Wofür Stereomikroskop-Okulare mit ungewöhnlich starker Vergrößerung

Begonnen von Dr. Jekyll, Mai 06, 2020, 18:33:09 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Dr. Jekyll

Moin  ;)

für einige Stereomikroskope gibt es Okulare mit scheinbar unsinniger Vergrößerung von z.B. 25fach oder sogar 32fach.
Eine stärkere Auflösung als die 10fach-Okulare liefern diese Okulare ja nicht. Es ist also eine leere Vergrößerung, wenn man solche Okulare verwendet. Warum gibt es sie also?
Der Grund liegt folglich nicht in der höheren Ausbeute der Bildqualität. Die Vergrößerung bei gleichzeitiger Steigerung der Auflösung ist zu erreichen durch die Verwendung einer Vorsatzlinse oder eines stärkeren Objektives. Hierbei verringert sich allerdings der Arbeitsabstand
deutlich. Bei Verwendung stärkerer Okulare bleibt der Arbeitsabstand jedoch unverändert. Muss unter dem Mikroskop bei starker Vergrößerung gearbeitet werden ist deshalb die Verwendung solcher stark vergrößernden Okulare ratsam. Dies ist auch der Grund warum Operationsmikroskope oft mit 25er Okularen versehen sind.
Ich hoffe ich konnte die weit verbreitete Meinung, dass solche Okulare nichts bringen, etwas relativieren  ;)
Beste Grüße
Harald

Jürgen Boschert

Hallo,

Zitat... Dies ist auch der Grund warum Operationsmikroskope oft mit 25er Okularen versehen sind. ...

Mir ist bis jetzt noch KEIN OP-Mikroskop mit 25-er Okularen untergekommen und ich arbeite täglich am OpMi. Üblich sind 10-er, gelegentlich 12,5-er.
Ich denke eher, dass 25-er Okulare zu Messzwecken verwendet werden.

Gruß !

JB
Beste Grüße !

JB

Alfons Renz

Hallo,

Bei Kolposkopen (siehe das Olympus OCS) wurden offenbar standardmäßig 20x Okulare verwendet. Da macht das Argument des großen Arbeitsabstands durchaus Sinn. Aber hätte man diesen nicht einfacher mit einer längeren Objektiv-Brennweite erzielen können?

Meine persönliche Erfahrung zeigt, dass man so gut wie nie ein Okluar mit mehr als 12,5x Vergrößerung verwendet.

Vielleicht kann Jemand diese besondere Verwendung bei Kolposkopen erklären?

Herzliche Grüße,

Alfons

Dr. Jekyll

#3
Hallo Jürgen,

vielleicht arbeitest Du täglich mit dem Selben OP-Mikroskop. Wenn das nur 10er Okulare hat........ ;D ;D ;D
Ich hatte jedenfalls schon etliche hier und davon auch recht häufig mit 20er und 25er Okularen.
Die Okulare waren immer ohne Messplättchen.
Hast Du eine bessere Erklärung für diese Okulare?
Beste Grüße
Harald

Dr. Jekyll

Nachtrag: Ich habe nicht behauptet dass Stark vergrößernde Okulare Standard sind !!!!
Beste Grüße
Harald

Jürgen Boschert

Hallo,

in welchem Fach arbeitest Du denn ? Ich war schon an diversen Kliniken und habe mit OpMis verschiedener Hersteller (Zeiss, Kaps, Leica Möller-Wedel, Haag-Streit) gearbeitet, aber in Gebrauch habe ich noch nie 25-er Okulare gesehen, das wäre völlig unsinnig. Und mit meinem Arbeitswerkzeug kenne ich mich schon aus.  ;D. An den neuen Systemen sind übrigens die Okulare nicht zum Wechseln vorgesehen.
Arbeitsabstände werden -wie Alfons schon angedacht hat- mit der Primäroptik entweder durch Wechseln oder mit variablen Objektiven eingestellt. Zudem handelt es sich i.d.R um Zoomsysteme, sodass darüber die Vergrößerung variiert werden kann. Mit 25-er Okularen ist der überblickte Arbeitsbereich viel zu klein.

Wie gesagt, in der technischen Mikroskopie werden 16-er oder 25-er Okulare an Stereomikroskopen zum Messen verwendet.

Gruß !

JB
Beste Grüße !

