Antike Mikrofotografie von Henry West ca.1860

Begonnen von Soki, September 13, 2020, 13:08:49 NACHMITTAGS

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Soki

Hallo zusammen,


heute habe ich etwas Außergewöhnliches für Euch.


Es handelt sich um eine Mikrofotografie um 1860.

Diese Stück wurde von dem Optiker Henry West erstellt, welcher über 130 solcher Mikrofotografien in Serie angefertigt hat.


Henry West bezeichnete sich selbst als ,,Optician and Microscopic Photographist" und lebte in London.

Neben John Benjamin Dancer, dem Erfinder und Pionier dieser Technik, gehörte Henry West zu den wenigen, die sich diese Technik aneigneten und Serienproduktionen fertigten.


Interessanterweise gibt es kein bekanntes Foto / Gemälde, das von mehreren Mikrofotografen erstellt wurde. Jeder hatte einen eigenen Katalog mit seinen Stücken und einer entsprechenden Nummer. Das Portfolio wurde von niemandem kopiert.


Dieses Gute Stück besitzt keine Seriennummer und ist vom Meister persönlich beschriftet und unterzeichnet.

Desweiteren handelt es sich um ein Patchwork von über 25 Stücken mit insgesamt 125 Figuren, was meinem Kenntnisstand nach die höchste Anzahl an Einzelfiguren in einer Mikrofotografie ist.


Zur Herstellung:


Es wurde ein gläsernes Negativ einer Fotografie angefertigt. Dieses wurde dann in einer horizontalen Apparatur befestigt, mit einer oder mehreren Laternen beleuchtet und durch ein Mikroskopobjektiv auf eine Kollodium Schicht projiziert. Dieses winzige Stück wurde dann in Balsam auf einem Objektträger montiert und von einem Deckglas  verschlossen.

Der Prozess war vergleichsweise aufwendig und langwierig.


Später hat man die Technik weiterentwickelt und für Spionagezwecke verwendet. Zum Beispiel konnten durch die Verkleinerungstechnik viel mehr Informationen über eine Brieftaube überbracht werden.


Ich hoffe Euch hat die kleine Exkursion in die Vergangenheit gefallen. Auf etwaige Fehler oder Ungenauigkeiten dürft Ihr mich gern aufmerksam machen;)

Über Ergänzungen zu dem Thema würde ich mich ebenso freuen.

Vielleicht hat ja sogar jemand eine Mikrofotografie, die er uns zeigen möchte.


Quellen:


http://www.microscopy-uk.org.uk/mag/indexmag.html?http://www.microscopy-uk.org.uk/mag/articles/winmicph.html


https://www.yumpu.com/en/document/read/12182951/henry-west-1825-1899-microphotograph-slide-microscopy-uk


ABM Übersichtsbild: 5:1 (Stack aus 21 Bildern, um alle Teile scharf zu bekommen)


beste Grüße,

Simon

Soki

#1
hier noch in etwas höherer Auflösung ( 8:1 A=0,20, Stacks aus 37, 34 und 31 Bildern)

Kurt Wirz

Hallo Simon

Vielen Dank für diesen Beitrag, das ist sehr interessant.
Mich erstaunt, dass man schon 1860 solche Mikrofichen herstellen konnte.

Kurt

peter-h

Liebe Freunde der antiken Fotografie,

ich habe vor Jahren Versuche dieser Art unternommen und Bromsilber-Emulsion nach G. Lippmann (1895) auf Objektträger gegossen. Es war eine sehr lehrreiche Arbeit  ;) Einige Beispiele kann ich zeigen.  Selbst eine Nudelpresse für die Emulsion mußte extra gebastelt werden.

Viel Spass
Peter

olaf.med

#4
Lieber Peter,

ich bin sehr beeindruckt von Deinen schönen Präparaten - alle Achtung!

Hier noch etwas historisches aus dieser Schublade, eine Seite der Hamburger Nachrichten aus dem Jahre 1885 von J.D. Möller.

Herzliche Grüße,

Olaf





Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Soki

#5
Hallo Adi,

es freut mich, dass es dir gefällt. Vielleicht fällt dir ja mal eine in die Hände;)

Hallo Kurt,

gerne! Ich bin ebenso fasziniert, dass man diese Fotografien in dieser Zeit in einer solchen Qualität herstellen konnte. Sehr interessant sind sich die Bilder, die zeigen, wie anders alles war. Wie eine kleine Zeitkapsel.

