Mikrochemische Etüde Nr.2 (Cobaltgehalt in Mineralen)

Begonnen von Reinhard, Mai 18, 2020, 15:08:54 NACHMITTAGS

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Reinhard

Hallo Freunde,

hier möchte ich Euch ein ungewöhnliches Verfahren vorstellen, mit dessen Hilfe sich Konzentrationen bestimmter Stoffe (Fe, Co, Ni)  in einem Gemisch (z.B. in Mineralen) bestimmen lassen.

Viele anorganische wie auch organische Substanzen zeigen in stärkeren Magnetfeldern physikalische Phänomene, die man als magnetische Suszeptibilität bezeichnet. Nicht nur Eisen
zeigt bekanntermaßen diese Eigenschaft, sondern auch, weniger ausgeprägt, z.B. Cobalt und Nickel.
Aber auch viele andere Stoffe wie zum Beispiel Salze und sogar deren Lösungen zeigen eine magnetische Beeinflussbarkeit, die aber ohne empfindliche Messverfahren im allgemeinen unbemerkt bleibt.
Auf genauere Einzelheiten will (und kann!) ich hier nicht eingehen;

Ich habe mir im folgenden die Eigenschaft des Elementes Cobalt zunutze gemacht, in starken Magnetfeldern, auch in wässrigen Lösungen Magnetische Suszeptibilität zu zeigen.

Zunächst habe ich dazu eine möglichst detaillierte Eichkurve mit bekannten unterschiedlichen Konzentrationen von Cobaltchlorid in HCl (CoCl2 /6H2O) angefertigt. Hier zeigt sich im Bereich zwischen
etwa 0,5molar und 3molar eine ausreichende Linearität der magnetischen Reaktion, die durch die Absenkung des Waagbalkens ihren Ausdruck findet.
Dann wurde die Magnetosuszeptibilität sowohl des Glasröhrchens (1,5cm eines Kapillarröhrchens mit 1,3mm innerem Durchmesser) wie auch aller beteiligten sonstigen Stoffe (Kupfer/ Salzsäure) bestimmt,
um Korrekturen am Messwert vornehmen zu können.

Die Probe im Gläschen (jeweils exakt 6µl (!) wurde an einem 0,2mm Messing-Waagbalken, aus der Hubert'schen Mikrowaage entliehen, aufgehängt.
Dann wurde ein starker Neodym-Magnet in einer Alu-Halterung mittels Mikromanipulator langsam von unten her der Probe genähert und im Kathetometer ( von Frank D. aus ramponierten Einzelteilen
zu einem präzisen Instrument gebaut) der maximale Ausschlag in Teilstrichen bei  starker Vergrößerung gemessen. (Mithilfe des Kathetometers kann auch die Relation: Ausschlag des Waagbalkens im
Magnetfeld zur wirksamen Kraft bestimmt werden)

Dann wurde eine genau abgewogene Menge des Minerals Kolwezit  CuCo(CO3)(OH)2 bzw. Cu2Co(CO3)x(OH)y in konz. Salzsäure aufgelöst und mehrfach (6µl) vermessen.

Das Ergebnis zeigt wiederum, wie schon in einer früheren volumetrischen Untersuchung, Werte für Cobalt deutlich unter den zu erwartenden, sodaß sich bestätigt, daß zumindest in meinen
Kolwezitmineralen immer mehr Malachit als zu erwarten "eingebaut" ist.



Hier die gesamte Anordnung mit Waagebalken und Probengefäß, dem zylinderförmigen Neodym-(FeB)-Magneten und dem Kathetometer


Das Kathetometer ist ein Mikroskop mit großem Arbeitsabstand und der Möglichkeit, die optische Achse in der vertikalen Ebene zu
verschieben. Im Okular ist eine Strichplatte, mit deren Hilfe die Anziehungskraft des Magneten auf die Probe gemessen werden kann,
nachdem der Nullpunkt mithilfe der Mikrometerschraube eingestellt wurde. Durch vorherige Justierung kann so auch die Empfindlichkeit
des Waagbalkens gemessen werden.
Vereinfacht wird die Messung wiederum durch Rolf's (reblausens) Konstruktion zur Umkehrung des Bildes.


Der Neodym-Eisen-Bor-Magnet ist schon so stark, daß jeder Schritt in seiner Nähe genau bedacht werden muss!
Schon deshalb ist die Messung mit Kathetometer unabdingbar.


Hubert (lupus) hat ein Magnetdesign entworfen und gebaut, das noch wirksamer, aber für die Massenmessung weniger komfortabel ist.


Die tiefgrüne Lösung des Minerals Kolwezit im Probenglas.


als Vorwand, ein solches, eher fremdes Thema hier im Forum zu veröffentlichen, möchte ich diesmal das Kathetometer vorschieben.  :-[ :)

Viele Grüße
Reinhard

Anregungen aus:
B.B.Cunningham, Microchemical Methods Used In Nuclear Chemical Research, Univ.of Calif. Berkeley, 1949
A.Weiss/H.Witte, Magnetochemie 1972




seit wann ist Kunst ein Fehler ?



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Florian D.

Phantastisch und super interessant!

Viele Grüsse
Florian

witweb

Hallo Reinhard,

das ist ja hochinteressant. Was peilst du denn an, wenn du durch das Kathetometer schaust? Hast du von der "Durchsicht" ein Foto?

