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Semi-high-speed-tümpeln

Begonnen von Marcus_S, August 08, 2020, 23:34:34 NACHMITTAGS

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Marcus_S

Moin!

In dem Beitrag https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=38158.0 berichtet Michael Plewka ja über den "Drehsinn der Rädertierchen". Das hat mich zu Experimenten angestachelt. Und da ich mich nicht traue, meine traurigen Ergebnisse dort anzuhängen, da berichte ich lieber hier ein wenig.

Ich habe heute also die ASI178MM geschubst. Und nur einen winzigen Bildausschnitt gewählt, dann geht da doch ein bißchen was. Mit dem 20x/0,75-Objektiv (also etwa 0,26 µm/Pixel), schiefer Beleuchtung mit der 120° offenen Sektorblende, und etwas gedämpfter Lampenleistung und einem zusätzlichen IR-Filter sind am Test-Rädertierchen bei 200*200 Pixeln immerhin rund 560 Bilder/s bei einer Einzelbildbelichtungszeit von 50 µs möglich. Am Licht fehlt es bei dem Objektiv eher nicht nicht, der Kamerachip bekommt die Daten nur nicht schneller weg.

Im ersten selbstgebauten Mikroaquarium (Objektträger, vaselinegetränkte Fadenschlinge, Deckglas) stand das Rädertierchen erstaunlich still und räderte gemütlich vor sich hin. Schön und ästhetisch sind solche briefmarkengroßen Bilder oder Videos natürlich eher nicht, haben aber möglicherweise doch naturkundlichen Wert. Ich kann das aber überhaupt nicht beurteilen, deshalb hänge ich mal ein Einzelbild aus dem Video und ein Daumenkino aus den ersten 60 Einzelbildern (auch wenn die Qualität durch das Umwandeln nicht besser wird) zur Diskussion hier an.


Falls es jemanden interessiert, hier noch ein Auszug aus der Protokoll-Datei des Videos:

Duration=3.567s
Frames captured=2000
ROI=200x200
FPS (avg.)=560
Shutter=0.050ms
Gain=100 (19%)
Gamma=50
HighSpeed=on
Histogramm=58%
Sensor temperature=40.6°C


Da das unkomprimierte Video schlappe 78 MB groß ist, ein wenig komprimiert immer noch rund 11 MB und ich auch kein Video-Portal-Konto habe (und auch nicht haben will), kann ich das Video aber auch nicht rumzeigen. Mich würde aber interessieren, ob es lohnt, da weiter zu experimentieren. Vielleicht weiß ja jemand eine Lösung für dieses Problem.


Viele Grüße von

Marcus

Marcus_S

Moin!

Ich habe heute die Videos nochmal durchgesehen und versucht, auf der Festplatte auszumisten - schwierig, weil bei jedem Angucken für mich immer mehr interessante Details auftauchen.

Aus einem anderen Video des gleichen, sehr geduldigen und kooperativen Tierchens aus der selben Sitzung habe ich spaßeshalber einmal fünf aufeinanderfolgende Frames extrahiert, mit Irfanview zusammengebaut, das Sammelbild mit Fitswork auf das Doppelte vergrößert (damit man einen Hauch mehr erkennen kann) und schließlich mit imPPG 0.6.2. sehr stark geschärft und im Kontrast verbessert.

Das Bild zeigt die fünf Einzelbilder, aufgenommen mit dem 20x, ursprüngliche Auflösung 200 * 200 px, Bildmaßstab nun nach rechnerischer Vergrößerung also 0,13 µm/px. Bildfrequenz 560 Bilder/s, 50 µs Belichtungszeit je Einzelbild.

Ich behaupte: die 50 µs sind durchaus kurz genug, um die Cilien scharf darzustellen. Eine noch schnellere Bildfolge wäre allerdings außerordentlich wünschenswert, wird aber wohl mit der Kamera kaum machbar sein, es sein denn, man verkleinert den Bildausschnitt noch weiter.

Aus den Videos drängt sich mir der Eindruck auf, daß zumindest dieses Tierchen wie in "Asymmetrie" beschrieben mit seinen Cilien kräftig nach innen (also in die "Räderscheibe" hinein) und nach außen schlägt (über der Bildebene = außen, unter der Bildebene = innen). Hier scheinen mir die Cilien eine recht weit ausholende innen-außen-Wellenbewegung vollführen. Mit etwas gutem Willen meine ich mir einzubilden, daß beispielsweise das markierte Cilienbüschel langsam "nach unten" (also nach innen) aus der Schärfeebene abtaucht. Der Auslenkwinkel scheint doch erheblich zu sein, nach außen wohl fast vollständig umgeklappt. Wie weit die Cilien nach innen schlagen, das kann ich noch nicht erkennen. Die Umlaufrichtung der "Welle" scheint mir auch bei diesem Tierchen immer entgegen dem Uhrzeigersinn zu verlaufen, die "Drehzahl" der beiden "Räderscheiben" wirkt gleich. Eine Synchronizität der Trochus-Cililen mit allen übrigen kann ich allerdings aus den Videos nicht erkennen, allenfalls vielleicht mit denen des Rachens. Die Bewegungen der übrigen Cilien wirken etwas unkoordiniert.


