Botanik: Aufbau von Leitbündeln - Beispiel Rotklee (T. pratense) *

Begonnen von nikolai, März 11, 2020, 15:33:44 NACHMITTAGS

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nikolai

Liebe Forumsmitglieder,

ich bin etwas verwirrt bezüglich der artspezifischen Anatomie von verschiedenen Pflanzenfamilien. Z.B. die Familie der Fabaceae. Zum einen machen sie den Eindruck einen Leitbündel zu besitzen, der sich als Ring formiert incl. Kambium, Xylem und Phloem. Zum andern aber auch nur Ringförmige Leitbündel abgegrenzt durch ein Sklerenchym. Zum Teil auch in einem Querschnitt gemischt. Kann das sein, dass das alles nicht so schwarzweiß ist??

auch beides Rotklee



Lieber Jörg wäre es auch möglich, dass in deinem Bild (Rotklee) zwischen den Leitbündel ein Xylemparenchym vorzufinden ist?





Detlef Kramer

Hallo Nicolai,

ich bin zwar nicht der Jörg, werde aber versuchen ein wenig Licht in's Dunkel zu bringen. Die Fabaceae gehörn zu jenen Pflanzen, die das sog. sekundäre Dickenwachstum des Ricinus-Typs besitzen. Das bedeutet, vom Sprossvegetationspunkt nach unten hat man folgende Stadien: 1. aus dem ringförmigen Prokambium bilden sich primäre Leitbündel, die noch kein Kambium besitzen. Dazwischen befindet sich Parenchym, das etwas später leicht verholzen kann. 2. Etwas später, also weiter unten, beobachtet man in den Leitbündeln die Bildung des Kambiums, das nun sekundäres Xylem und Phloem bilden. In den Bereichen zwischen den Leitbündeln bildet sich ein sog. interfascikuläres Kambium, das neues Leitbündelgewebe bildet, so dass sich im Laufe der Zeit ein geschlossener Leitbündelring bildet, in dem die ehemals primären Leitbündel durch ihre Größe noch erkennbar sind. Zwischen all diesen Leitbündeln bleiben (scheinbar) undifferenzierte Bereiche bestehen, aus denen sich die Markstrahlen entwickeln.

Zum Xylemparenchym: das sind lebende Zellen um die Gefäße (Tracheen und Tracheiden), die physiologisch dem Stoffaustausch zwischen den toten Gefäßen und den lebenden Gewebe dienen. Sie können also nicht zwischen den Leitbündeln liegen.

Noch Fragen dazu? Dann nur zu!

Gruß
Detlef
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Fahrenheit

#2
Lieber Detlef, lieber Nikolai,

bei den krautigen Pflanzen spricht man ja von einem Sklerenchymring: das interfascikuläre Cambium bildet sklerenchymatische, lignifizierte Zellen, die sich m.E. von der Größe und der Dicke der Sekundären Zellwand von den Zellen des Xylems (auch des Xylemparenchyms, das durchaus verholzte Sekundärwände aufweisen kann - Esau, 1969, Kap. 8 Das Parenchym, S. 135 mit Verweis auf Kapitel 10) unterscheiden.

Wo nun im Zwischenraum der Leitbündel der eine Zelltypus aufhört und der andere anfängt, ist meines Erachtens oft nur schwer zu beurteilen und am ungefärbten Schnitt im polarisierten Licht sogar "einfacher", als beim gefärbten Schnitt. Daher habe ich in der Regel SklR für Sklerenchymring geschrieben, denn sklerenchymatisch und ringförmig angeordnet sind die entsprechenden Strukturen allemal.

Vielleicht hab' ich's mir da auch zu einfach gemacht ... wenn man unterscheiden möchte oder muss, ist m.E. die Größe der Zellen kombiniert mit der Dicke der sekundären Zellwand das beste Merkmal. Lignifiziertes Xylemparenchym am Rande des Sklerenchymrings = kleine Zellen und dicke Zellwände. Das zeigen eigentlich auch Nikolais und mein Bild.


