Botanik: Gänsefingerkraut (Potentilla anserina L.) eine Trittpflanze

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, Mai 05, 2020, 08:58:12 VORMITTAG

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

der Mensch hat auf die Entwicklung der Vegetation schon lange großen Einfluss ausgeübt. Durch große mechanische Belastung (z.B. regelmäßiges Befahren mit schweren Maschinen) gerät der Boden zunehmend unter Druck, er verdichtet sich und das Porensystem des Bodens, in dem Luft und Wasser pflanzenverfügbar gehalten werden, wird zerstört.
Einige Pflanzen kommen mit diesen extremen Bedingungen jedoch besser zurecht als andere und entwickeln ein erstaunliches Wurzelwachstum.
Das Gänsefingerkraut ist eine sehr trittfeste Ruderalpflanze.

Bild 01 Habitus, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)

Urheber: MarkusHagenlocher
Früher war diese Pflanze typisch für Gänsewiesen. Sie profitiert dort vom Nitratreichtum. Das Kraut verträgt auch Salz.
Es wächst deshalb heute häufig an den Rändern salzgestreuter Straßen.
Die weichen Blätter dienten früher als Einlegesohlen für Holzschuhe.
Das Gänsefingerkraut ist in den gemäßigten Gebieten der Nordhalbkugel weitverbreitet. In Mitteleuropa ist es häufig; es fehlt höchstens in Lagen der Mittelgebirge und in den Südalpen in kleineren Gebieten. Es steigt in Mitteleuropa bis in Höhenlagen von 2000 Metern. Im Allgäu erreicht es bei Steeg (Tirol) die Höhe von 1220 Meter.

Bild 02 gestielte Blüte und gefiederte Laubblätter, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)

Urheber: Rasbak

Die silbrig behaarte Blattunterseite wird bei starker Sonnenbestrahlung nach oben gekehrt. Dadurch wird das UV-Licht reflektiert und durch die Behaarung gleichzeitig die Verdunstung vermindert.
Das Gänsefingerkraut kann bis zu 80 Zentimeter groß, beziehungsweise lang werden. Blatt: Die Blätter wachsen in Rosetten direkt am Boden (grundständig). Sie sind in 13 bis 21 Blättchen geteilt (unpaarig gefiedert). Die Teilblättchen haben einen gezähnten Rand und sind auf der Unterseite silbrig glänzend behaart.
Die Gänsefingerkraut-Blätter sind gezackt und setzen sich aus vielen einzelnen Blattpaaren sowie einem Endblatt zusammen.
Der Stängel wächst über den Boden kriechend. Er kann mehrere Blattrosetten ausbilden.
Das Gänsefingerkraut bildet ein bis zu 20 Zentimeter langes Rhizom aus.
Die Blüten haben fünf gelbe, rund angeordnete Blütenblätter. Sie sitzen einzeln an langen Stielen.
Die Früchte sind Nüsschen.

Bild 03 Kriechender Ausläufer mit Blüte, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)

Urheber: © Daniela Kloth
http://www.kloth-grafikdesign.de

Die Blütezeit reicht von Mai bis September. Die einzeln an langen Stielen stehenden, radiärsymmetrischen und zwittrigen Blüten weisen einen Durchmesser von 1,5 bis 2 Zentimeter auf. Die leuchtend gelben Kronblätter sind nicht ausgerandet.
Die Bestäubung erfolgt durch verschiedene Insekten.
Blütenökologisch handelt es sich um homogame ,,Nektar führende Scheibenblumen". Die Blüten sind nur bei Sonne völlig geöffnet. Die Kronblätter haben innen Saftmale im UV-Bereich, die für das menschliche Auge nicht erkennbar sind.
Saftmale im Bereich der Kronblätter reflektieren kein UV-Licht.