Kann man die Rädertierchen eigentlich mit irgendwelchen möglichst dunklen (wg. Kontrast), ggf. eingefärbten Nahrungspartikeln zielgerichtet füttern und den Tierchen dann beim Abendessen zusehen? Wäre sicher mal spannend zu gucken, ob die auch gründlich kauen. Ich meine, in einem Tierchen mal eine Blaualge gesehen zu haben, das war dann wohl sehr gierig.


Viele Grüße von

Marcus

Marcus_S

Moin!

Beim Kontrollblick in die noch durchaus intakten Mikroaquarien habe ich doch noch einmal die Kamera angeworfen. Und einem Glockentierchen auf den Wimpernkranz geguckt. Mit hängen und würgen und überhaupt nicht prozeßsicher bekam ich mit dem 20x-Objektiv bei einer lächerlich winzigen ROI von 168 * 108 Pixeln und einer Einzelbelichtungszeit von 32 µs eine gemittelte Framerate von 938 Bildern/s hin. Damit ist aber mit meinem Gerät endgültig Ende, die 1000/s schaffe ich nicht. Und daß das natürlich kein schönes Bild mehr gibt, ist zumindest mir klar.

Trotzdem - rechnerisch 3fach aufgeblasen und wüst dran herumgeschärft und gestretcht kann man aber auf einem extrahierten Einzelbild immerhin ein paar scharf abgebildete Cilien erkennen, das Video sieht aber irgendwie deutlich ansprechender aus. Allerdings sind die knapp 1000 Bilder/s für dieses muntere Glockentierchen ein wenig knapp. Dennoch ist der "Drehsinn" eindeutig feststellbar: gegen den Uhrzeigersinn.


Nochmal Grüße von

Marcus

Michael

Hallo Marcus,

ich finde Deine Versuche sehr beeindruckend! Schade dass wir Deine Videos nicht sehen können - 938 fps sind der Wahnsinn!

Weiter so,

Michael
Gerne per Du

liftboy

Hallo Marcus,

in der Fachliteratur wird empfohlen Wimperntiere mit Hefe zu füttern, die vorher mit Eosin gefärbt wurde.

Grüße
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

JB

Hallo Marcus,

Mit Phasenkontrast lassen sich Cilien sehr kontrastreich abbilden - wenn Phasenkontrast zur Verfuegung steht lohnt sich der Versuch.

Beste Gruesse,

Jon

Michael Plewka

hallo Markus,
schön, dass Dich der ,,Asymmetrie"-Beitrag dazu inspiriert hat, an diesen Viechern zu ,,forschen" ( was i ch  sehr gut finde!).
Es ist natürlich sehr wichtig zu erkennen, welche  Seite des Viechs in der Fokusebene liegt, denn ansonsten wäre die ,,Dreh"-Richtung nicht eindeutig.  Bei Deinem Viech kann man sehr gut ekennen, dass die Bauchseite im Fokus ist, das erkennt man am V-förmigen, ebenfalls mit Cilien bestzten  Rachen.

Handelt es sich um die gleiche Art wie die, die  Du schon vorher in Fotos gezeigt hast, ist es wahrscheinlich eine Philodina.

Von der technischen Seite her möchte ich  ein paar Aspekte ansprechen.

