktuellen RAW-Konvertern Regler mit denen man nur die Lichter absenken kann, ohne dass sich das auf die Tiefen auswirkt und gleichzeitig auch Regler, mit denen man nur die Tiefen steuern kann. Das ist auch kein Hexenwerk. Ich arbeite seit Jahren so und das geht in der Regel ratzfatz, also ohne grossen Zeitaufwand.

Das ist hier recht gut beschrieben.


https://www.digitalkamera.de/Fototipp/Nach_rechts_belichten_oder_Expose_To_The_Right/9345.aspx

Darüber hinaus hast Du bei RAW noch Reserven bei der Belichtung, sprich Du kannst aus den hellsten Bereichen noch bis zu einer Blende rauskitzeln. Das sollte man aber nicht übertreiben, denn wenn Du es übertreibst, sprich das Histogramm überschreitet die rechte Grenze, dann sind hellsten Bereich futsch.

Fakt ist, dass es ganz ohne Bildbearbeitung nicht geht, wenn man optimale Bilder haben möchte.


Gruss
Jörg





Zeiss Standard WL IV FL
Zeiss Standard WL DL, POL, DIK
Wild M5

derda

Hallo Jörg,

vielen Dank für den Tip. Ich habe mir den Artikel durchgelesen und werde mein Glück mit überbelichteten Raw-Aufnahmen versuchen. Es wird dadurch zwar nicht weniger kompliziert aber vielleicht überzeugt das Ergebnis mich ja.

Schönen Abend noch,

Erik

derda

Hallo Jörg,

ich habe eine Testreihe aufgenommen und das Ergebnis ist nicht wie erhofft. Schon eine minimale Überbelichtung führt zu unwiederbringlichem Informationsverlust. Das Arbeiten mit den RAW-Daten ist sehr zu empfehlen.

Am Ende bleibt es jedoch bei meinem ersten Fazit. All die nachträglichen Spielereien mit RAW-Daten sind bei der Industriekamera nicht notwendig. Na klar müssen auch einige Regler bedient werden aber das Live-Bild entspricht schon dem fertigen Bild. Ein unschlagbarer Vorteil aus meiner Sicht.

Viele Grüße

Erik

Silber_und_Licht

#7
Hallo Erik!

Ich durchblicke nicht ganz Dein Problem. Die "Spielereien" im Konverter/Entwicklungsprogramm sind letztlich nichts anderes als das was Du an der Industriekamera über deren Treiber vornimmst. Nur dürfte die Sony aufgrund ihres Chips letztlich die bessere Bildqualität erzeugen.

Die Einstellungen in den Tonwerten welche Du einmal im Konverter für Dich passend gefunden hast lassen sich auf alle zukünftigen Bilder übertragen. Mir sind auch Deine "Spielereien" nicht ganz klar, denn eigentlich sollte ein einmaliges Anheben oder Absenken der Tonwertkurve im Konverter ausreichen. Diesen gefundenen Wert abspeichern und wiederholt anwenden. Damit sollte das Thema bis auf Feinheiten erledigt sein, vorausgesetzt natürlich dass die Aufnahmeparameter weitgehend gleich bleiben. Von diesen Kunstgriffen wie der Überbelichtung und nachträglichen Korrektur rate ich Dir als unerfahrenem Einsteiger erst einmal ab. Grundsätzlich kann man damit noch etwas an Bildqualität herausholen aber erst einmal sollte man das Grundprinzip der Technik der RAW-Entwicklung möglichst einigermaßen beherrschen und nicht das berühmte Pferd beim Schwanz aufzäumen. Die SONY liefert jedenfalls unbedingt einen Tonwertreichtum der jeden Deiner Ansprüche in der Mikrophotographie zu befriedigen in der Lage ist. Die reguläre Knipserei für die sie gemacht ist, verlangt in dieser Hinsicht erheblich mehr.

Freundliche Grüße

Wolfgang
"Du" fänd' ich ganz in Ordnung.

das Schönste: ZEISS Lumipan
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das Beste: ZEISS Axiomat

eine etwas umständliche Vorstellung: www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=28652.0

xf00741

Hoi Erik


Ich weiss nicht, was Du mit Überbelichtung genau meinst. Du sollst nicht überbelichten sondern die Belichtung nur so weit hochziehen, dass das Histogramm gerade so eben an der rechten Seite anstösst; wenn Dir das zu unsicher ist, gehst Du um 1/3tel Blendenstufe zurück. Deine Sony sollte dann immer noch eine Blende Reserve haben, spricht dass eine gewisse Menge an Tonwerten die hinter die rechte Seite rutschen im RAW-Konverter zurückgeholt werden können.


Das von Dir geschilderte Problem habe ich nur, wenn ich massiv überbelichte. Dann liegt das Histogramm aber gravierend jenseits von rechts. Ich setze bei mir Capture One ein, aber das geht auch genauso gut mit Lightroom bzw. in Photoshop mit dem ACR.


Ansonsten schliesse ich mich vollumfänglich den Ausführungen von Wolfgang an. Ich bin davon ausgegangen, dass Du Dich mit RAW auskennst.


