Azan-Färbung: wie gut klappt es mit wasserlöslichem Azokarmin?

Begonnen von jako_66, Juni 09, 2020, 19:27:02 NACHMITTAGS

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jako_66

Hallo zusammen,

mit Interesse habe ich die Forumsbeiträge und die Mikrokosmos-Artikel zur Azan-Färbung gelesen. Durch den Hinweis von Dieter Krauter zu den verschiedenen Azokarminen im Markt habe ich am Wochenende einmal 3 verschiedene Azokarmine per Dünnschichtchromatographie (TLC) geprüft (siehe angefügte Fotos).

Bahn 1: Azokarmin von Morphisto (klare rote Lösung)
Bahn 2: Azokarmin G von Euromex (trübe Lösung, so wie es sein soll?)
Bahn 3: Azokarmin G als freundliche Spende von einem Mitglied der Mikrogruppe Hamburg

LM1 = n-Butanol : Eisessig : dest. Wasser (4 : 1 : 5). Es entsteht eine Phasengrenze und somit ein ternäres System, ungewöhnlich für die Dünnschichtchromatographie. Die Substanzen wandern als Säuren
LM2 = n-Butanol : 96% Ethanol : 15% wsr. NH3 : dest. Wasser (4 : 4 : 2.5 : 1.5). Die Substanzen wandern als Basen
LM3 = Aceton : 50% Ethanol : Eisessig : dest. Wasser (15 : 5 : 2 : 4)


Das Azokarmin aus Hamburg macht zunächst eine gute Figur. Euromex hat eine Rezeptur mit einem Anteil an Azokarmin G wie das aus Hamburg, ist trübe und hat ein perlmutt-artiges Aussehen. Das Azokarmin von Morphisto ist bei Raumtemperatur komplett wasserlöslich. Es ist als CI 50085 deklariert, aber vielleicht handelt es sich um das Azokarmin B (CI 50090) mit zusätzlicher Sulfonylgruppe, die im LM2 das Hochwandern etwas bremst? Wie sich aber herausstellte, ist es ein wasserlöslicher roter Farbstoff und ein Azokarmin B mit zusätzlicher Sulfonylgruppe läuft im LM2 unterhalb vom Azokarmin G.

Mit mehreren Proben aus verschiedenen Zeiten und Herstellern sollen an dieser Stelle mit allen Interessierten die Chromatogramme geteilt werden.

Meine Frage ist, wie gut klappt die Azan-Färbung nach Heidenhain mit wasserlöslichem Azokarmin (z. B. von Morphisto)? Als Niederschlagsfärbung sollte doch nur das "klassische" Azokarmin G gehen?

Um das selber auszuprobieren, fehlt mir für die Fixierung noch "Knall" (Pikrinsäure) oder die Substanz mit dem Totenkopf (HgCl2)... (Fixierung nach Bouin oder Susa).

Dank` Euch vorab & viele Grüße

Sven


Bob

Hallo Sven,
spannende Sachen machst Du da! Und schön anschaulich hast Du es dargestellt, so dass auch ich etwas lernen konnte. Die Unterschiede der drei Farbstoffe sind doch erstaunlich groß und müssen sich auch praktisch auswirken.
Die Aussage des Azokarmin-Spenders war ja, dass das alte (Vorkriegs-) Azokarmin viel besser gewesen wäre, das "neue", also was Du bekommen hast, wäre zu rein.
Die DC deutet ja wirklich darauf hin, dass es reiner ist, als die anderen, noch neueren, aktuell käuflichen Varianten - aber sind die der Vorkriegsvariante ähnlich?

Hier im Forum wurde mal ein Foto eines riesigen Regals voller historischer Farbstoffgläser aus einem Museum gezeigt. Da könnte die Erklärung zu finden sein.

Viele Grüße,

Bob


jako_66

Hallo Bob,

dann kann es auch sein dass das Azokarmin "aus Hamburg" das Azokarmin B ist und wegen der besseren Wasserlöslichkeit weiter oben im LM2 läuft. Habe es heute angesetzt und es ist wie die Substanz von Morphisto komplett in Wasser löslich bei Raumtemperatur.

# wenn jemand eine Probe von Serva oder Bayer hat und mir eine Spatelspitze davon zuschickt (Porto übernehme ich gerne), lasse ich das gerne einmal mitlaufen und poste das DC-Chromatogramm hier.

Viele Grüße

Sven

Klaus Herrmann

#3
Hallo Sven,

ich habe in meiner Sammlung Azocarmin G von der Chroma ist sicher gut 30 Jahre alt. Die haben ja immer nur gehandelt und nicht produziert. Wäre das auch interessant für dich?

Hab gerade nochmal nachgelesen das G ist die Disulfonsäure das B ist die Trisulfonsäüre, die deutlich besser wasserlöslich ist. Kann mal noch in der großen Sammlung die noch nicht aufgelistet ist suchen ob ich noch was finde.

