Botanik: Falsche Pfefferminze

Begonnen von Druse, November 19, 2009, 13:04:43 NACHMITTAGS

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Druse

Hallo an die Botaniker,

wie Ihr wisst, übe ich mit meinen Schülern die Identitätsprüfung von Drogen/getrockneten Heilpflanzen per mikroskopisch-anatomischer Merkmale.

Zur Prüfung gab ich noch mal Pfefferminzblätter aus, allerdings aus einer anderen Charge und siehe da: die Droge entspricht nicht den Anforderungen des Europäischen Arzneibuches, denn die Droge zeigt nicht die für Minze (Lippenblütler) charakteristischen diacytischen Stomata, sondern anomocytische Stomata.

Das Foto wurde wieder mit einem Handy in der Schule gemacht, sprich unter einfachsten Bedingungen:



Ich habe mich gefreut, dass die Schüler sehen konnten, dass nicht immer alles so ist, wie es zu sein scheint... und die Firma werden wir anschreiben!

Viele Grüße
Mila

reblaus

Hallo -
leider kann ich momentan wegen Koffeinmangel mein überreiches Wissen nicht abrufen. Was ist denn anomodingsbums und diacytologisch?
Gruß
Rolf
(Botaniker)

Druse

Hallo und Entschuldigung, auch an die Nicht-Botaniker-und-trotzdem-Interessierten :-[

Die Spaltöffnungen (Stomata) der Pflanzen zeigen eine charakteristische Anordnung der Nebenzellen, also der Epidermiszellen, die unmittelbar an die Schließzellen der Spaltöffnung anschließen.
Folgende Zeichnung aus dem Buch "Anatomie und Histologie der Samenpflanzen", Stahl-Biskup, Reichling, kann das vielleicht verdeutlichen:



Bitte einfach auch gerne nochmal rückfragen,
viele Grüße
Mila

Klaus Herrmann

#3
Liebe Mila,

danke, dass Du nun auch Dein Wissen - von dem wir schon immer überzeugt waren, dass es reichlich vorhanden ist - ;) mit Bildern unterlegst!

Mit der Erklärung aus dem Buch wird das jetzt auch für den Nicht-Biologen verständlich. :-*

Kann man denn aus dem Befund ableiten, womit die Pfefferminzdroge verfälscht wurde? - Oder gibt es wenigstens eine Idee?

Das Buch ist - wenigstens bezogen auf die von Dir zitierte Seite - sehr informativ. Kann man das auch sonst empfehlen?

Scharf pfefferminzige Grüße

Klaus
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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reblaus

Heißen Dank -

das Forum ersetzt ja glatt ein Zweistudium. Übrigens sind die Botanikkenntnisse bei Nichtbotanikern oft besser als bei einschlägig Ausgebildeten.

Gruß
Rolf

Fahrenheit

Liebe Mila,

danke für den interessanten Bericht. Lass' mal hören, was daraus geworden ist.

Da zeigt sich, dass die Mikrophotografie für den Apotheker durchaus von Belang ist - man kann einer Beschwerde quasi ein Beweisphoto beilegen.

Wie sind da eigentlich die Regelungen? Ein einzelnes 'falsches' Blättchen kann sich ja schon mal einschleichen. Gibt es irgendwelche Prozentsätze und wie werden die ggf. ermittelt? Da müsste man unter Umständen ja auszählen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Druse

Guten Abend,

Danke für Eure Rückmeldungen, meine SchülerInnen werden sich freuen :)

@ Klaus: wir werden diese Charge noch genauer untersuchen bezüglich der Morphologie der Blattfragmente, also bezüglich des Aussehens, aber auch Geschmack etc.
Anomocytische Stomata kommen bei den folgenden Familien vor: Mohn-, Hahnenfuß-, Malven- und Primelgewächse, es könnte also vielleicht ein Mohn auf dem Minzfeld gestanden haben???

@ Jörg: genau dieser Frage gehen wir nun nach. Leider habe ich hier zuhause kein Europäisches Arzneibuch (EuAB), wo ich die Anforderungen zur Rheinheit nachschlagen könnte, wir wollen das aber im Kurs noch aufklären. Möglicherweise war das ein Zufallstreffer. Alle anderen im Kurs (über 20) hatten die "richtigen" Stomata.

Wirklich per Zufall wird der Unterricht noch spannender ;) wir sind den "Falschminzern" auf der Spur...

Gepfefferte Grüße
Mila


Klaus Herrmann

sag ich doch die Fuscher sind immer zu Gange!

ZitatFalschminzern"

goldechte Grüße

Klaus
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Fahrenheit

Liebe Falschminzer und Minzfuscher,

wer erinnertsich noch:
Wer Minze fälscht oder nachmacht oder nachgemachte oder gefälschte Minze in Umlaufbringt, wird mit Malventee nicht unter 5 Tassen bestraft.