Gruss
Jörg
Zeiss Standard WL IV FL
Zeiss Standard WL DL, POL, DIK
Wild M5

plaenerdd

Hallo Erik,
es dürfte kaum eine Kamera geben, die den enormen Dynamikumfang eines Dünnschliffs im X-Pol in allen Bereichen so wiedergeben kann, wie Du es mit dem Auge siehst. Wenn Du sowohl die Abstufungen im Dunklen, als auch die in den ganz hellen Bereichen abbilden willst, musst Du unter- und überbelichtete Aufnahmen zusammenrechnen (DHR-Aufnahmen). Gegen das visuell gesehene Original wirken diese Bilder dann aber trotzdem flau, weil es einfach keine Wiedergabemöglichkeit mit einem solchen Dynamikumfang gibt, wie unsere Augen ihn wahrnehemen können. Es ist wie mit der Musik: "live is live".
Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

derda

#10
Guten Abend,

mein Beitrag war eigentlich gar kein zu lösendes Problem, sondern ein Vergleich zweier völlig unterschiedlicher Kamerasysteme. Aus meiner aktuellen Nutzererfahrung kann ich nun berichten, wie einfach auch schwierige Pol-Aufnahmen (bspw. dunkle Grundmatrix mit mafischen Mineralen und ein paar Feldspäte) mit einer USB-Kamera von der Hand gehen => du speicherst was du siehst und fertig!

Die sofort verfügbaren Bilder der Vollformatkamera enttäuschen bei diesem Anwendungsfall im dunklen Bereich (Grundmatrix total schwarz, Feldspäte gehen unter) ein zusätzliches Nachbearbeiten ist unumgänglich => bei normalen Hellfeldaufnahmen hat die Vollformatkamera zweifelsohne die Nase ganz klar vorn.

Mal ein Beispielbild von der Vollformatkamera:



und ein Bild nach Bearbeitung der RAW-Daten:



Das Ergebnis ist schon ok, wenn auch es für mich nicht nur zwei Klicks sind.

Zum Vergleich das gleiche Bild (3.2x statt 2.5x Objektiv) mit der µEye-Kamera aufgenommen, keine nachträgliche Bearbeitung nur Verkleinert auf 1024 Pixel:



Da ich gerne dazulerne kann mir vielleicht jemand zeigen, wie es mit wenigen Klicks geht, am liebsten mit nur zweien ;-). Vielleicht kann jemand auch aus den überbelichteten Bildern etwas herausholen?

Original:

https://1drv.ms/u/s!Aq9v9SMdSaSOjs1fcsmpu-3H8_CHvQ

eine Stufe länger belichtet:

https://1drv.ms/u/s!Aq9v9SMdSaSOjs1eqQXlzau_G_aU4A

zwei Stufen länger belichtet:

https://1drv.ms/u/s!Aq9v9SMdSaSOjs1dhS-ySKrVVpL3cQ

Ich wünsche noch einen schönen Abend,

Erik

Udo Maerz

#11
Hallo Erik,

anbei das Ergebnis einer schnellen Bearbeitung:



Deine 3 Dateien in IRFAN-View geladen, -->Ausgabe in jpeg
3 Dateien in Toupview (USB-Mikro-Kamera-Software) schnörkellos verarbeitet; Ausgabe als jpg-Datei
Die Tonwertkorrektur für das erzeugte Bild in paint.net mit manueller Anpassung bearbeitet (mit dem mittleren Schieber, entspricht wohl einer Gamma-Korrektur)
Anschließend ebenfalls in paint.net die Sättigung leicht korrigiert.
Bei der Nachbearbeitung von Pol-Fotos habe ich selten erlebt, dass man verschiedene Aufnahmen nach einem genau gleichen Rezept optimieren kann. Und bei den kostenfreien Bildbearbeitungsprogrammen habe ich bislang noch keines entdeckt, das allein die Wünsche einfach, schnell und zufriedenstellend erfüllt (für -jpg-Bearbeitung).


viele Grüße
Udo


Peter V.

Hallo Udo,

Du weißt aber, dass Du die Bilder dierkt ins Forum einstellen kannst?

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=35628.0


Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Peter V.

Lieber Erik,

ich bin nun kein Experte für Polfototgrafie, deshalb stehe ich hier etwas auf dem Schlauch. Wenn ich Dich richtig verstehe, willst Du aussagen, dass die VF-Kamera (Goliath) schlechter geeignet ist als die c-mount-Kamera (David).
Um die Bilder besser vergleichen zu können, habe ich einmal einen Ausschnitt genommen und die Bilder in die gleiche Lage gebracht. Was ist denn an dem Bild der VF-Kamera schlechter oder gar falsch? Vielleicht achte ich nicht auf die richtigen Details, aber das kontrastreichere Bild der VF-Kamers erscheint mir sogar differenzierter. Die mit 1 gekennzeichnete Struktur säuft zwar etwas im Schwarz ab, der grüne Kristall 2 ist aber dafür doch differenzierter. So kommt es mir zumindest mit meinem nicht allzu sehr polgeschulten Auge vor.

Hezrliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

derda

Hallo Peter,

genau, du hast es richtig erkannt. Es geht nur um die dunklen Bereiche und die Betrachtung der Sofortbildergebnisse ohne nachträgliche Bildbearbeitung. In dem letzten Beitrag von mir siehst du ja den Unterschied zwischen be- und unbearbeiteten RAW-Daten der VF ganz gut. Da schlägt sich David, verglichen mit Goliath, mehr als nur gut. Da hat die kleine Kamera einfach die Nase vorn. Nebenbei bemerkt sind sogar Handyaufnahmen durchs Okular dann im dunklen Bereich differenzierter als die VF.
Ich schiebe noch Bild mit einer Aufnahme des gleichen Bildausschnittes, den ich mit der USB-Kamera mache zum Vergleich nach.

Viele Grüße

Erik