Hallo Peter,

das ist ja genial!!! Vielen Dank fürs Zeigen! Ich glaube dir gern, dass es lehrreich war. Mann benötigt sicher viel Geduld und Feingefühl für diese Handwerkskunst.

Hallo Olaf,

das ist ja mal ein interessantes Exemplar! Ein antikes deutsches Stück sehe ich jetzt zum ersten Mal. Danke fürs Zeigen:)

Grüße,
Simon

Peter V.

#6
Hallo,

zur Erbauung stilvoller Herren, die sich in mikroskopischen Salons zusammenfanden, wurden gerne auch Damen in frivoler Pose und eher leichter Bekleidung mikrofotografisch auf den Objektträger gebannt. Zu dieser Thematik (Legepräparate und Mikrofotografien) gab es vor vielen Jahren einen schönen Vortrag von Matthias Burba auf einer Darmstädter Kornrade.

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

olaf.med

Lieber Peter,

würdest Du uns noch verraten wozu man eine Nudelpresse zur Herstellung einer lichtempfindlichen Emulsion benötigt?

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

D.Mon

Hallo zusammen,

sehr interessantes Thema. Vielen Dank fürs Teilen.

Es erinnert mich ein wenig an Graham Short, der unter dem Mikroskop Texte auf die Schnittkante von Rasierklingen schrieb.

Schöne Grüße
D.Mon
Bitte per "Du" - Martin alias D.Mon
--
Glück kann man nicht kaufen.
Aber man kann ein Mikroskop kaufen und das ist eigentlich dasselbe!
--
Mikroskope: Motic Panthera U, Lomo MBS-10
Kamera: Sony ILCE-6400

peter-h

Lieber Olaf,

die erstarrte Emulsion muß gewaschen werden. Solche "Nudeln" pressen ist die einfachste Version um die Oberfläche zu vergrößern und das KNO3 auszuwaschen.

Schöne Grüße
Peter

Peter V.

Hallo,

zu Themenkomplex "miniaturen" kopiere ich noch einmal einen alten Beitrag von mir:

Solche Skurrilitäten gedeihen offenbar nur in England, wie auch die Arbeiten des in diesem Thread angeführten Willard Wigan

http://www.youtube.com/watch?v=CYRE0TKI5P4

http://www.youtube.com/watch?v=tHFs-r1TpMk

http://www.youtube.com/watch?v=JSgfQ2rJItA

Hier zwei weitere links zu Graham Short:

http://www.youtube.com/watch?v=CIPVLfilaLU

sowie noch einem Miniaturkünstler:

http://twistedsifter.com/2010/08/dalton-ghetti-miniature-pencil-art/

Herzliche Grüße
Peter

PS: Und zum Schluss noch OT, aber auch skurril http://www.youtube.com/watch?v=cagXPY_R444
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

limno

Hallo Simon,
fasziniende Bilder 8) . Schade ist nur, dass man die Bildunterschriften der Karikaturen (aus dem Punch?) nicht entziffern kann. Das ist bestimmt Humor vom Feinsten. Besonders für ältere (politische) Karikaturen habe ich eine Schwäche.
Unverzerrte Grüße von
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Silber_und_Licht

#12
Moin!

Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass diese Technik bereits während des deutsch-französischen Kriegs 1870/71 genutzt wurde um per Brieftauben ausführliche Nachrichten - u.a. ganze Zeitungsseiten - aus dem belagerten Paris zu schaffen.

Maßgeblich daran beteiligt war übrigens ein Photograph namens Gaspard-Félix Tournachon, der unter dem Namen/Pseudonym Nadar berühmt wurde. Er hatte u.a. aus Ballons die ersten Luftbilder überhaupt angefertigt und war zu diesem Zweck auch mit einem Ballon - 1863! - von Paris nach Deutschland gefahren (ein Ballon fliegt nicht, er fährt!), wo er bei Rethem in Niedersachsen etwas unsanft mit Frau, Fluggästen und Photoausrüstung landete. Dies nur, weil oben in einem Beitrag die Fähigkeiten der Techniker und Tüftler des 19. Jahrhunderts mit einer gewissen Ungläubigkeit bestaunt wurde.