Beste Grüße

Michael
Leitz Orthoplan
Zeiss Standard 18 mit Fluoreszenz-Auflichtkondensor IV FL
Lomo Biolam, Motic SMZ-168
Canon EOS 750D
https://mikrokristalle.net
https://www.youtube.com/@Mikrokristalle

Reinhard

Hallo Florian, hallo Michael,

freut mich, daß es Euch interessiert!
Im Kathetometer sehe ich den Messingfaden.
Das sieht dann so aus, auch wenn dieses Bild aus anderen Untersuchungen stammt.
Bei der vorgestellten Untersuchung ist der Waagbalken "dünner".



Viele Grüße
Reinhard

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witweb

Danke Reinhard,
das scheint in der Tat eine sehr empfindliche Messmethode zu sein.
Gruß
Michael
Leitz Orthoplan
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Lomo Biolam, Motic SMZ-168
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Michael L.

Hallo Reinhard,

sehr interessante Beiträge von Dir. Ich bin immer gespannst was für eine tolle Tüftelei als nächstes kommt.

Viele Grüße

Michael

olaf.med

Lieber Reinhard,

es bedarf wirklich keines Vorwands, ein solches Messverfahren hier vorzustellen. Wie auch ich sollte jeder naturwissenschaftlich und technisch interessierte davon begeistert sein!

Als klassischer Mineraloge hatte ich sehr häufig mit der Phasenanalyse sehr kleiner Proben zu tun. Das wurde in aller Regel durch kombinierte mikrochemische Analytik an der Elektronenstrahl-Mikrosonde und röntgenographischen Methoden (Debbye-Scherrer/Gandolfi) gemacht. Deine Mikromethoden hätten sehr oft die teuren Mikrosondenanalysen ersetzt, auf die man zudem meist lange warten musste.

Ich bin jedesmal fasziniert von Deinen Themen - Danke,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Reinhard

Lieber Michael, lieber Olaf,

auch Euch Vielen Dank für Euer Interesse und Eure Zustimmung zu diesem meinem Randgebiet hier im Forum.
Einige weitere diesbezügliche Themen sind noch in der "pipeline". ;)

Viele Grüße
Reinhard


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Jürgen Boschert

Hallo lieber Reinhard,

auch ich gehöre zu Deinen stillen Fans und freue mich schon darauf.

Gruß !

JB
Beste Grüße !

JB

wilfried48

Hallo Reinhardt,

es ist immer schön zu lesen, wie du mit der Kombination von Physikalischen- und Chemischen- Methoden Mikroanalytik betreibst.

Also das wird mir überhaupt nicht langweilig und ein einfaches Mirkroskop und Mikromanipulatoren sind ja auch im Einsatz.

Aber eine kleine Verständnisfrage hätte ich noch: Das Magnetfeld ist bei so einem Magneten sehr inhomogen und nimmt in Richtung Magnetoberfläche sicher stark nichtlinear zu. Wie stellst du sicher, dass Probe und Vergleichsprobe im gleichen Magnetfeld sind und vor allem wie stellst du das ein. Ich könnte mir vorstellen, dass wenn man den Magneten zu schnell der Probe nähert macht es "peng" und die Probe "klebt" am Magneten.

viele Grüsse
Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

Reinhard

#10
Hallo Jürgen,

das freut mich zu hören! Vielen Dank!

Hallo Wilfried,

ich habe im Laufe der Voruntersuchungen den Eindruck bekommen, das die Feldstärke des verwendeten Magneten über die größeren Anteile
der "oberen" Oberfläche sehr homogen ist. Wenn die Unterseite der Probe um wenige mm von der Achse entfernt wurde, hat das kaum einen
Unterschied gemacht; das war erst in der Nähe des Randes zu bemerken. Trotzdem habe ich immer darauf geachtet, daß die Absenkung der
Probe immer genau im Zentrum des Magneten erfolgte.

Auch wurde beachtet, daß das Probengefäß immer senkrecht stand. Eine unterschiedliche Füllhöhe im Glas hätte dagegen größere Fehler verursacht;
anscheinend "zieht" der Magnet auch noch kräftig an den höhergelegenen Anteilen im Glas. (um es sehr laienhaft auszudrücken)
Die Gläschen waren alle aus der gleichen Charge, die Schwankung der Lumenweiten dürften vernachlässigbar sein. Alle hatten identische
Bodendicken. (das hätte sonst wahrscheinlich größere Fehler verursacht).

Die Messung erfolgte so: nach Anhängen der Probe und Abwarten der Federbewegungen wurde das Kathetometer durch Verschieben
der optischen Achse so eingestellt, daß der untere Rand des Waagbalkens auf der Strichplatte auf Null zu stehen kam.
Dann wurde der Magnet mithilfe des Mikromanipulators erst schneller, dann immer langsamer der Probe angenähert und dabei gleichzeitig
die Verschiebung des Waagbalkens auf der Skala beobachtet.
Das "peng" war dann ein ganz sanftes "plop", das im Kathetometer oft nur dadurch auffiel, daß die ganz feinen Restschwingungen plötzlich erstarrten.
Dann wurde der Magnet wieder um weniger als 1 mm abgesenkt und die noch immer anhaftende Probe durch ganz leichtes Klopfen auf den Tisch unter
dem Gerät wieder gelöst. (mit erneuten minimalen Schwingungen)
Dann das Ganze erneut. Die endgültige Ablesung des Ergebnisses erfolgte praktisch so unmittelbar im Moment des "Plop".  :)
Die Unsicherheit dabei betrug dabei höchstens 1 Teilstrich im Kathetometer.

Der Ausschlag einer 2n-Probe (Cobaltchlorid) betrug 44 Teilstriche.
Ein Teilstrich war andererseits einem Gewicht von 62,5 µg äquivalent

Viele Grüße
Reinhard
seit wann ist Kunst ein Fehler ?



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