Du erwähnst eine ,,Dimmung".  Üblicherweise werden LEDs mir PWM gedimmt, womit man  sich ein Problem einfängt: man hat eine weitere Frequenz, die mit der Aufnahmefrequenz interferieren kann. Um dieses Aliasing als Fehlerquelle auszuschalten arbeite ich mit einer gleichespannungsbetriebenen LED.Die Dimmung verursacht ein weiteres Problem: wegen der geringen Lichtmenge ist der Rauschabstand der Aufnahmensehr gering, was vor allem bei dem Ciliaten zu einer sehr künstlichen Hintergrund-Strukturierung des gesamten Bilds führt.Auslandsbedingt kann ich Dein Video nur mit einem IPad mini anschauen, da besteht keine Möglichkeit,  die Wiedergabefrequenz zu ändern. Dein Video ist mit ca 500 fps aufgenommen, d.h. die 60 Bilder  wären nach ca 1/10 sec vorbei. Die Schleife ist aber deutlich länger. Geschätzt vielleicht  1/2 sec, was einer Wiedergabefrequenz von ca. 100 fps entspräche. Welche Wiedergabefrequenz haben wir denn jetzt hier?M.E. wäre es sinnvoll, eine SloMo Einstellung dergestalt zu wählen, dass man eine Verlangsamung  der Bewegung erkennen kann. Dann kann man Bewegungsabläufe besser nachvollziehen als durch Einzelbilder.
Zu Deiner weiteren Frage nach der Fütterung der Rädertiere: wie schon angedeutet funktioniert das mit Karmin-Körnchen. Die meisten der bdelloiden Rädertiere (also diejenigen, die Du hier auch beobachtet hast) sind Bakterien bzw Blaualgenfresser, die die Nahrung mir dem Kauer nicht zerkleinern, sondern nur in den Darm befördern.

Beste Grüße
Michael Plewka

Marcus_S

Moin!

Michael, Wolfgang, Jon und Michael, ich danke Euch für Eure aufmunternden und hilfreichen Anmerkungen. Mal der Reihe nach...


Michael,
dankeschön für Deine Rückmeldung, sowas spornt zu weiterem "Unsinn" an.
Wegen der Sichtbarkeit, das Forum hat eben Grenzen. Aber vielleicht bekomme ich ja mit einem oder ein paar Videos irgendwo im Internet Asyl. Denn auf die ganze Kontenverwaltung und noch ein Paßwort und so habe ich überhaupt gar keine Lust.


Wolfgang,
dankeschön für den Tip, den kenne ich vom Lesen. Eosin wäre mir etwas hell im Kontrast, Nigrosin oder sowas gefiele mir besser.
Weshalb ich fragte: wenn man jemals wieder ein so geduldiges Tierchen finden sollte, dann könnte man so einen hübschen Horrorfilm drehen, wie eine Hefezelle in den Kauer gelangt... Eine unten angehängte, absichtlich absolut unbearbeitete Bilderfolge aus einem Video (Bildabstand ca. 12,8 ms) mit dem 40x-Objektiv (deshalb auch dunkel und der Kontrast ist da nicht mehr so dolle, es fehlte am Licht) mag das illustrieren, wenn da nun ein Partikelchen ins Bild schwimmt...


Jon,
vielen Dank für den Hinweis. Muß ich gelegentlich ausprobieren, aber ich bin mir ganz sicher: für semi-high-speed-Phasenkontrastvideos fehlt das Licht. Phasenkontrast ist aber verfügbar, daran soll es nicht mangeln.
Mit der Schieflicht-Sektorblende ist der Kontrast für viele Objektdetails dennoch recht annehmbar, ich hatte wohl Glück mit der Form und der Position der Blende.


Michael,
vielen Dank für die ausführliche Antwort.

Ich habe bei diesen Drehrichtungsfilmchen versucht, darauf zu achten, daß ich entweder den oberen Teil des Cilienkranzes in den Fokus gebracht habe oder - wenn möglich - bei den Glockentierchen frontal draufgefilmt habe. Gefährlich ist aber der Knopf "Bild spiegeln" in der Aufnahmesoftware...

Wegen der Dimmung: ich beleuchte mit einer guten, alten 30 W-Halogenlampe. Daher sollte mit Aliasing kein Problem entstehen. Helligkeitspulsationen der Halogenlampe habe ich auch noch nicht beobachtet, weiß aber von "halogenangetriebenen" Kaltlichtquellen, wie die im High-Speed-Video aussehen. Offensichtlich ist die Lampenspannung beim Olympus ganz manierlich stabilisiert und gesiebt.

Ich habe versucht, nur soviel Licht wie gerade eben für kurze Einzelbelichtungen nötig einzusetzen, um die Tierchen nicht zu sehr zu blenden. Mit dem 20x/0,75 ist das bequem, das 40x/0,75 wird dann schon dunkel. Mid-Speed mit erheblich viel hellerer Ölimmersion muß ich erst noch ausprobieren. Irgendwann. Habe ja gerade erst damit angefangen und darf noch üben.

Das GIF habe ich mit Picolay mit etwa 20 oder 50 ms "Bildabstand " (weiß ich nicht mehr genau) erstellt. Ins Forum-Format paßten leider nur die ersten 60 der 2000 extrahierten Einzelbilder des Original-Videos. Sonst wird's ja zu groß. Mag aber geeignet sein, um mal eine ganz müde, armselige  Idee davon zu geben, was möglich ist. Seltsamerweise wirkt aber das Video mit seinen gerade mal 200*200 Pixeln beim Abspielen mit dem VLC-Player auch großgezoomt auf mich recht eindrucksvoll. Der kann bei mir bestenfalls 0,02fach "zeitlupen", aber da kann man trotzdem ein bißchen was erkennen.

