Die Maifliege - Prototyp der Eintagsfliege !

Begonnen von Schrodt, Juni 08, 2019, 11:48:06 VORMITTAG

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Schrodt

Hallo Mikrofreunde,

mitten durch die Stadt Hemer fließt der " Hemer Bach ". Der Bach hat die Gewässergüteklasse II, er gilt als mäßig belastet ( betamesosaprobe Stufe ), Saprobienindex 1,5 - < 2,3.
Die nachstehenden Bilder 1 + 2 zeigen typische Bachabschnitte:







Die Wasserführung des Baches ist sehr unterschiedlich. Im vorigen Jahr ist der Bach mehrere Monate lang vollkommen trocken gefallen.

Ich wohne unmittelbar neben dem Bach und war sehr erstaunt, als ich dennoch plötzlich eine große Eintagsfliege ( Ordnung Ephemeroptera ) auf dem Fenster im Badezimmer fand.
Die Larven der Eintagsfliegen hatten die Austrocknung des Baches wohl in dem wassergefüllten Lückensystem des Bachgrundes ( hyporheisches Interstitial ), das als Rückzugsbiotop und Schutzraum diente,
überlebt !

Ich habe die Eintagsfliege, eine Subimago, mit einem darüber gestülpten Glas eingefangen.

Die Subimago stellt als geflügeltes, jedoch noch nicht geschlechtsreifes Insekt das Vorstadium zum geschlechtsreifen Vollinsekt ( Imago ) dar. Die Subimago sieht der Imago sehr ähnlich, sie wirkt jedoch etwas plumper und hat kürzere Schwanzfäden. Sie ist auch von einer zusätzlichen Cuticula mit feiner Haarbedeckung umgeben, die ihren Flügeln eine milchig trübe Färbung verleiht.
Die Subimago versteckt sich bis zur letzten Häutung am Uferrand im Laubwerk von Sträuchern oder wie hier im Badezimmer.

Am 2. Tag hat sich die Subimago im Glas zur Imago gehäutet ( Imaginalhäutung ).
Das nachstehende Bild 3 zeigt die Imaginal- Häutungshülle der Subimago:





Die Imago hatte einen eleganten elfenbeinweißen Körper mit klar durchsichtigen, unbehaarten Flügeln. Der Leib und die Flügel waren mit schwarzbraunen Mustern kunstvoll gezeichnet.
Die nachstehenden Bilder 4 + 5 zeigen die Imago ( leider mit abgebrochenen Schwanzfäden ! ).







Die Bestimmung der Eintagsfliege war mit meinem nachstehenden Schlüssel 1 einfach. Die Fliege hatte 4 Flügel, 3 Schwanzfäden und die Flügel waren gefleckt.
Bild 6 : Schlüssel 1 mit Aderbezeichnungen nach KLAPALEK, ULMER, SCHOENEMUND.





Sie gehörte also eindeutig zur Familie Ephemeridae und zur Gattung Ephemera ( Anglername " Maifliegen " ).

in Deutschland sind die Arten E. danica und E. vulgata verbreitet, sehr selten kommen die Arten E. glaucops und E. lineata vor.
Die Flugzeiten der Ephemera-Arten sind unterschiedlich. E. danica fliegt meistens von Mitte Mai bis Ende September. E. vulgata fliegt meistens von Mitte Mai bis Ende Juli.

Das nachstehende Mikrofoto M1 zeigt den für die Bestimmung wichtigen Vorderflügel-Abschnitt der Imago mit den Adern A3 und Cu2. Durchlicht • PL 1.0 / 0.04.





Das nachsende Mikrofoto M2 zeigt die Oberseite des Hinterleibs der Imago am Ende mit den kennzeichnenden dreieckigen Flecken von Ephemera vulgata. Da keine Genitalfüße ( Gonopoden ) vorhanden sind,
handelt es sich um ein Weibchen. Auflicht • PL 2.5 / 0.08.





Verwendete Literatur:

•  Jürgen Schrodt : Insektenkunde für Fliegenfischer • Parey Buchverlag • Berlin • 2. neubearbeitete Auflage 1998 • 209 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, Tabellen und Bestimmungsschlüsseln.