Die Frischpflanze dient der Zubereitung homöopazischer Tinkturen (Anserina).
Das Gänsefingerkraut ist in den Kräuterschriften der Antike nicht zu finden. Das liegt wohl daran, dass es keine typische Mittelmeerpflanze ist, sondern seine Heimat in Mittel- und Nordeuropa hat. Im 15. Jahrhundert n. Chr. wird das Gänsefingerkraut in einem Kräuterbuch von Peter Schöffer erwähnt. In der germanischen Heilkunde wird das Gänsefingerkraut wahrscheinlich schon sehr lange verwendet, worauf auch die Anwendung in Milch hindeutet, die bei den Germanen sehr beliebt war.
Die bei unseren Vorfahren, den alten Germanen, wohl häufigste Art der Zubereitung für Gänsefingerkraut war Kräutermilch. Dazu wird frisches Kraut in Milch aufgekocht und für einige Minuten ziehen gelassen. Milch findet deshalb Verwendung, weil sie fetthaltig ist und uns somit die fettlöslichen Inhaltsstoffe besser zugänglich macht. Bei Wunden wurde diese Milch auch zum Schutz vor Wundstarrkrampf und Blutvergiftung getrunken und das in Milch gekochte Kraut auf die Wunde aufgelegt.
Es ist hilfreich bei Durchfall, Blutungen und Entzündungen der Mundschleimhaut und des Zahnfleisches. Die Volksmedizin setzt das Krampfkraut generell bei krampfartigen Beschwerden, auch der quergestreiften Muskulatur (z. B. Wadenkrämpfe), ein.
Wissenschaftlich anerkannt ist inzwischen die innerliche Anwendung von Gänsefingerkraut zur unterstützenden Behandlung von unspezifischen Durchfallerkrankungen mit krampfartigen Beschwerden.
Gesammelt und getrocknet zu Heilzwecken verwendet werden die Blätter während der Blütezeit von Mai bis August. Für einen Tee übergießt man einen Teelöffel getrocknetes Kraut mit 150 ml kochendem Wasser und lässt den Aufguss 10 Minuten ziehen.
Gänsefingerkraut enthält als therapeutisch wirksame Inhaltsstoffe vor allem Gerbstoffe, Bitterstoffe, Schleimstoffe, Flavonoide und Cholin. Es wirkt hauptsächlich zusammenziehend (adstringierend) und hat außerdem eine schmerzstillende und stopfende Wirkung. Weitere Inhaltsstoffe sind Anthocyanidine, Hydroxycumarine, Ellagitannine, Phenolcarbonsäuren, Polyphenole und Phytosterole.
Tiere, besonders Gänse, mögen Gänsekraut sehr gern und so mancher Landwirt kennt das Kraut als Wundheilmittel für seine Tiere. Auch bei Koliken von Pferden soll es helfen.
Schon Kräuterpfarrer Kneipp und Madaus haben die krampflösende Wirkung des Krautes geschätzt. Salomon setzte es zudem bei inneren Blutungen ein.
Das Basionym Potentilla anserina wurde 1753 von Carl von Linné in Species Plantarum erstveröffentlicht.
Das Gänsefingerkraut wurde 1898 von Per Axel Rydberg in die Gattung Argentina gestellt.
Diese lange Zeit nicht akzeptierte Einstufung wurde durch molekularsystematische Untersuchungen bestätigt.

Bild 04 Illustration, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)

Dieses Werk ist gemeinfrei.

Systematik:
Ordnung: Rosenartige (Rosales)
Familie: Rosengewächse (Rosaceae)
Unterfamilie: Rosoideae
Gattung: Argentina
Art: Gänsefingerkraut
Wissenschaftlicher Name: Argentina anserina (L.)
Syn: Argentina anserina (L.) Rydb.)
Trivialnamen: Anserine, Dreckkraut, Gänserich, Gemeiner Gänserich, Gänsewiß, Grensel, Martinshand, Silberblatt, Säukraut oder Krampfkraut.
Englische Bezeichnung: common silverweed

Der Gattungsname Potentilla leitet sich vom lateinischen potens (mächtig) ab, Bezug nehmend auf die große Heilwirkung, die man der Pflanze zumaß.
Der Artenname anserina, stammt vom lateinischen anser (Gans), bezieht sich auf die Verwendung als Gänsefutter.

Teil 1
Spindel Rhachis, Querschnitt, 25 µm

Bild 05 Schnittstellen, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)

Die Hauptachse eines gefiederten Blattes (= Rhachis), entspricht der Verlängerung des Blattstiels.

6 Bilder von ungefärbten Schnitten.
Bild 06, Übersicht, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)


Bild 07 Übersicht. negativ, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)


Bild 08 Vergrößerung, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)


Bild 09 Vergrößerung, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)


Bild 10 Primärfluoreszenz, Auflicht Beleuchtung, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)

Auflicht Beleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm
LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 11 Primärfluoreszenz, Auflicht Beleuchtung, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)


Da die Spindel nur einen Durchmesser von 1 mm hat, habe ich mich für die Färbung ,,Etzold blau" entschieden.
Beim Absaugen der Farblösung mit einer Pasteurpipette verschwinden
viele der winzigen Schnitte auf Nimmerwiedersehen.

