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Ellipsometrisches Okular

Begonnen von Florian D., Juli 17, 2020, 21:30:03 NACHMITTAGS

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derda

Guten Morgen Florian,

ZitatErstaunt sehe ich gerade, dass dieser Thread schon über tausendmal angeklickt wurde.

Was sang Klaus Lage? Tausend mal berührt, tausend mal ist nichts passiert...

So ähnlich geht es mir mit deinem Auflichtbeitrag auch. In der Praxis habe ich mich nie tiefgründig mit Auflichtmikroskopie beschäftigt und bin deshalb auch nicht über diese Problemstellungen gestolpert. Trotzdem ein sehr inhaltsreicher Beitrag, den ich mir abspeichere.

Viele Grüße,

Erik

Florian D.

Berek hat kurz vor seinem Tod  zusammen mit einem Mitarbeiter noch einen Artikel (Zitat s. u.) publiziert in dem er versucht, einen optimalen Wert für die Kompensatorkonstante  Delta des Gipsplättchens zu bestimmen. Ich habe mir den jetzt mal zu Gemüte geführt. Er findet einen Wert von 60 Grad. Die Argumentation verläuft in etwa so:
Die Genauigkeit der Einstellung der Analysator und Kompensatorlage ist begrenzt durch die Einstellung auf absolute Dunkelheit.
Gibt man für die minimal wahrnehmbare Aufhellung einen Schwellenwert vor, so kann man Berechnen, wie der maximale resultierende Fehler in (a,g) (als Vektor aufgefasst, d. h. der Fehler auch in Vektornorm) von Delta abhängt.
Da findet man dann 60 Grad.
Was ich dabei nicht verstehe: Eigentlich interessiert mich der Fehler in a und g gar nicht. Dies sind ja nur Hilfsgrössen, mit denen man Schätzwerte für den Azimut psi und die Elliptizität theta berechnet.
Der Fehler gemeinsame Fehler von (psi, theta) hängt dann aber gar nicht von Delta ab!




Berek, M., and H. MARX. "* THEORIE EINER ABWANDLUNG DER METHODE VON MACCULLAGH, J UND STOKES, GG ZUR ANALYSE ELLIPTISCH POLARISIERTEN LICHTS FUR DEN SONDERFALL LANGGESTRECKTER SCHWINGUNGSELLIPSEN." Optik 3.5 (1948): 444-450.

hugojun

Hallo Florian,

ich konnte bisher den Artikel nicht online finden.
Hast Du antiquarische Quellen?
Gruß
Jürgen

hugojun

Hallo Florian,
beim Schließen oder Öffnen von parallel- zu gekreuzter Stellung der Polarisatoren liegt die relative Zunahme/Abnahme der Intensität
(nicht Amplitude )pro 1Grad bei 18% für eine Drehung von 9° nach 10°, bei 5% für einen Drehung von 34° nach 35° und 1,6% von 64° nach 65 usw...
Ich kann mir nur vorstellen, dass die Ablesefehler von a und g in ähnlicher Größenordnung in die Rechnung für die ,,Schätzwerte"
von Psi und Theta eingehen.

LG
Jürgen


Florian D.

#19
Glückauf Forum,

die Theorie hinter diesem Okular und seinen moderneren Varianten ist ja nicht gerade einfach und ich hatte mit Jürgen (hugojun) schon einen sehr fruchtbaren Austausch zu diesem Thema. Bevor man viel Geld in einen evtl. subobtimalen Kompensator versenkt, ist es sicher interessant, sich zu überlegen, welcher Gangunterschied für diesen optimal ist. Berek und Marx haben hierzu in einem Artikel von 1948 eine Theorie entwickelt, die einen optimalen Gangunterschied von lambda/6 liefert.
Nach Lektüre dieses Artikels sind mir aber gewisse Zweifel gekommen. Insbesondere scheint es mir, dass der Gangunterschied überhaupt keinen Einfluss auf den Fehler hat. Den grössten Messbereich bekommt man mit einem lambda/4 Kompensator. Für diesen Wert werden die Messergebnisse auch besonders einfach interpretierbar. Insbesondere wird der Kompensatorwinkel g gleich dem Azimut psi der Polarisationsellipse und a-g gleich der Elliptizität theta.
Heutzutage ist es Standard, die Wirkungen dieser Polarisationskomponenten auf der sogenannten Poincarékugel zu veranschaulichen, die Berek seinerzeit anscheinend noch nicht geläufig war. In dem anhängenden Entwurf habe ich versucht Bereks und Marx Untersuchung unter diesem Blickwinkel nachzuvollziehen.

PS: Dokument gerade nochmal upgedatet, um die Ergebnisse der letzten Diskussionen zu berücksichtigen.

Viele Grüsse
Florian

Florian D.