• WIKIPEDIA : Gemeine Eintagsfliege • Ephemere vulgata.


Anmerkung:  Für mich war es erstaunlich, dass nach monatelanger völliger Austrocknung des Baches doch noch die empfindlichen Eintagsfliegen überlebt haben !


Mit herzlichen Mikrogrüßen

Jürgen aus Hemer

Vorticella

Toller Beitrag,
ich habe ihn mit Freude gelesen - liebe Grüße
Jan

bergarter

grüß Dich Jürgen

ist sie eines natürlichen Tod`s gestorben ?

grüß Dich
Gerd

Schrodt

#3
Hallo Jan,

vielen Dank für deine lobenden Worte, ich habe mich sehr darüber gefreut.



Hallo Gerd,

die Eintagsfliege ist nach 2 Tagen eines " natürlichen Todes " gestorben, ich habe nicht irgendwie nachgeholfen !
Ich habe sie nach dem Schlüpfen der Subimago aus dem Glas in eine große durchsichtige Plastikdose umgesiedelt. Die Subimago ist nicht mehr fähig, Nahrung aufzunehmen. Der Darm ist mit Wasser gefüllt.
Ebenso wie die Subimago ist die Imago auch nicht mehr fähig irgendwelche Nahrung aufzunehmen. Der Darm hat im Zusammenhang mit der Verkümmerung der Mundwerkzeuge seine Funktion verändert.
Er dient nicht mehr der Verdauung, sondern ist teilweise mit Luft gefüllt. Durch unterschiedliche Luftmengen im Darm werden die Körperstellung beim Flug sowie das Auspressen der Eier beeinflußt.

Mit herzlichen Mikrogrüßen

Jürgen aus Hemer

Schrodt

#4
Ergänzung:

Das Drüsige Springkraut im Hemer Bach ist inzwischen von dem noch aggressiveren Neophyt Japan-Staudenknöterich weitgehend verdrängt worden !

Zur besseren Information siehe nachstehende Links:


https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=26699.msg200672#msg200672


https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=26699.msg200725#msg200725


https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=26739.msg200914#msg200914


Mit herzlichen Mikrogrüßen

Jürgen aus Hemer

limno

#5
Hallo Jürgen,
da hast Du ja wunderbare Aussichten ;) :) Kann man  in Deinem Buch Ephemeropteren bis zur Art bestimmen? Ich wusste garnicht, dass das Buch von Dir ist. Denn Schrodt ist ja doch ein häufiger Name wie auch Jürgen. Aber wenn es von Dir ist, dann wirft das ein anderes Licht auf die Sache. Bislang dachte ich, das es nur  für Angler geschrieben wurde. So überlege ich, es mir zu kaufen.Noch was: Bitte im Betreff das Wort "Maiflige in "Maifliege" verbessen. So findet man es wieder. Beste Grüße und Dank von
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Schrodt


Schrodt


Schrodt

#8
Hallo Heinrich,

mit meinem Buch kann man die Eintagsfliegen nur bis zur Gattung, die Köcherfliegen nur bis zur Familie bestimmen. Die Steinfliegen, Zweiflügler, Schlammfliegen,
Wasserwanzen, Wasserkäfer, Libellen, Wassserschmetterlinge, Landinsekten und Flohkrebse sind ihrer Bedeutung entsprechend nur kurz abgehandelt.
Das Buch ist in drei Auflagen erschienen und vergriffen, so dass Du es nur antiquarisch kaufen kannst. Mit der 1. Auflage 1984 vom  Verlag Paul Parey lag erstmals eine ganz auf die Belange des Fliegenfischers zugeschnittene deutschsprachige Insektenkunde vor. Für die 2. Auflage 1998 habe ich das Buch überarbeitet. Sie ist die vollkommenste Auflage ! Bei der 3. Auflage 2003 hatte ich keine Zeit
für die Überarbeitung. Man hat daher einfach die 2. Auflage gekürzt übernommen und dabei haben sich Fehler eingeschlichen.

Wenn Du die 2. Auflage günstig bekommen kannst, ist sie Dir wahrscheinlich auch als Nicht-Fliegenfischer nützlich für die Gewässerbeobachtung.