;D
Jörg
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Druse

Genau, Jörg, so ist das (fast) ;)



Minzige Grüße
Mila

Ralf Feller

Hallo Mila,
auch von mir danke für den tollen Beitrag,
so liebe ich das, schöne Bilder und etwas lernen ohne dazu ein Buch aufschlagen zu müssen.
Werden die Drogenblätter einfach mit Wasser aufgeschwämmt und mikroskopiert oder braucht man ein Aufhellungsmittel wie bei meinen Insektenlarven. Kann man so auch die Zusammensetzung unserer Teebeutel bestimmen?
Das Mikroskop entlarvt so manches.

Gruß Ralf

Druse

Hallo Ralf,

vielen Dank :)

Nun, in der Schule und auch später in der Apotheke muss es flott gehen. Das heißt im Klartext: die Droge wird etwas zerkleinert durch Mörsern oder auch Auseinanderzupfen mit Pinzette und Präpariernadel, anschließend wird wenig davon auf einen Objektträger in einen Tropfen Chloralhydrat-Lösung gegeben, Deckglas drauf und mit Feuerzeug z.B. erwärmt. Jede Apotheke muss laut Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) ein Mikroskop besitzen, welches eine 600-fache Vergrößerung bietet.

Teebeutelinhalte kann man auch bestimmen, in der Apotheke geht es aber um die geschnittenen Drogen, die wir einzeln abfüllen oder in Teemischungen verarbeiten, diese Drogen sind dann nicht so fein geschnitten wie die Teebeutelware. Immer dann, wenn wir Substanzen, eben beispielsweise Drogen, zur Arzneimittelherstellung beziehen, müssen wir zumindest die Identität feststellen. Die Identitätsprüfung wird zur Dokumentation protokolliert, diese Protokolle müssen fünf Jahre lang aufbewahrt werden.

Meine PTA-SchülerInnen werden ein Schuljahr lang einmal pro Woche in der Mikoskopie der Drogen "trainiert", auch im Pharmaziestudium werden die zukünftigen Apotheker entsprechend ausgebildet.
Wenn also jemand sich in der Apotheke einen Tee mischen lässt: bedenke, was in der Apotheke getan wurde, um die Qualität zu garantieren.

Viele Grüße
Mila

Klaus Herrmann

Liebe Mila,

absolut Spitze dieser Beitrag - sowohl vom wissenschaftlichen Infogehalt als auch von den schönen Wort-Spielereien!
Aber es ist wie in der Schule: ich strecke und werd glatt übersehen :(

Ich hatte noch eine Frage gestellt bezüglich des von Dir zitierten Buches:

ZitatDas Buch ist - wenigstens bezogen auf die von Dir zitierte Seite - sehr informativ. Kann man das auch sonst empfehlen?

In der Verzweiflung - weil ich ja nicht beachtet werde - habe ich das Buch bei Amazon gesucht und eine Rezension gefunden: Bis auf ein paar Fehler sehr schön...
Und nun kommt die Irritation: es gibt seit Oktober die 3. Auflage und auch eine Rezension, aber das ist die selbe wie für die 2. ;D

Nun die etwas präzisere Frage: Hast Du Fehler gefunden? (Ich nehme an, dass Du die 2. Auflage hast?) Kennst Du schon die neue Auflage; wenn ja ist sie besser? Und würdest Du das Buch empfehlen? Es ist ja nicht soo teuer - oder sind es bloß 50 Seiten?

PS: Lass mal Mila über die Rechtschreibprüfung laufen! ???
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Druse

Bitte entschuldige lieber Klaus,

ich hatte Deine Frage gelesen, weiß aber nicht so recht, was ich antworten soll.
Das Buch ist gut, keine Frage, es wurde für PTA-Schüler und Pharmaziestudenten konzipiert.
Wie im Titel gesagt, werden nur Samenpflanzen behandelt.

In der zweiten Auflage gab es einen Fehler bezüglich der Zeichnung einer Thymian-Drüsenschuppe (es sind 12 sezernierende Zellen, in der Zeichnung waren es nur acht), in der dritten Auflage wurde der Fehler korrigiert.

Die Histologie ist gut beschrieben, ich selber unterrichte aber nicht Histologie und Anatomie getrennt, ich erkläre also z.B. nicht, dass es die verschiedenen Gewebe (Festigungs-, Leit-, ...) gibt, sondern ich bespreche Organ für Organ (Blatt, Sprossachse, Wurzel...) und die darin vorkommenden Gewebe. Das bedeutet, dass wir im Buch hin und her springen.

Im Moment ist es für meinen Unterricht das beste Buch.

Ich hoffe, ich konnte nun Deine Frage beantworten,

herzliche Grüße
Mila

Klaus Herrmann

#14
Bei so erschöpfender Antwort kann ich Deine Entschuldigung gerne annehmen liebe Mila! :-*

Meine Frage war ja auch noch etwas unscharf!

Ist ja stark, dass die ausgerechnet bei Drüsen :D einen Fehler machen!

Dann werde ich mir gleich die neue Auflage bestellen in der Hoffnung, dass nicht noch weitere Fehler gefunden werden.

herzlich Klaus
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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