Pol-Phasenobejtkive - wozu?

Begonnen von Peter V., April 17, 2012, 20:31:41 NACHMITTAGS

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Peter V.

Hallo in die Geo-Minera-Petrologenrunde,

wozu gibt es zentriebare Pol-Phasenobjektive?

Hezrliche Grüße
Peter
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TPL

Lieber Peter,
mir sind keine aktuellen Pol-Phasenobjektive bekannt und die, die es in den 1950er Jahren mal gab (von Carl Zeiss), waren nicht zentrierbar, sondern mussten mit Einzel-zentriervorrichungen verwendet werden.
Meinst Du die?

LG Thomas

Peter V.

Lieber Thomas,

siehe Bild: Alle Objektive zentriebar und mit Phasenring (naturlich meine ich nur die schwarzen Exemplare)





Nr.:

32 84 30 (Zeiss Winkel)
32 84 33 (Zeiss Winkel)

Beide  Objektive tragen die Becshriftung "POL" und "Ph2" bzw. 3"

2202902 (Carl Zeiss)

Dieses Objektiv (auch mit Phasenring) trägt nicht die Aufrschrift "Ph...-", sondern "ZD2"

Gibt es denn eine Pol-Phasenkontrastanwendung ???

Hezrliche Grüße
Peter
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TPL

#3
Lieber Peter,
danke für die Bilder. Dass ich interesssiert bin, habe ich ja bereits per PM bekundet.

Deine Frage richtete sich auf das "wozu" solcher Pol-Phasenkontrast-Objektive. Ich kann das sicher nicht abschließend erklären, aber Anfang der 1950er Jahre trat Dr. Horst Piller, ein Doktorand eines der damals renommiertesten deutschen Mineralogen, C.W. Correns, in die Zeiss-Winkel-Werke ein. Kein Wunder, denn all dies spielte sich auf wenigen 100 Meter Distanz in Göttingen ab.

Wenn ich es richtig verstanden habe, war den Göttinger Werken zu Anfang der 1950er, im Gegensatz zu den Oberkochener Werken, in denen das W-Stativ ohne klare Pol-Eignung produziert wurde, die Produktion von Pol-Mikroskopen beschieden. Also besann man (d.h. unter der Ägide K. Michels) sich kurzerhand darauf, jedwede mikroskopische Anwendung auf ihre Pol-Eignung zu prüfen und dafür auch wohlkonstruierte Geräte auf den Markt zu bringen. Das zumindest entnehme ich den Prospekten aus dieser Zeit (1951-1955), die vor Ankündigungen zur Kombination verschiedener Kontrastverfahren - darunter eben auch Pol- und Phasenkontrast - nur so strotzen. Es ging dabei darum, einerseits mit Phasenkontrast den Brechungsindex genau zu bestimmen (das ist in Abhängigkeit vom Medium mit PhaKo sehr viel genauer möglich) und außerdem die mineralogische Zusammensetzung (also eben nicht die chemische; für die die AAS, oder später erst, XRF, aufkamen) zu bestimmen. Dafür braucht man spannungsfreie, zentrierbare Optik und einen Phasenring im Objektiv. Nach 1961 war diese Methode bei Zeiss so uninteressant, dass sich dafür in meinen Unterlagen kein Beleg mehr findet.

Verständlich wird die Anwendung vielleicht vor verschiedenen Hintergründen, die ich aber bewusst nur als Möglichkeiten in den Raum werfen will (ich war in dieser Zeit noch nichtmal geboren; habe allerdings auch eine Menge darüber gelesen):

- Die deutsche Kohleindustrie erlebte in den 1950ern einen unglaublichen Aufschwung. Im Zuge dessen gab es auch eine rasante Entwicklung der wissenschaftlichen Untersuchungen, u.a. der Analyse der Partikel in der Atemluft und in den Lungen silikosegepeinigter Kumpels. Zur Analyse solcher Proben waren sowohl Phasenkontrast, als auch Pol-mikroskopische Verfahren hilfreich.

- bis in die anfangs der 1960er Jahre veröffentlichten Lehrbücher der Sedimentpetrologie/ -petrographie wurden diese Methoden auch als Beitrag zur Analyse insbesondere von Tonmineral-Vergesellschaftungen (also den Vorkommen von feinstverteilten Blattsilikaten) in Sedimenten vorgeschlagen. Keine Sorge: das funktioniert - allerdings waaaaahnsinnig aufwändig (Auszählung einzelner Partikel). Eine Weile lang mögen diese wunderbar anschaulichen Verfahren diesen Zweck auch durchaus erfüllt haben, aber schon in diesen 1950er Jahren erschienen wichtige Publikationen zur Röntgen-Diffraktometrie und zur differentiellen thermometrischen, bzw. differentiellen gravimetrischen Analyse (DTA/DGA), die insgesamt den optischen Verfahren "die Show gestohlen haben". Obwohl es ein paar skurrile Irrwege gab (die eingesetzten Immersionsmedien zur Brechzahl-Bestimmung wechselwirkten diesbezüglich teilweise mit den zu untersuchenden Silikaten), finde ich solche Verfahren nach wie vor interessant - und sei es auch nur, weil sie ein anschaulicheres Bild der betrachteten Kristalle ermöglichen, als ein Diffraktogramm oder eine DTA-Kurve.

