Acridinrot 3 B Herstellung

Begonnen von jako_66, Juni 15, 2020, 21:27:23 NACHMITTAGS

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jako_66

Hallo zusammen,

hier ein neuer Thread zur eigenen Herstellung von Acridinrot 3B, sollten die Bezugsquellen für Acridinrot-Lösungen irgendwann versiegen. Nur so als Anregung zur weiteren Diskussion gedacht.

Inhaltlich schließt dies an den umfangreichen Beitrag zum Bezugsweg von Acridinrot hier an:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=32434.msg239578#msg239578

Dort wurde auch der Weg vom Pyronin G (3) (Merck: 25 g für 570 €) durch Oxidation mit Permanganat zum Acridinrot (4) skizziert.

Auf der Suche nach Synthesewegen bin ich auf die Literatur von S. Han, Y. Chen / Dyes and Pigments 96 (2013) 59e62 (https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0143720812001994) gestoßen. Dort wird die übliche 2-Stufensynthese (Clunas S, Strory JMD, Rickard JE, Horsley D, Harrington CR, Wischik CM. 3,6-disubstituted xanthylium salts. Patent WO2010/067078; 2010) in eine einfachere Eintopfvariante abgeändert.


In Analogie dazu könnte man das Acridinrot 3B ausgehend vom 3-Dimethylaminophenol wie folgt herstellen (Abb. 1)

Darstellung von 3,6-Dimethylamin-9H-xanthen (2)

Zu einer Lösung von 3-Dimethylaminophenol (6.86 g, 50 mmol) in 1,2-Dichlorethan (350 ml) werden Trimethylorthoformiat (10 g, 10,5 mmol) und Pyridinium-p-toluolsulfonat (PPTS) (1,25 g, 5,0 mmol) zugesetzt. Das Gemisch wird 12 h unter N2 unter Rückfluss erhitzt und dann auf Raumtemperatur abgekühlt. Nach Abdampfen des Lösungsmittels wird das Rohprodukt durch Flash-Säulenchromatographie gereinigt (Petrolether/Ethylacetat 35: 1v/v), um das 9H-Xanthen-Derivat 2 in ca. 20-25% Ausbeute zu erhalten.


Darstellung von Pyronin G (3)

2,01 g (7,5 mmol) 3,6-Dimethylamin-9H-xanthen (2) werden in Dichlormethan mit HCl in das 3,6-Dimethylamin-9H-xanthen·HCl überführt, isoliert? (hier steht nichts davon in der Literaturstelle). Anschließend wird der Ansatz in einem großen Becherglas mit 500 ml Wasser 3 h bei Raumtemperatur im Dunkeln belassen (TLC-Kontrolle). Nach Abdampfen des Wassers im Vakuum wird das Rohprodukt durch eine Flash-Säulenchromatographie (Dichlormethan/Methanol 20: 1, v/v) gereinigt, um Pyronin G (3) in ca. 70-80% Ausbeute zu erhalten.

Alternativer Weg:

Die Photokonversion zum Pyronin G (3) wird mit einer 500 W Hochdruck-Quecksilberlampe (Belichtung 39,5 mW/cm²) in einem 500 ml Becherglas durchgeführt. 2,01 g (7,5 mmol) einer Lösung vom 9H-Xanthen-Derviat (2) in EtOH-HCl (100: 2, v/v) werden unter Lichtbestrahlung gerührt, bis kein Ausgangsmaterial mehr nachweisbar ist (TLC-Kontrolle, Bestrahlungszeit ca. 1 h). Nach Abdampfen des Lösungsmittels wird das Produkt durch eine Flash-Säulenchromatographie gereinigt (Dichlormethan/Methanol 20: 1 v/v), um das Pyronin G (3) in ca. 80%iger Ausbeute zu erhalten.


Darstellung von Acridinrot 3B aus Pyronin G

Erfahrungsberichte willkommen!


Kosten:
-   3-Dimethylaminophenol 25 g Merck 92 €
-   Orthoameisensäuretrimethylester 250 ml 22 € (oder Methanol + Chloroform + Natrium)
-   p-Toluolsulfonsäure 100 g Merck 24 €
-   Pyridin PA 250 ml S3  30 €
-   Säulenchromatographie I (Petrolether : Essigester = 35 : 1)
-   Säulenchromatographie II (Dichlormethan : Methanol = 20 : 1)



Fazit: im Moment ist der Bezug fertiger Lösungen noch der bessere Weg, wenngleich auch recht teuer
(z.B. Morphisto oder Baacklab.de 250 ml für 70 €)


David 15

Hallo Sven,

die Bezugsquellen für Acridinrot versickern leider genau so wie die Bezugsquellen für die Reagenzien dieser Synthese. Ich traue diese Synthese einem Hobbychemiker in einem gut ausgestatteten Keller zwar zu aber die Beschaffung der benötigten Chemikalien ist das Problem. Außerhalb eines Uni-Labores ist sowas nach meinem Verständnis nur schwer möglich.