Nochmal ein Nachtrag: zu dem Chroma Azokarmin habe ich noch 3 weitere gefunden, aber alles G, wenn das interessant ist kann ich von jedem eine Probe abfüllen. Aber die Variante leichtlöslich B scheint Seltenheitswert zu haben.

Im Romeis werden beide Varianten gleichwertig verwendet. Das G wird halt in kochendem Wasser gelöst.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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Egbert Lange

Hallo Sven,

in meiner Sammlung "alter" Farbstoffe habe ich Azocarmin G.X. und Azocarmin B.X. gefunden. Hersteller war IG-Farben, Werk Ludwigshafen.
Nach Conn's Biological Stains (9.Auflage, 1977) auf Seite 381 sind dies laut FIAT-764 synonyme Bezeichnungen für Azocarmin G bzw. B.
Ich werde die Farbstoffe demnächst untersuchen, ob sie noch brauchbar erscheinen. Die Abgabe von Proben ist dann möglich.

Beste Grüße,

Egbert

jako_66

#5
Hallo zusammen,

mit der Warenspende von Egbert und Klaus habe ich heute noch einmal mit frisch angesetzem Laufmittel die 9 Azokarmine miteinander verglichen.

Die als Feststoffe verfügbaren Azokarmine werden in einer Konzentration von 1 mg/ml H2O kurz aufgekocht, über einen Papierfilter heiß filtriert und pro 100 ml mit 1 ml Eisessig angesäuert. Mit einem ausgezogenem Schmelzpunktröhrchen wird die Probe auf die TLC-Folie aufgetragen. Als Behältnis für die Laufmittel werden einfache Weithalsschraubgläser verwendet, die mit Filterpapieren am Boden und an der Glaswand ausgekleidet sind. Nach dem Einstellen der TLC-Folie in das Laufmittel und nach der Entwicklung des Chromatogramms wird mit einer UV-Lampe 254 nm & 365 nm nach eventuellen zusätzlichen Produkten gesucht (aber es wurden nie welche detektiert). Ein Besprühen mit konz. H2SO4/Verkohlen mit einem Heißluftfön wie früher wäre nett gewesen, aber im heimischen Wohnzimmer etwas unpraktikabel.

Die Berechnung der Rf-Werte erfolgt mit der freien ZEN-Software von Zeiss (übrigens auch exzellent nutzbar zur Vermessung von Objekten in Fotos) an den eingescannten Dünnschichtplatten.

Die Proben von Bayer, IG Farben und die von Euromex gleichen sich im Aussehen: opaleszierende Flüssigkeiten, die in der Wärme klar werden. Für eine erneute Dünnschichtchromatographie ist eine Azokarmin-Konzentration von 5 mg/ml besser geeignet.

Das LM2 erweist sich als das beste Trennmittel für die Azokarmine, während das LM1 die Substanzen als Säuren erwartungsgemäß mit einer langen Spur laufen lässt.

Die Bahn 2 zeigt einen roten wasserlöslichen Farbstoff aus der Mikrogruppe Hamburg, alle anderen außer Bahn 9 beinhalten das Azokarmin G als Hauptprodukt. Merck und Morphisto haben etwas mehr Nebenprodukte als das Azokarmin G von Bayer, die Probe von Euromex ist ,,besonders reich an Nebenprodukten". Zwischen den Proben von Bayer aus den 25 g & 50 g Gebinden von Klaus bestehen keine Unterschiede.

Fazit: das Azokarmin G von Bayer ist mein Favorit, gefolgt von der Chroma -Substanz. Privatpersonen kann das Azokarmin G von Euromex empfohlen werden (z. B. Bioform.de), sollten gängige Chemikalienanbieter den Verkauf verweigern. Der Vergleich mit den Farbstoffen von IG Farben zeigt, dass diese auch noch nach mehreren Jahrzehnten sehr gut zu verwenden sind!

Wie sich die verschiedenen Azokarmine in der Azanfärbung schlagen, werde ich an dieser Stelle später berichten (wird aber etwas dauern, da dies für mich Neuland ist).

Viele Grüße

Sven





Klaus Herrmann

Hallo Sven,

Danke für diese schöne systematische Arbeit. Ich bin überzeugt, dass viele Farbstoffe auf dem Markt sind, die nicht qualitätsüberprüft sind.

Ich habe letztes Jahr das  vom Markt verschwundene Alciangelb (essentielle Komponente für die Herstellung des Etzold grüns) aus England bezogen. Das war aber in nichts löslich. Nach langem Hin und Her habe ich dann mit dem "Chefchemiker" der Firma diskutiert und der hat nach etwas Rumeiern gestanden, dass sie nur einkaufen, abfüllen und verkaufen. Qualikontrolle findet nicht statt.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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