JB

smashIt

20er okular mit 0,5er vorsatzlinse ergibt ja auch wieder die üblichen vergrößerungen.
und wenn man sich den gebrauchtmarkt ansieht waren die 0,5er vorsatzlinsen sehr weit verbreitet.
MfG,
Chris

Bildung ist das was uns vom Tier unterscheidet.

Funtech.org

Dr. Jekyll

Hallo Jürgen,

ich arbeite auf dem Gebieten  Freizeit und Hobby  (Ruhestand) ;D ;D ;D.  Von Hause aus bin ich Biologe. Bei neueren Geräten magst Du richtig liegen, mit denen kenne ich mich nicht aus.
Ältere z.B. OPMI I von Zeiss haben allerdings recht häufig 20iger Okulare und diese nicht zu messen  ;)
Sicher kann der Arbeitsabstand auf anderem Weg groß gehalten werden, aber viele Wege führen nach Rom.
Beste Grüße
Harald

Dr. Jekyll

Möglicherweise finden die OPMIs mit stark vergrößernden Okularen in der Mikrochirurgie eher Anwendung.
Das ist aber nur eine Vermutung von mir.
Beste Grüße
Harald

TPL

Hallo,

ich kenne die Nutzung ungewöhnlich starker Stereomikroskop-Okulare aus der Mikropaläontologie:

Beim Auslesen der Rohprobe geht es nicht um beste Auflösung, sondern mehr darum, überhaupt Mikrofossilien von anderen Körnern zu unterscheiden, um sie mit der Präpariernadel durch das nächste Loch in der Ausleseschale zu schubsen. Um mit der Präpariernadel genügend Platz und Licht zu haben, sollten es schon ein paar Zentimeter Arbeitsabstand (AA) sein. Für solche Zwecke habe ich dann auch mal die G18x-Okulare mit den schwachen Objektivpaaren (2x, 4x) meines ollen, schwarzen Leitz benutzt (eines davon mit Messplatte, die man da aber nicht braucht ;)).

Auch für die Präparation in Plummer-Zellen oder auf REM-Trägern ist die Kombination schwaches Objektivpaar mit großem AA / starkes Okularpaar günstig.

Sind Auslese und Präparation fertig, geht es an die Bestimmung. Da geht es um die Details individueller Mikrofossilien, die hohe Auflösung erfordern. Dazu ist dann die Kombination starke Objektivpaare (schwache Okularpaare) besser, denn nur mit denen bleibt man innerhalb der förderlichen Vergrößerung. Zwar müssen die Mikrofossilien gelegentlich noch gedreht werden, aber dafür kann man bei diesen älteren Greenough-Geräten mit Objektivschnellwechsler auf ein schwächeres Objektivpaar umschalten, und dadurch – ohne Linsenschrauberei oder Okularwechsel – rasch wieder AA für die Präpariernadel gewinnen.

Vielleicht sind die hier kursiv geschriebenen Eigenschaften ja das eigentliche Tummelfeld für Stereomikroskop-Okulare mit ungewöhnlich starker Vergrößerung: ältere Greenough-Geräten mit Objektivschnellwechsler. Bei Systemen mit galiläischem Strahlengang bleibt der AA ja üblicherweise gleich und entspricht immer der jeweils stärksten Vergrößerung (ohne Vorsatzlinsen).

Ansonsten eben auch noch zum Messen, aber damit habe ich kaum Erfahrung.

Viele Grüße,
Thomas


Dr. Jekyll

#10
Durch die Beiträge wird deutlich, dass der Haupteinsatz dieser Okulare nicht im medizinischen Bereich liegt, auch wenn sie mir an Operationsmikroskopen öfter unter gekommen sind. Nun, OPMIs sind weit verbreitet und werden nicht nur im OP benutzt.
Hat denn noch jemand Erfahrung mit solchen Okularen und deren Einsatzgebiet?
Unsinnig sind sie ja wohl nicht, sonst gäbe es sie nicht ;)

P.S.: und das mit dem Arbeitsabstand hat schon seine Richtigkeit :D
Beste Grüße
Harald

JB

Zitat von: Dr. Jekyll in Mai 06, 2020, 18:33:09 NACHMITTAGS
für einige Stereomikroskope gibt es Okulare mit scheinbar unsinniger Vergrößerung von z.B. 25fach oder sogar 32fach.