Die beendung der kurzen Blütezeit der Phako-Pol-Methode lag (Achtung: meine Deutung) weniger an der Wissenschaftlichkeit der optischen Methode, als an ihrer mangelnden Repräsentativität und an ihrer analytischen Komplexität: mit einem blöden Schmierpräparat im Röntgen-Diffraktometer bekam man innerhalb von Minuten eine verlässlichere Aussage als nach höchst aufwändiger Probenaufbereitung und einer mehrstündigen mikroskopischen Auszählung durch einen hoch spezialisierten Wissenschaftler.

Das Raster-Elektronenmikroksop und die "Mikrosonde" haben ähnlich heftige Wunden bei der Anwendung lichtmikroskopischer Verfahren in den Erdwissenschaften gerissen. Einige sind "nur" noch für die Lehre tauglich (ein absolut nicht zu vernachlässgender Wert!). Sic transit gloria mundi...

Sedimentpetrografische Grüße
Thomas

derda

Hallo Peter,

im Produktflyer vom Jenalab-Pol stand zu den Ph-Objektiven folgendes:

ZitatPhase contrast equipment:
The phase contrast equipment (in preparation) comprises two phase contrast objectives and a slide with centrable annular stops which is used in place of the polarizer slide in conjunction with the N. A. 1.25 standard condenser. In phase contrast, minor refractive index differences can be distinguished more easily than by the conventional method with the Becke line. Thus, the sophistication of the immersion method for refractive index determinations is a significant application in the field of geosciences.

Was sich mit dem deckt, was Thomas bereits schrieb.

VG, Erik


Miner

Hallo Thomas,
ich glaube ganz so schnell ist die Röntegnbeugung nun doch nicht. Mit den Geräten aus den 60ern wird man wohl auf ein gescheites Diffraktogram gut und gerne eine Stunde haben warten müssen, ich schätze eher noch länger. Mit modernen Geräten geht es sicher schneller. Der Vorteil ist freilich dass man nach Drücken des Anschalters weggehen und Kaffee trinken kann, anders als bei der mikroskopischen Bestimmung.
Ole

Miner

Gerade fiel mir eine nicht mehr ganz so neue Zeiss-Broschüre zu "Geräten für die Polarisationsmikroskopie" in die Hände. Man hatte damals wohl eine gewisse Hoffnung für Pol-Phasenmikroskopie. Es heißt darin:
ZitatPhasenkontrastmikroskopie mit polarisiertem Licht
Eine Reihe neuerer Arbeiten1 zeigt, dass die Phasenkontrastmikroskopie ein wertvolles Hilfsmittel zur Untersuchung kristalliner und glasiger Substanzen ist, besonders der sehr feinkörningen. Deshalb haben wir die Möglichkeit vorgesehen, die Phasenkontrasteinrichtung in Verbindung mit dem Polarisationsmikroskop zu verwenden. Die ZEISS-Phasenkontrasteinrichtung zeichnet sich durch einfache Handhabung und optimale Phasenkontrast- und Hellfeldwirkung aus.
Zu einer Phasenkontrasteinrichtung gehören Phasenkontrastobjektive und ein Phasenkontrastkondensor. Er enthält eine Revolverscheibe, auf der Kondensorringblenden mit abgestuftem Durchmesser angeordnet und nach dem Umschalten stets in gleicher Weise wirksam sind, um die Reproduzierbarkeit der Kontrasteffekte zu gewährleisten, deren Deutung die Grundlage der kristalloptischen Identifizierung des zu untersuchenden Objektes ist.

1 Vgl. das Literaturverzeichnis im Anhang dieser Druckschrift.
(Es folgt noch eine Beschreibung der verschiedenen lieferbaren Teile.)
Dies bestätigt also das, was Thomas schon ausgeführt hatte.
Ole

Florian D.

Hallo,

ich wärme diesen alten Tread jetzt auf weil ich einen schönen Artikel von eben diesem Horst Piller, den TPS erwähnt, einen leichtverständlichen Artikel zur Phasenkontrastmikroskopie gefunden habe, in dem auch die genannte Anwendung auf die Bestimmung von Brechungsindices und die Bestimmung der Tonminerale beschrieben wird:

https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/BF01112930.pdf

Viele Grüsse
Florian

Reinhard

Hallo Polforscher,

zur Vervollständigung:
Zeiss-Winkel Pol-100-Objektive;
einmal das 100 Pol Öl
und das 100 Pol-Neofluar Öl als Ph3





Viele Grüße
Reinhard
seit wann ist Kunst ein Fehler ?



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