Wegen der Nahrung: dann kann es ja sein, daß ich in einem Rädertierchen eine "unzerkauerte" Blaualge gesehen habe. Aber wenn die Tierchen nicht kauen - schade, kein Splatter-Film ;-) Vielleicht bekomme ich das mit Fütterungsexperiment-Filmchen ja trotzdem mal irgendwann hin, witzig wär' das ja. Bakterien im Rädertierchen-Rachen dürften vom Kontrast eher schlecht sein, bei Glockentierchen meine ich, Bakterien beim Eingestrudeltwerden gesehen zu haben. Aber Karmin wäre mal ein Versuch wert.

Und zum Schluß frage ich einfach mal direkt: wenn Dich das interessiert und Du gelegentlich mal in das Video reinsehen magst, dann würde ich Dir das in der versandfähig komprimierten Fassung per email zuschicken. Das Ansehen kostet ja nur knappe vier Sekunden Lebenszeit...



Für alle, die auch mit sowas spielen wollen: eigentlich ist das ganz einfach. Eine mittelalte Astro-Kamera auf das Mikroskop setzen, dafür sorgen, daß die Anpassung einigermaßen gut ist, um kein Licht und auch keine Auflösung zu verschenken, normalen USB3-tauglichen Rechner dran und losfilmen. Dabei ist die hier verwendete ASI178MM überhaupt kein Edelteil und noch nicht einmal die schnellste verfügbare Kamera (es gibt da auch noch mindestens eine bunte, die etwa 50% schneller sein soll), aber diese war nun mal schon da.

Was ich aber festgestellt habe: man braucht Licht. Viel Licht. Für eine schön kurze Belichtungszeit. Bisher habe ich mit 32 µs bis 100 µs probiert. Dafür braucht man dann eine helle Beleuchtung und gerne auch alles an Apertur, was eben geht. Und wegen der Empfindlichkeit sollte eine SW-Kamera hier deutliche Vorteile bieten. Für die Cilien sind mindestens 500 Bilder/s definitiv kein Luxus. Es mag schon seinen Grund haben, warum man mit High-Speed-Videos zumindest bei Youtube nicht überschüttet wird. Katzenvideos dürften deutlich häufiger sein...

Aber auch bei etwas geringerer Bildfrequenz so um 300/s gibt es drollige Sachen zu sehen: eingestrudelte Bakterien, vom Glockentierchen wieder ausgespuckte Partikelchen, ein sich kontrahierendes und wieder auffaltendes Glockentierchen, ein den Räderapparat ein- und ausfahrendes Rädertierchen, das Tauziehen eines Glockentierchens mit einem Flagellaten, dessen Geißel dummerweise von dem Glockentierchen eingestrudelt wurde...

Allerdings muß man sich darüber klar sein: sowas ist keine professionelle Hochgeschwindindigkeitskamera, liefert kein Full-HD-Video ab, kostet aber auch nur einen Bruchteil davon. Die Bildrate ist nicht exakt konstant und wird auch von der Rechnerleistung beeinflußt, die Kameras sind auch nicht triggerbar. Um aber erste interessante Einblicke in das Leben der Tümpeltierchen zu gewinnen, da reicht sowas allemal.


Viele Grüße von

Marcus

Marcus_S

Moin!

Und hier noch eine Gute-Nacht-Bilderserie eines Rädertierchens, das gerade seinen Räderapparat einzieht. Jedes fünfte Bild eines gemütlichen Videos, 640*480 px, 100 µs, 252 Bilder/s, "Bildabstand" auf der Tafel also etwa 20 ms. Bilder zur Tafel zusammenstöpselt, die Bild-Tafel schnell und schmutzig in IrfanView unscharfmaskiert und im Kontrast verbessert. Das Tierchen wurde mit seinem Zusammenfalten gerade noch rechtzeitig vor dem Ende des Videos fertig...

Nochmal Grüße von

Marcus




Marcus_S

Moin!

Heute habe ich mal in das andere Gurkenglas geguckt und diesen offensichtlich etwas zu gierigen Kumpel unter ein paar Wasserlinsen hervorgeholt. Wenn der nicht so'n Wirbel gemacht hätte, dann bräuchte der nun auch kein Pflaster...

Ein paar Schnappschuß-Bilder aus einem komprimierten "Normal"-Filmchen (23 Fps, 5 ms) aneinandergehängt und ein klein wenig geschärft und im Kontrast verbessert.


Viele Grüße von

Marcus