Cinetochilum margaritaceum und seine grüne Variante

Begonnen von Martin Kreutz, Juli 31, 2020, 20:24:25 NACHMITTAGS

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Martin Kreutz

Liebes Forum, 
ich möchte hier einen Ciliaten vorstellen, der sehr häufig ist und den sicher alle Tümpler kennen. Es handelt sich um Cinetochilum margaritaceum, der neben Dauergästen wie Cyclidium, Paramecium oder Coleps zu den häufigsten Ciliaten zählt. Dieser Ciliat lässt sich leicht kultivieren in Heuaufgüssen, aber er sammelt sich auch an schwimmenden Deckgläsern oder an der Kahmhaut von alten Proben. Obwohl er so häufig ist und auch in Massen auftreten kann, ist er kein so fotogenes Objekt, da er nur 15 - 40 µm groß ist, meist aber unter 30 µm bleibt. Es gibt daher gar nicht so viele lichtmikroskopische Untersuchungen wie man meinen sollte.
Unter dem Deckglas sammelt sich Cinetochilum gerne um Detritusflocken herum. Dort weidet der Ciliat Bakterien ab. Da er sowohl das Deckglas als auch den Objekträger abweidet und die Ventralseite mit der Mundöffnung immer zur Glasfläche gerichtet ist, kann man Ventral- und Dorsalseite vergleichsweise bequem untersuchen. Zudem ist er nicht deckglasempfindlich und auch kein schneller Schwimmer! Also ein leichtes Objekt, um mal seine stärkeren Objektive auszuprobieren! Um überhaupt ein paar Merkmale zu erkennen, ist mindestens das 40 X angebracht.

Hier eine frei bewegliches Exemplar mit dem 60 X Objektiv. Ein charakteristisches Merkmal von Cinetochilum ist eine Einbuchtung am hinteren rechten Rand, wo auch die Mundöffnung sitzt:


K = Einkerbung

Um Details des Aufbaues dieses Ciliaten erkennnen zu können, muss man die Schichtdicke erheblich reduzieren. Das Deckglas muss quasi dem Ciliaten anliegen. Dann erst liefert das 100 X ganz ansehnliche Bilder und man kann den Ciliaten gut in optische Schnitten betrachten teilen.
Die Ventralseite ist fein gefurcht. Die Furchen (VF) entspringen apikal und verlaufen im Uhrzeigersinn über den Zellkörper. Die hinten rechts liegende Mundgrube ist im optischen Schnitt fast schachtförmig rechteckig. Die rechte Seite der Mundgrube wird von der undulierenden Membran (UM) umfasst. Die adoralen Membranellen (AZM) entspringen vom Grund der Mundgrube und sind im lebenden Zustand ohne Silberimrägnierung kaum zu trennen. Die KV liegt links von der Mundgrube am Hinterende. Makro- und Mikronukleus befinden sich links in der hinteren Hälfe:


VF = ventrale Furchen
Ma = Makronukleus
Mi = Mikronukleus
EX = Extrusome
AZM = adorale Membranellenzone
UM = undulierende Membran
KV = kontraktile Vakuole

Die dorsale Seite ist schwieriger zu untersuchen, da der Ciliat dann auf dem Objektträger ,,läuft" und man eventuell noch durch eine Wasserschicht zwischen Deckglas und Ciliat fokussieren muss, was Auflösung kostet. Die dorsale Seite ist breiter und tiefer gefurcht. Die Furchen verlaufen gegen den Uhrzeigersinn. In den Furchen verlaufen sie Cilienreihen. Dazwischen sind 2-3 µm lange Extrusome (EX) eingelagert. Die Furchen verlaufen bis zum Hinterende und bilden dort einen gekerbten Hinterrand. Aus diesen Kerben entspringen die ca. 15 – 20 µm langen Caudalcilien (CC). Ich konnte 4 erkennen. Es sollen 3-5 sein. Durch Zufall sind mir Aufnahmen von zwei weiteren Ansichten gelungen. Zum einen die laterale Sicht, an der man erkennt, dass der Cinetochilum eher geformt ist wie ein Stück Seife. Das ganz rechte Bild zeigt einen optische Schnitt durch das Hinterende, der mir gelang, als ein Exemplare gerade abtauchte und ich ihn von hinten (posterior) erwischt habe. Durch diese beiden zusätzlichen Aufnahmen kann man sich den dreidimensionalen Aufbau von Cinetochilum recht gut vorstellen: 

   
DF = Dorsale Furchen
MO = Mundöffnung
AZM = adoralele Membranellenzone
KV = kontraktile Vakuole
CC = Caudalcilien

Kahl beschreibt auch eine Form von Cinetochilum margaritaceum mit Zoochlorellen. Diese Form fand ich in früheren Jahren sehr selten im Simmelried, aber inzwischen tritt sie zeitweise in Massen auf. Die Gründe sind mir unbekannt. Die grüne Form von Cinetochilum margaritaceum ist etwas größer und hat auch ein deutlich anderes Verhalten. Während die farblose Form sich in kleinen Kreisen bewegt, schwimmt die grüne Form recht schnell umher und ruht fast nie. Außerdem ist sie noch deckglasempfindlich. Fotos sind also nur mit mehr Aufwand zu erhalten. Die Merkmale stimmen grundlegend mit der farblosen Form überein:




EX = Extrusome
M1 = 1. Membranelle der adoralen Membranellen

Nach meiner Zählung sind 10-15 Zoochlorellen pro Exemplar enthalten. Die Zoochlorellen haben eine Durchmesser von 5-6 µm und scheinen vom Chlorella-Typ zu sein (wobei man sich da täuschen kann). Interessant finde ich, wie die vergleichsweise großen Zoochlorellen durch die kleine Mundöffnung in die Zelle gekommen sind. Irgendein Vorfahr von Cinetochilum margaritaceum var. chlorelligerum muss die Algen ja mal aufgenommen haben. Es bleiben also noch ein paar Fragen ungelöst!

Viel Spass beim anschauen!

Martin

M.Butkay

Hallo Martin,

vielen Dank für diesen wiedermal gut beschriebenen Artikel. Die Bilder habe ich gern angeschaut :), sie sind wie immer top fotografiert und die Erkennungsmerkmale gut beschrieben.

Viele Grüße,

Michael
Captain Kirk (Wächter des Plankton...)

Michael

Hallo Martin,

super - da bekommt ein häufiger Gast bei mir endlich einen Namen. Auf die "grüne" Variante muss ich mal bewusst achten, ich glaube aber, dass die bei mir auch ab und an vorkommt.

Super Bilder und sehr informativ!

Vielen Dank fürs zeigen,

Michael


PS.: Nur um zu zeigen dass ich jedes Wort gelesen habe: Das Bild von hinten ist das ganz rechteste Bild, nicht das ganz linke!  ;)
Gerne per Du

Martin Kreutz

Hallo Michael,

ich baue in meine Beiträge immer einen Fehler ein, um die Leser zu testen! Manchmal sogar mehrere. Gut gesehen! Beim nächsten Mal mache ich es Dir nicht so einfach!

Martin