#20
Berek und Marx zitieren auch einen Artikel
Turner, Arthur Francis, J. Benford, and W. J. McLean. "A polarized light compensator for oqaque minerals." Economic Geology 40.1 (1945): 18-33,
äussern sich aber sehr negativ: "Es nützt gar nichts, durch irgendwelche Hilfsmittel die Ausschläge der Einstellungen g und a zu vergrössern, ein Weg, der kürzlich als "Verbesserung" einer unter 3) beschriebenen Methode, die ein Vorläufer von 2) ist, amerikanische Forscher 4) beschritten haben. Eine solche Massnahme ist nur schädlich, weil sie den Streubereich dg, da der Einstellungen vergrössert und damit leicht die Gefahr einseitiger Einstellungen mit sich bringt."
Von dem Artikel kann ich leider nur die erste Seite sehen, aber sie schreiben: "The action of these elements is traced on the Poincaré sphere". Tolle  Abbildungen habe ich aber hier auf Seite 20 gefunden: https://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=fJwT_cG8PzMC&oi=fnd&pg=PA1&ots=bK-JZcaiLI&sig=t008LZBI7JQ6sYB0E_zSPLtcXS8#v=onepage&q&f=false
Die Amerikaner hatten da also schon ein besseres Verständnis der Materie. Wohl kriegsbedingt ist man bei uns wohl ins hintertreffen geraten.

PS: Das Buch findet man auch hier: https://calhoun.nps.edu/handle/10945/14633

hugojun

Hall Florian,
ein gelungener Artikel, der die Thematik überschaubarer macht, ohne den Wusch an trigonometrischen Formeln, der leicht den Überblick verlieren lässt.
Die beschrieben Problematik bezieht sich auf den Sonderfall der ,,langgestreckten Ellipsen". Hierunter versteht man elliptisch polarisiertes
Licht hervorgerufen durch anisotrope Minerale im senkrecht reflektierten Licht oder im Durchlicht, dessen Elliptizität gering ist.
Die Kenntnis des absolute Gangunterschied Δ eines Kompensators ist abhängig von der Methode.
Eine Methode wurde von MacCullagh beschrieben und setzt die Kenntnis der Nulllage des Azimut A₀ voraus.

Θ=((A₁-A₀) +(A₂-A₀)) /2

Die abgewandelte Methode von Berek nutzt das Mittel (A₁-A₂) /2 in Verbindung der Kompensator Messung(C₁-C₂) /2
ohne Kenntnis der Nulllage

+-Θ= ((A₁-A₂) /2)-( (C₁-C₂) /2).....

aber der Gangunterschied des Kompensators muss bekannt sein

+-Θ= ((A₁-A₂) /2)-( (C₁-C₂) /2)* (cos2пГ/(λ+1/2(C₁-C₂))

Im Prinzip könnte ich ja einen Kompensator nutzen, der nicht die völlige Dunkelheit erzeugt. Dann würde ich den Winkel A ermitteln,
indem ich auf minimale Helligkeit einstelle, was wegen der Abnahme der Empfindlichkeit des Auges aber Fehlerhaft ist.
Oder man beschreitet den Weg der Intensitätsmessung mit einem Fotoelement bei vorgegebener Intensität. Man stellt dann auf die gleiche Intensität
vor und hinter dem Minimum und mittelt den Betrag. Diese Vorgehensweise haben Cameron und Carpenter 1965 in
,, Photometric Measurements Of Rotation Properties" vorgestellt.
Deinen oben vorgestellten Artikel ,,Turner, Arthur Francis, J. Benford, and W. J. McLean. "A polarized light compensator for oqaque minerals."
muss ich noch lessen.

LG
Jürgen


Florian D.

Hallo Jürgen,

ja, das klingt nach der von Cameron propagierten Methode nach Hallimond, wo man das Azimut psi, oder, in seiner Nomenklatur, A_r aus der Stellung minimaler Helligkeit des Analysators bestimmt.
Interessant finde ich auch folgende Frage: Nach der Analyse von Berek sollte man für den Kompensator eher grössere Phasendifferenzen, lambda/6, verwenden. Anscheinend hat die Phasendifferenz jedoch gar keinen Einfluss, sofern man wie Berek den Hauptfehler in der Einstellung der Dunkellage sieht. Nimmt man einen lambda/4 Kompensator, hat man de facto nur ein leicht modifiziertes Senarmontverfahren.
Für die Vermessung sehr kleiner Phasenunterschiede verwendet man aber gerne Brace-Köhler Kompensatoren mit sehr kleinen Gangunterschieden. Worin besteht deren Vorteil? Ich vermute, in der genaueren Ablesbarkeit von g, bin mir da aber nicht sicher.