Mit herzlichen Mikrogrüßen

Jürgen aus Hemer

Schrodt

Hallo Heinrich,

so sieht die 2. Auflage aus:











Mit herzlichen Mikrogrüßen

Jürgen aus Hemer

bergarter

#10
grüß Dich Jürgen

ich hatt`ja ganz vergessen, daß manches Insektenvolk nicht nur aus photoästhetischen Gründen, sondern in erheblich größerem Umfang aus Nahrungstechnischen gemeuchelt wird.
Das Individuum um das es weiter oben ging, ist ja Manitou sei Dank, friedlich verschieden.

Ahnung vom großen Fressen habe ich aber  beim Zeichnen dieses Dünnschliffs ( kein Ryolith ) gekriegt.
Muß ich mal durchseh´n obs in dem Schliff irgendwas köderhaftes gibt.

grüß Dich
Gerd



limno

Danke Jürgen! :)
Eine gute Nacht wünscht Dir
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Schrodt

#12
Trostlose Bilder:  Der Hemer Bach ist wie im vorigen Jahr wieder vollkommen ausgetrocknet !







Mit herzlichen Mikrogrüßen

Jürgen aus Hemer

Linda

Hallo Jürgen,

ich habe mit Interesse gelesen, dass du dich u.a. mit dem Hemeraner Bach beschäftigst. Ich würde gerne etwas mehr zu dem Bach erfahren, bin jedoch bei meiner Suche im Internet  nur auf wenige Informationen gestoßen.

Mich würde interessieren, ob es Stellen gibt an denen der Hemeraner Bach renaturiert wurde, ob  amerikanische Flusskrebse vorkommen und an wen ich mich offiziell wenden sollte, um eine Erlaubnis einzuholen, wenn ich eine Gewässeruntersuchung vornehmen möchte mit einer Schülergruppe. Ich würde mich freuen, wenn du mir vielleicht die ein oder andere Antwort geben könntest bzw. hilfreiche Links.

Viele Grüße
Linda

Schrodt

Hallo Linda,

über dein Interesse am Hemer Bach freue ich mich. Leider ist durch die ständigen Trockenfälle das Leben im Hemer Bach so verarmt, dass eine Gewässeruntersuchung mit einer Schülergruppe wenig
Brauchbares bringt. Amerikanische Flußkrebse kommen sehr wahrscheinlich auch nicht vor. Über den Hemer Bach ist wenig bekannt.

Schon im Juli 2015 wurde von Reinhard Köster unter Trockenheit im IKZ ein Artikel geschrieben : " Immer wieder: Das Wasser bleibt weg, die Fische verenden. " Den Artikel findet man unter folgendem nachstehenden Link:

https://www.ikz-online.de/staedte/hemer/immer-wieder-das-wasser-bleibt-weg-die-fische-verenden-id10860973.html

Der Name Hemer Bach umfasst nur den kurzen Teil des Flusslaufs in der Innenstadt. Der Hemer Bach beginnt am Zusammenfluss von dem Sundwiger Bach und dem Westiger Bach beim früheren Grohe
Verwaltungsgebäude ( jetzt Wohn-und Geschäftshaus ) und endet in Niederhemer beim scharfen Schwenk des Baches in Richtung Osten ( Menden ). Ab hier heißt der Bach jetzt Oese ! Die Oese fällt
weniger oft trocken.

Ich empfehle daher für eine Gewässeruntersuchung den Bereich der Oese im Hemeraner Ortsteil Becke bei der " Edelburg ". Falls du eine Gewässeruntersuchung durchführst, würden mich die Ergebnisse
sehr interessieren.

Für die Einholung der Erlaubnis zur Gewässeruntersuchung würde ich mich an den Umweltamtsleiter Edgar Schumacher wenden.
Tel.:  02372 551 - 170 und E-Mail: e.schumacher@hemer.de und falls dieser nicht erreichbar ist an Frau Michaela Bodes 02372 551 - 378 und m.bodes@hemer.de  .

Ich wünsche viel Glück bei der Gewässeruntersuchung.

Mit herzlichen Mikrogrüßen

Jürgen aus Hemer