Etzold – Blau: Fuchsin; Safranin; Astrablau (FSA) Dr. Helmut Etzold

Arbeitsablauf :
1. Mit AFE fixierte Schnitte gründlich in 70 % Ethanol auswaschen
5 Minuten.
2. 50 % Ethanol (kein Brennspiritus) 3 Minuten
3. 30 % Ethanol 3 Minuten
4. Wasser entmin. 3 x wechseln je 1 Minute
5. FSA -Farblösgung, 8 Min. gelegentlich schwenken. (verdünnte
Etzold-Lösung-2 Tropfen auf 5 ml dest.Wasser)
6. Kurz abspülen in Aqua dest., je 1 x wechseln, je 1 Minute
7. In 100 % Isopropylalkohol sorgfältig entwässern 2 x wechseln.
1. Stufe = 30 Sekunden, 2. Stufe = 3 Minuten, 3. Stufe = 5 Minuten
9. Einschließen in Euparal
Fotos: Nikon D5000

Bild 12 Übersicht, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)


Bild 13 Negativbild, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)


Bild 14 Vergrößerung, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)


Bild 15 Vergrößerung mit Beschriftung, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)

Leitbündel (roter Kreis), L = Lumen (Hohlraum), PH = Phloem, XY = Xylem, EP = Epidermis

Bild 16 Vergrößerung, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)


Bild 17 Dunkelfeld, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)


Bild 18, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)

Auflicht Beleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm
LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Teil 2
Blatt, Querschnitt, 30 µm

Wacker 3 A - Färbung (Acridinrot – Acriflavin - Astrablau)
1. Schnitte liegen in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridiorot 8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest.
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca. 15 Sekunden !!!
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest.
7. Nachfärbung Astrablau 2 Minute
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol (99,9 %
10. Einschluss in Euparal
Fotos: Nikon D5000

Bild 19 Übersicht, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)


Bild 20 Vergrößerung, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)


Bild 21 Vergrößerung, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)


Bild 22 Vergrößerung mit Beschriftung, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)

PP = Palisadenparenchym, SP = Schwammparenchym

Bild 23 Vergrößerung, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)


Bild 24 Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)

Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm
LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Fazit:
Die sehr kleinen Schnittproben erleichtern das Arbeiten nicht besonders.
Die Wacker 3 A – Färbung kann mich bei dieser Pflanze nicht überzeugen. In meinem nächsten Beitrag hier im Forum versuche ich die Färbung ,,buntiger" darzustellen.
Die Blätter sind sehr weich und lassen sich sehr schlecht schneiden.

Quellen und weiterführende Informationen:
Wikipedia
Dietmar Aichele, Heinz-Werner Schwegler, ,,Die Blütenpflanzen Mitteleuropas". 2. Auflage. Band 2: Eibengewächse bis Schmetterlingsblütengewächse. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2000, ISBN 3-440-08048-X.
Aichele, ,,Der Kosmos Pflanzenführer", ISBN: 3-86047-394-8
Dieter Ennet, ,,Lexikon der Heilpflanzen", ISBN: 3-933203-96-1
E. Löbenberg, ,,Drogenkunde", ISBN: 3-7741-0125-6
Rita Lüder, ,,Grundkurs Pflanzenbestimmung", ISBN: 3-494-01418-3
Schönfeld, ,,Das neue Handbuch der Heilpflanzen", ISBN: 978-3-440-12932-6
,,Die große Enzyklopädie der Arzneimittel und Drogen", ISBN: 978-3-8996-508-7
,,Heilpflanzen und Kräuter"
,,Heilpflanzen", ISBN: 3-7043-9998-1
,,Welche Heilpflanze ist das?", ISBN: 978-3-440-10798-0
,,Wildkräuter & Beeren", ISBN: 978-3-8338-2611-5
,,Was blüht denn da ?", ISBN: 978-3-440-11379-0

Die Informationen für Beschreibungen werden von mir selbst aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Dabei benutze ich sowohl Bücher als auch Internet Quellen. Texte werden anschließend individuell von mir selbst verfasst.
Für konstruktive Kritik bin ich ebenso offen wie für lobende Worte.
Doch zunächst einmal wünsche ich viel Freude beim Lesen.

Hans-Jürgen




Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"