Hallo Harald,

Wie Thomas schon sagte, man kommt nicht so schnell in den Bereich der leeren Vergroesserung. Die NA eines Objektivs 1x ist so um die 0,03 (Beispiel: Zeiss Stereomikroskop D; neuere Stereomikroskope sogar noch mehr), damit ist die foerderliche Vergroesserung nach Faustformel 15x bis 30x. Setzt man dabei Okulare 20x ein, kann man sich eine Vorsatzlinse oder den Objektivwechsel (mit Verlust an freiem Arbeitsabstand) sparen.

Diese Okulare sind aber aus der Mode gekommen - vielleicht weil hohe Zoomsysteme verbreitet sind, oder weil die Pupillenlage von Okularen 20x sehr niedrig ist?

Beste Gruesse,

Jon

Jürgen Boschert

Hallo Harald,

jetzt kommen wir der Sache näher. Die ersten OP-Mikroskope wurden tatsächlich -warum auch immer- mit 16-er und stärkeren Okularen ausgeliefert; aber das habe ich nicht mehr selbst erlebt und ich bin schon seit Anfang der 80-er Jahre dabei, da waren Standard-Okulare an OpMis schon 12,5 und 10. Wahrscheinlich hat man anfangs gedacht, eine möglichst hohe Vergrößerung sei nötig, aber dem ist nicht so. Der Hauptvorteil der OpMis liegt tatsächlich in der fast koaxialen Beleuchtung, man hat -heute durch Xenon-Lampen und neustens durch Hochleistungs-LED- Licht da, wo man es auch braucht. Ein weiterer Vorteil ist der, dass der Operateur sein eigenes Tun vergrößert sieht und daher alleine deswegen schon vorsichtiger und folglich im Sinne des Patienten schonender arbeitet.
Interessant finde ich übrigens, dass es ja prinzipiell -und das schon seit Ende der 80-er Jahre- technisch möglich ist, über Videosysteme und 3-D-Brillen / Monitore Operateur und Sehhilfe zu entkoppeln, sich das aber nie richtig durchgesetzt hat, obwohl damit ja der Aufwand an raumgreifender und teurer Stativtechnik reduziert werden könnte; im OP-Feld wäre dann ja nur noch ein kleiner Optikkörper mit angesetzten Videokameras erforderlich, Aesculap versucht momentan mal wieder so ein System an den Mann zu bringen. Wer aber mit OpMis arbeitet implementiert sozusagen das Gerät geradezu in sein Körperschema, weiß dann immer genau, wo er sich im Raum mit der Focusebene und damit im Patienten befindet; diese Rückkopplung erfolgt m.E. über die Okulare, den Tubus, was natürlich bei den Videosystemen wegfällt.
Übrigens arbeitet man typischerweise in der Mikrochirurgie im Bereich von Vergrößerungen von 5-10-fach, ganz ausnahmsweise auch einmal bis 20-fach, mehr geht manuell nicht mehr (gut).
Die OpMis wurden ja von Zeiss eingeführt und es handelt sich um eine Art von stereomikroskopischer Anwendung, die auch auf technischen Gebieten (Geräte-, Instrumentenfertigung (übrigens selbst ein hochinteressantes Thema), Restaurationsarbeiten und natürlich Bonding / Lötarbeiten etc.) zum Einsatz kamen; Zeiss nannte diese Sparte damals Technoskope.

Gruß !

JB
Beste Grüße !

JB

Werner

Noch ein Grund für die 25-er-Okulare: Rest-Etat zum Jahresende.
In den 1970ern waren die Stereomikroskope schon etwas Besonderes. Da wurde dann alles gekauft, auch Teile, die man nicht unbedingt brauchte. Z.B. Stereomikroskope für das Chemielabor, selbstverständlich mit allen Okularen, die es gab. Die Okulare verschwanden in der Schublade, das Stemi verrottete in Naßlabor unbenutzt unter der Haube. Wurde nach einigen Jahren verschrottet, die Okulare erschienen bei ebay...

Gruß - Werner

TPL

Zitat von: Werner in Mai 06, 2020, 22:59:11 NACHMITTAGS(...)  Rest-Etat zum Jahresende. (...)

Hallo Werner,

Du meinst die "Bugwelle", diese (teilweise auch heute noch) jedes Jahresende, aber dennoch völlig unvorhersehbar auftretende wunderbare Vermehrung der ansonsten nie verfügbaren Mittel?

Dem verdanken ganz viele hier überhaupt ihre Ausrüstungen, die in diesen Jahren zu den Topp-Forschungs- und Laborgeräten gehörten. Und dennoch oftmals "wie aus dem Ei gepellt" daher kommen, weil vor eBay unbenutzt.

Viele Grüße,
Thomas