Viele Grüße
David
''Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter. Der Mensch beherrscht die Natur, bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen.'' ( Albert Schweitzer)

Vorstellung: ''Hier''

Klaus Herrmann

Hallo Sven,

schöne Recherche und Darstellung. Nun muss man nur noch vom mmol Bereich in den Mol Bereich hochrechnen, dann sind wir im Technikum. Wir hatten in der Organischen Chemie ein Technikum, weil der Prof Bredereck so nebenbei für die Industrie gekocht hat. Beeindruckende Dimensionen!

Nach meiner Erfahrung bedeutet eine Patentschrift, dass man theoretisch weiß wies geht, dann braucht man aber lange um die richtigen Bedingungen zu finden zu einigermaßen verträglichen Ausbeuten und Reinheitsgraden. Da würde ich dann doch lieber bei Morphisto kaufen, auch wenn es teuer ist. Wenn man erst das Pyronin herstellen muss wird es eh viel teurer.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

othum

Hallo Klaus,

Zitat von: Klaus Herrmann in Juni 16, 2020, 11:39:42 VORMITTAG
schöne Recherche und Darstellung. Nun muss man nur noch vom mmol Bereich in den Mol Bereich hochrechnen, dann sind wir im Technikum. Wir hatten in der Organischen Chemie ein Technikum, weil der Prof Bredereck so nebenbei für die Industrie gekocht hat. Beeindruckende Dimensionen!

Nach meiner Erfahrung bedeutet eine Patentschrift, dass man theoretisch weiß wies geht, dann braucht man aber lange um die richtigen Bedingungen zu finden zu einigermaßen verträglichen Ausbeuten und Reinheitsgraden. Da würde ich dann doch lieber bei Morphisto kaufen, auch wenn es teuer ist. Wenn man erst das Pyronin herstellen muss wird es eh viel teurer.

da stimme ich Dir in beiden Punkten zu. Ich verantworte in meinem Bereich unter anderem ein Technikum für Organische Synthese; ich weiss wie hoch dort der Tagessatz ist ;)

Und ebenfalls weiss ich aus Erfahrung, dass man Patente nicht unbedingt nachkochen können muss...

Und schließlich ist das hier nix für Hobby-Chemiker im Keller, auch kostenmäßig (alleine die Kosten für Silica-Gel und Lösungsmittel übersteigen vermutlich die Morphisto-Preise...)

Beste Grüße, Oliver
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Florian D.

#4
Woher kommt eigentlich die Methylenbrücke in dem Xanthen?
Genauer gesagt, würde ich erwarten, das ein 9-Methoxy-xanthen entsteht. Da verstehe ich dann auch eher, warum das mit Salzsäure zu Pyronin reagiert. Die Chinesen scheinen das Xanthen auch nicht isoliert und characterisiert zu haben.

Viele Grüsse
Florian

othum

#5
Zitat von: Florian D. in Juni 16, 2020, 15:22:11 NACHMITTAGS
Woher kommt eigentlich die Methylenbrücke in dem Xanthen?

Viele Grüsse
Florian

Ich denke aus dem TMOF, das ist ja ein verkappter C1-Baustein... Also im weitesten Sinne eine Variante der Friedel-Crafts Acylierung...

Beste Grüße, Oliver
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Florian D.

Zitat von: othum in Juni 16, 2020, 15:32:22 NACHMITTAGS
Zitat von: Florian D. in Juni 16, 2020, 15:22:11 NACHMITTAGS
Woher kommt eigentlich die Methylenbrücke in dem Xanthen?

Viele Grüsse
Florian

Ich denke aus dem TMOF, das ist ja ein verkappter C1-Baustein...

Beste Grüße, Oliver
Hallo Oliver, ich habe das gerade nochmal aktualisiert.
Gruss
Florian

othum

Zitat von: Florian D. in Juni 16, 2020, 15:41:29 NACHMITTAGS

Hallo Oliver, ich habe das gerade nochmal aktualisiert.
Gruss
Florian

Ja, vermutlich ist da ein Fehler, und in Molekül 2 fehlt eine Hydroxy-/Methoxygruppe, die dann sauer eliminiert wird und in Molekül 3 die Doppelbindung liefert. Passt das?

Beste Grüße, Oliver
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Florian D.