Was denkt Ihr?

Herzliche Grüße
Jörg

p.s.
Gelistet!
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Detlef Kramer

Lieber Jörg,

Du weißt, wie ich, dass in der klassischen Pflanzenanatomie viel Korinthenkackerei betrieben wurde. Ich argumentiere eher von der Funktion her. Das Xylemparenchym gehört zum Xylem; es umgibt die Gefäße und hat eine bestimmte Funktion. Insofern kann das Gewebe zwischen den Leitbündeln eben kein Xylemparenchym sein. Sklerenchym oder sklerifiziertes Parenchym: gerne. Du kannst ja mal das hier überfliegen: https://link.springer.com/article/10.1007/BF00390883 (leider ohne die Abbildungen).

Herzliche Grüße
Detlef
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Fahrenheit

Lieber Detlef,

danke für den Link!
Und inhaltlich sind wir einer Meinung, die vermutlich mit dem Blick auf die hier eingestellten Schnitte auch korrekt ist. :)

Was die Korintenkackerei angeht: den Hinweis darauf findet man in den Kapiteln zur Anatomie der Pflanzenorgane an jeder Ecke, nur etwas höflicher verkleidet.  ;D

Herzliche Grüße
Jörg

p.s.
Springer würde mir den Artikel gerne verkaufen - zum üblichen horrenden Preis.
Wenn Du das pdf hast ...
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nikolai

Lieber Detlef, lieber Jörg,

ich brauchte ein wenig Zeit um eure Antworten zu verdauen und zu ordnen!

1. In der Abbildung von Jörg ist ja kein interfaszikuläres Kambium zu erkennen, oder?


2.aber in meiner abbildung gibt es zwischenleitbündelbereiche mit interfaszikulären Kambium und welche ohne, oder?:


Lieber Detlef,

ich verstehe was du sagst! Danke dir.



3. Angenommen es wäre zwischen den Leitbündeln anstelle von Sklerenchym, sklerifiziertes Parenchym, wäre es dann noch in der Lage sich zu Xylemelementen zu differenzieren?

4. dann habt ihr mir allerdings bei
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=36593.0

einen Fehler durchgehen lassen :) , denn da habe ich dann den zwischenraum fälschlicherweise mit XL beschriftet, oder?


EINE UNKLARHEIT LEBT NOCH IN MIR:

5. seit ihr jetzt beide zu dem entschluss gekommen, dass es ein Sklerenchym oder sklerifiziertes Parenchym in den zwischen räumen sein muss, es allerdings ohne weitere Bildschaffende Methoden nicht möglich ist zu erkennen?

Liebe Grüße

Nikolai

(je mehr man erfährt, desto weniger weiß man :) )



Detlef Kramer

Hallo Nicolai,

also der Reihe nach:

In Jörgs tollem Foto ist sehr wohl interfascikuläres Kambium erkennbar. Schau Dir nur den eingekringelten Bereich an: wie erkennt man ein Kabium? Dadurch dass, im Querschnitt, backsteinförmige Zellen übereinander liegen. Das hat nichts mit der chemischen Zusammensetzung der Zellwände zu tun. In Deinem Foto darunter hast Du alles richtig beschriftet. Da geht es halt gerade los.
zu 3.: ja!
zu 4.: nein, kein Fehler. hier hast Du eine einsetzende Differenzierung in ein sekundäres Leitbündel mit Xylem beobachtet.
zu 5.: ja, das habe ich zumindest angenommen.
Zitat(je mehr man erfährt, desto weniger weiß man :) )
oder eine beantwortete Frage wirft 10 neue Fragen auf ;)

Du bist auf einem guten Weg!

Detlef
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nikolai

Hallo Detlef,

DANKE DIR!

aber wenn 4. https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=36593.0 eine "einsetzende Differenzierung in ein sekundäres Leitbündel mit Xylem" ist dann wäre das ja analog im Rotkleebild von Jörg auch der Fall, oder:
(denn wenn man es Sklerenchym nennt, ist es tot und nicht mehr zur differenzierung befähigt,oder?)