Ferner hat Emanuel Goldberg, u.a. auch Vorstandsmitglied im Hause Zeiss, diese Mikrofilmtechnik soweit verfeinert, dass sie Eingang in die Spionagetechnik fand, indem man "Mikropunkte" u.a. auf Notenblättern von reisenden Musikern unterbrachte und so geheimdienstliche Nachrichten übermittelte. Allerdings hatte Goldberg wohl eher an die Herstellung von Messplatten, Mikrometer, Fadenkreuze usw. gedacht. Was ja dann auch vor der Möglichkeit der Präzisionsbedampfung von optischen Glasoberflächen mit Metall auch das Mittel der Wahl war.

.... dass es auch hier in diesem unserem Vaterlande (um mit einem ehemaligen Bandeskunz .... ääh .... Bundeskanzler zu sprechen) mit Herrn Goldberg nicht nur jemanden gab, der diese Technik noch einmal stark verbessert hat, sondern auch jemanden, der diese Technik heute bestens beherrscht: Ralph Nötzel. Die Präparate die ich aus seiner Hand erhalten habe, sind in ihrer Qualität beeindruckend und brauchen den Vergleich mit den alten Stücken nicht zu scheuen, eher im Gegenteil.

Freundliche Grüße vom

Wolfgang

p.s.: Ergänzen möchte ich noch, dass die ursprüngliche Methode aus den 1860/70er Jahren nicht(!) auf einer Gelatineemulsion basiert, sondern auf dem alten Collodium-Nassplattenverfahren von Frederick Scott Archer und Gustave Le Gray aus den Jahren 1850/51. Darauf baute dann Emanuel Goldberg auf und auch Ralf Nötzel benutzt/e dieses verfeinerte, aber im Grunde uralte Verfahren, welches aber eine höhere Auflösung besitzt als die Schichten auf Gelatinebasis. Wenngleich die Verarbeitung komplizierter ist.

Gabriel Lippmann verfolgte jedoch in erster Linie ein anderes Ziel mit seiner nahezu kornlosen Gelatineemulsion. Er stellte damit ein eigenes Farbphotographieverfahren, basierend auf rein physikalischen Interferenzeffekten und ohne Farbpigmente zu benötigen, auf die Beine. Die Firma ZEISS IKON stellte dafür sogar eine eigene Großbildkamera her und führte sie eine Zeitlang im Programm.
"Du" fänd' ich ganz in Ordnung.

das Schönste: ZEISS Lumipan
das Liebste: LEITZ Panphot II, Ortholux
das Beste: ZEISS Axiomat

eine etwas umständliche Vorstellung: www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=28652.0

Soki

Vielen Dank an alle für die rege Teilnahme!! Es wurden viele interessante Infos und Bilder zusammengetragen.

Zitat von: Peter V. in September 13, 2020, 22:34:15 NACHMITTAGS
Hallo,

zur Erbauung stilvoller Herren, die sich in mikroskopischen Salons zusammenfanden, wurden gerne auch Damen in frivoler Pose und eher leichter Bekleidung mikrofotografisch auf den Objektträger gebannt. Zu dieser Thematik (Legepräparate und Mikrofotografien) gab es vor vielen Jahren einen schönen Vortrag von Matthias Burba auf einer Darmstädter Kornrade.

Herzliche Grüße
Peter


Hallo Peter,

davon habe ich schonmal gelesen:)
Einer dieser stilvollen Herren war Anthony J. Didonato.

Zitat von: limno in September 14, 2020, 11:17:38 VORMITTAG
Hallo Simon,
fasziniende Bilder 8) . Schade ist nur, dass man die Bildunterschriften der Karikaturen (aus dem Punch?) nicht entziffern kann. Das ist bestimmt Humor vom Feinsten. Besonders für ältere (politische) Karikaturen habe ich eine Schwäche.
Unverzerrte Grüße von
Heinrich


Hallo Heinrich,

ich schau mir das noch mit einem Objektiv mit höherer Apertur an, vielleicht kann man etwas entziffern. Ich denke aber, dass leider vieles auch dann nicht entzifferbar ist.



Grüße,
Simon

Peter Reil

Hallo,

zwei Beispiele alter Bilder auf Objektträgern kann ich auch beifügen.





Ein paar leicht bekleidete Damen hätte ich auch noch - aber die sind leider nicht ganz jugendfrei.  ;)

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30