Hab gerade in den Artikel geschaut, die haben das Xanthen doch isoliert und charakterisiert. Ich vermute, die letzte Methoxygruppe fliegt bei dem Nukleophilen Ringschluss über den Sauerstoff raus. Hab schon lang keine Retrosynthese mehr gemacht.
Gruss
Florian

othum

Zitat von: Florian D. in Juni 16, 2020, 16:06:19 NACHMITTAGS
Hab gerade in den Artikel geschaut, die haben das Xanthen doch isoliert und charakterisiert. Ich vermute, die letzte Methoxygruppe fliegt bei dem Nukleophilen Ringschluss über den Sauerstoff raus. Hab schon lang keine Retrosynthese mehr gemacht.
Gruss
Florian

Der Ringschluss über den Sauerstoff ist doch nur eine Etherkondensation. Also ich denke, da fehlt was in Molekül 2 (vermutlich Methoxy), sonst macht ja auch die Umwandlung in 3 nicht so richtig viel Sinn...

Beste Grüße, Oliver
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Florian D.

Zitat von: othum in Juni 16, 2020, 16:21:33 NACHMITTAGS
Der Ringschluss über den Sauerstoff ist doch nur eine Etherkondensation.

Aber Hallo!  Das ist keine normale Etherkondensation. Das Phenolat macht einen nukleophilen Angriff am aromatischen Ring. Sowas geht normalerweise sehr schlecht, weil dann ein H- austreten muss. Hier passiert aber etwas Anderes: Nach dem Angriff wird ein Methoxyanion abgespalten. Dann tautomerisiert das Produkt. Nette Reaktion.

Viele Grüsse
Florian

othum

Hallo Florian,

Zitat von: Florian D. in Juni 16, 2020, 22:50:06 NACHMITTAGS
Aber Hallo!  Das ist keine normale Etherkondensation. Das Phenolat macht einen nukleophilen Angriff am aromatischen Ring. Sowas geht normalerweise sehr schlecht, weil dann ein H- austreten muss. Hier passiert aber etwas Anderes: Nach dem Angriff wird ein Methoxyanion abgespalten. Dann tautomerisiert das Produkt. Nette Reaktion.


wenn wir mal die genauen Mechanismen weglassen, was passiert?
Formal verknüpfen wir zwei Phenole unter Wasserabspaltung (wo kommt denn da ein Methoxyanion her?), ohne Veränderung der Ringe, ohne Redoxreaktionen.
Dann reagiert TMOF, also ein Ameisensäureäquivalent, zwei mal in einer Acylierung (also vielleicht ähnlich einer Friedel-Craft Acylierung); dabei wird das C zwei malreduziert, so dass ein Alkohol (oder Methylether) übrig bleiben muss. Um da eine CH2-Gruppe hinzukriegen, müsste man irgendwo noch ein Reduktionsmittel einpacken. Sehe ich aber nicht.

Von 2 nach 3 wird dann sauer Wasser abgespalten, dadurch entsteht die Doppelbindung und diese Chinon-artige Struktur.

Beste Grüße, Oliver
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Klaus Herrmann

#12
Das bedeutet bei Molekül 2 steht in 9 eine Hydroxigruppe und dann wird sauer Wasser abgespalten.
Wenn das so ist wäre es toll, wenn Sven das Formelbild 2 korrigieren würde.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Florian D.

Hallo Klaus,

also ich verstehe den Mechanismus auch nicht, deshalb habe ich ja gefragt. Irgendwo müsste da eigentlich eine Reduktion stattfinden, aber ich sehe auch nicht, wo.
Das Xanthen ist aber sowohl mit NMR als auch mit MS characterisiert worden, daher würde ich nichts an den Formeln ändern.

Viele Grüsse
Florian

othum

Hallo Florian,

Zitat von: Florian D. in Juni 17, 2020, 11:40:38 VORMITTAG
Hallo Klaus,

also ich verstehe den Mechanismus auch nicht, deshalb habe ich ja gefragt. Irgendwo müsste da eigentlich eine Reduktion stattfinden, aber ich sehe auch nicht, wo.
Das Xanthen ist aber sowohl mit NMR als auch mit MS characterisiert worden, daher würde ich nichts an den Formeln ändern.

Viele Grüsse
Florian

ich lehne mich jetzt mal aus dem Fenster und sage: Die Chinesen haben Unsinn geschrieben! Zumindest das angegebene MS des finalen Produkts macht auch keinen Sinn, wieso soll da ein Cl im EI-MS drin sein? Und da das NMR zur angegebenen Struktur des Intermediats tatsächlich passt, würde ich sagen: Fake!

In dem Patent geht die Zweistufensynthese ja auch anders, da wird Formaldehyd (oder andere Aldehyde) eingesetzt, dadurch erhält man die gewünschte Methylenbrücke, in der zweiten Stufe wird beim Ringschluss auch oxidiert (meist NaNO2) um die Doppelbindung zu bekommen. Wenn die Chinesen die Oxidation sparen wollen und direkt mit der Säure starten, ist das prinzipiell ok, liefert dann aber den Alkohol als Zwischenprodukt.

Beste Grüße, Oliver
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