Viele Grüsse
Florian

hugojun

Hallo Florian,

In Cameron 1957 ,,APPARATUS AND TECHNIQUES FOR THE MEASUREMENT OF CERTAIN OPTICAL PROPERTIES OF ORE MINERALS IN REFLECTED LIGHT " ,
macht er  folgende Bemerkung:
"Unfortunately, even apart from the potential errors due to inaccurate setting of the mica plate, the method is mechanically unworkable with any microscope
apparatus now available, including the Berek ocular, unless Δx,y closely approaches ΔG."; also einen an die Messsituation angepassten Kompensator ,
leider geht er nicht näher auf die Gründe ein.

LG
Jürgen


Werner

Nur zur Info:
Eine sehr elegante Methode der Drehwinkelmessung gibt es in (Zucker-)Polarimetern, Winkelgenauigkeit 0,0001°:

Ein Glan-Thompson-Polarisator wird zentrisch in einem federgefesselten "Rotor" in einen kleinen (Spaltpol) Elektromotor angebracht. Damit pendelt die Polarisation des parallelisierten Lichtstrahls mit 50 Hz um einen festen Nullwert. Nach Durchlauf durch eine Küvette trifft er auf den Glan-Thompson-Analysator, hinter dem ein Photoempfänger sitzt. Diese Anordnung sitzt im Zentrum einer Präzisionsschnecke, die von einem Servomotor verstellt wird. In allen Stellungen des Analysators wird ein 50-Hz-Intensitätssignal empfangen, außer an der Auslöschstellung, da wechselt die Intensität im 100-Hz-Takt, weil die Polarisation genau im gleichen Betrag zu weit links wie zu weit rechts pendelt. Die 100 Hz sind genau die Mitte, also ein eindeutiges Stoppkriterium. Durch phasenrichtige Auswertung weiß der Servomotor immer, in welche Richtung er zu Null laufen muß. Den Winkelwert gibt ein Encoder her.

Heutige Geräte haben dieselbe Mechanik, aber einen Schrittmotor, dessen Impulse gezählt werden.

Gruß - Werner

Florian D.

Hallo Werner,

ja, das klingt recht schlau, aber bei der Elliptizitätsmessung muss man sowohl den Analysator als auch den Polarisator bewegen, was nicht heisst, dass man das nicht auch elektronisch machen könnte,

Viele Grüsse
Florian

Florian D.

Zitat von: hugojun in Februar 28, 2021, 14:54:05 NACHMITTAGS
Hallo Florian,

In Cameron 1957 ,,APPARATUS AND TECHNIQUES FOR THE MEASUREMENT OF CERTAIN OPTICAL PROPERTIES OF ORE MINERALS IN REFLECTED LIGHT " ,
macht er  folgende Bemerkung:
"Unfortunately, even apart from the potential errors due to inaccurate setting of the mica plate, the method is mechanically unworkable with any microscope
apparatus now available, including the Berek ocular, unless Δx,y closely approaches ΔG."; also einen an die Messsituation angepassten Kompensator ,
leider geht er nicht näher auf die Gründe ein.

LG
Jürgen

Ja genau Jürgen,

ich glaube, das ist der beleg für das, was ich mit dem Einfluss der Ablesegenauigkeit von g meinte.
Wenn Δx,y sehr nahe (aber noch kleiner) als  ΔG ist, so wird psi-g fast 45 Grad, also maximal. Man kann dann zwar nicht mehr die Näherung des Dreiecks der ebenen Geometrie verwenden, aber dieser Grenzfall entspricht dem von ΔG=0 in Bereks Näherung, vergleiche die Abbildungen 4 und 5 in meinem Pamphlet. Der Einfluss der Messunsicherheit in g auf theta geht gegen 0. Dies ist die Begründung, warum du mehrere Kompensatoren mit kleinem Gangunterschied hast und warum Brace-Köhler Kompensatoren besser zur Vermessung kleiner Doppelbrechungen taugen als ein Senarmontkompensator. Der elliptische Kompensator von Berek ist in dieser Hinsicht eine Fehlkonstruktion.

Viele Grüsse
Florian

ortholux

Kleine Ergänzung, da ich wie immer zur Sache wenig beitragen kann, kommt hier immerhin die Seriennummer meines Okulars. Und das ist die 55.

Wolfgang

Florian D.

Hallo Wolfgang,

da verbessert sich unsere Schätzstatistik:
Frequentistisch berechnet sich der Schätzwert für die Zahl der produzierten Okulare zu 70,25.
Mit Bayesstatistik ergibt sich ein Schätzer von 84 mit einer Standardabweichung von 47,18.

Viele Grüsse
Florian

Florian D.

Ich habe jetzt eine kleine Auswerteroutine geschrieben, die auch 2 Beispieldatensätze von Berek enthält. Bei Interesse => PN

Gruss
Florian