Danke Detlef,

liebe Grüße

Nikolai

Fahrenheit

Lieber Nikolai,

je mehr man erfährt ... - ja, das geht uns allen so. :)
Wart mal ab, bis Du die Schnitte von der Großen Brennnessel bekommst.

Mit dem Kommentar im letzten Bild bin ich nicht einverstanden. Parenchym differenziert nicht zu Xylem aus.
Ich denke, über Größe und Zellwände bekommst Du das folgende Bild:



Herzliche Grüße
Jörg
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Detlef Kramer

Hallo,

noch einmal und vorläufig: sklerifizierte Zellwände bedeuten nicht automatisch Sklerenchym. Sklerenchym heißt: Zellen verdicken ihre Zellwände und sterben dann ab. Die kann man an fixierten und gefärbten Präparaten überhaupt nicht feststellen.

Schönen Abend
Detlef
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nikolai

Leiber Detlef und lieber Jörg,

heißt das ihr seit hier unterschiedlicher Meinung, oder?

Liebe Grüße

Nikolai

Fahrenheit

Lieber Nikolai,

ich glaube, nicht wirklich. :)

Zum Nachlesen: Esau Kapitel 10 Das Sclerenchym, S.150 ff und Kapitel 11 Das Xylem S. 167 ff. Auf Seite 300 unter Krautige Dicotyle ist der Leitbündelring des Rotklees am Beispiel Medicago beschrieben.

bezeichnend auf Seite 150 etwa in der Mitte: "Form, Aufbau, Herkunft und Entwicklung der Sclerenchymzellen zeigen zahlreiche Abweichungen; darüber hinaus gehen die verschiedenen Zelltypen ineinander über." (ineinander über gehen ist hier nicht im Sinne von Ausdifferenzieren gemeint).
Esau spricht weiter von Fasern und Scleriden - wir sind hier m.E. in der Welt der Fasern unterwegs. Und Parenchymzellen können sklerifizierte Zellwände entwickeln (ausdifferenzieren), aber keine Leitungsfunktionen im Sinne von Gefäßen übernehmen.

Ein Mienenfeld. :)

Herzliche Grüße
Jörg 

Herzliche Grüße
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nikolai

Danke lieber Jörg,

offensichtlich habe ich eine andere Version von Esau. Falls die Bib irgendwann wieder aufmacht, versuch ich deine Auflage mal zu bekommen...

Liebe Grüße

Nikolai

Fahrenheit

Gerne, Nikolai,

da müsstest Du eine neuere Version haben, meine ist die erste oder zweite Deutsche Auflage (die zweite war wohl ein Nachdruck, habe das Buch nicht hier ...) von 1969. Das heisst, Du wirst die Texte wohl ein paar seiten weiter hinten im Buch finden. Insbesondere an der Kapitelstruktur sollte sich nichts geändert haben ...

Herzliche GRüße
Jörg
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nikolai

doch die hat sich offensichtlich stark geändert...

deines:
Kapitel
Seite
1.  Der Pflanzenkörper 1
2.  Der Protoplast 8
3.  Die Zellwand   24
4.  Meristeme und Differenzierung   49
5.  Die Apikalmeristeme   65
6.  Das Cambium   97
7.  Die Epidermis   109
8.  Das Parenchym   134
9.  Das Collenchym   142
10.  Das Sklerenchym   150
11.  Das Xylem   167
12.  Das Phloem   199
13.  Die Sekretionseinrichtungen   226
14.  Das Periderm   248
15.  Der Stamm   258
16.  Das Blatt   309
17.  Die Wurzel   353
18.  Die Blüte   396
19.  Die Frucht   431
20.  Der Samen   447
Literatur   459
Tafelteil   463
Autorenregister   561
Sachregister   574


Die Auflage die ich habe:

https://books.google.de/books/about/Esaus_Pflanzenanatomie.html?id=fUmIPjOsvpAC&printsec=frontcover&source=kp_read_button&redir_esc=y#v=onepage&q&f=false