Botanik: Hoher Stauden-Phlox, Flammenblume (Phlox paniculata) *

Begonnen von othum, Oktober 13, 2020, 22:45:11 NACHMITTAGS

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othum

Liebe Mitforisten,
heute möchte ich eine hierzulande häufig anzutreffende, wenn auch hier nicht-heimische Zierpflanze vorstellen: Die Flammenblume, auch Phlox genannt, genauer gesagt vermutlich einen ,,hohen Stauden-Phlox".

Zunächst die taxonomische Übersicht:
Klasse: Bedecktsamer (Eudikotyledonen – Asteriden)
Ordnung: Heidekrautartige ( Ericales )
Familie:    Sperrkrautgewächse ( Polemoniaceae )
Gattung: Flammenblumen (Phlox)
Art: Hoher Stauden-Phlox (Phlox paniculata L. )

Zu dieser Gattung gehören etwa 70 verschieden Arten, die vor allem in Nordamerika beheimatet sind [1]. In unseren Breiten werden sie gerne in Gärten gepflanzt, da sie lange und ausdauernd blühen. Je nach Art als Früh- oder Spätblüher, als ein- oder mehrjährige krautige Pflanzen. Sie bilden hohe (bis zu 120cm) Stauden aus einem im Laufe der Zeit sehr kräftig gewachsenen Rhizom. Je nach Züchtuug hat der Phlox verschiedene Farben, der Name ,,Flammenblume" kommt wohl aus einer roten Wildform.

Der hier vorgestellte Phlox paniculata L. [2] ist mehrjährig, spätblühend mit weißen Blüten. Bild 1 zeigt die Quelle der Probe, bzw. das Habitat.

Bild 1: Der Phlox in meinem heimischen Garten
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Einen ,,Schönheitsfehler" hat der Phlox leider im Allgemeinen: Er ist sehr anfällig gegenüber Pilzbefall, insbesondere gegenüber Mehltau [3]. Das setzt dann der langen Blütenpracht oft ein vorzeitiges Ende.
Bei der Probennahme offenbarte sich nun ein erstes Problem: Um die wochen- und monatelange Stabilität über 100cm großer Stauden zu gewährleisten zeigt sich makroskopisch bereits ein Effekt, den ich im Folgenden auch mikroskopisch beschreiben kann. Die Proben ließen sich nur sehr mühsam schneiden, es bedurfte einer kräftigen Gartenschere, um 4mm Dicke Triebe schneiden zu können. Zur Darstellung der Primärfluoreszenz wurde versucht, frische Schnitte zu schneiden, was nur sehr mäßig gelang. Es konnten selbst mit 70µm Dicke kaum vollständige Schnitte gewonnen werden.
Zum Erstellen von Dauerpräparaten wurde eine weitere Probe für 6 Tage in Strassburger-Flemmingsches Gemisch (Wasser:EtOH:Glycerin 1:1:1)[4-5] gelagert. Das verbesserte die Schneidbarkeit deutlich und es konnten von etwas dünneren Proben halbwegs intakte Schnitte mit 35µm Dicke am Schlittenmikrotom erzeugt werden.

Material & Methoden:
Proben: Ein Teil der Probe wurde frisch geschnitten, ein weiterer Teil der Probe wurde zunächst 6 Tage in Strassburger-Flemmingsches Gemisch (Wasser:EtOH:Glycerin 1:1:1)[4-5] gelagert und anschließend mit 30% Ethanol gespült. Die Proben wurden mit einem Reichert-Jung HN40 Schlittenmikrotom mit Leica 818 Einmalklingen (Deklinationswinkel 150°, Freiwinkel 2°) geschnitten, Schnittdicke 35-70µm.
Die Frischschnitte wurden 3x in Wasser gewaschen und dann direkt in Wasser eingedeckt und mikroskopiert.
Ansonsten wurden die Schnitte der fixierten Proben 3x in 30% EtOH und 3x in Wasser gewaschen und mit W3ASimI[6] gefärbt (7 Min mit einmaligem Erwärmen), mit Wasser gewaschen und in Isopropanol überführt. Diese Schnitte wurden in Euparal eingedeckt und im Wärmeschrank bei 50°C für 1 Woche ausgehärtet.
Mikroskope:  Zeiss Axiovert S100, DL-Halogenbeleuchtung (HAL100) mit KB15 Filter für HF, DF, Ph, bzw. HBO100 zur AL-FL mit IR Sperrfilter und Blauanregungs-Filtersatz (BP450-490; FT 510, LP515), und UV-Anregungs-Filtersatz (BP365, FT395, LP397), Ph-Kondensor mit Klapplinse und NA=0.9, Trinokulartubus mit 2.5x-Projektiv zur Ausleuchtung des ,,Vollformats".
Kamera: Pentax K-1 (36MPx Vollformat), Aufnahmen im RAW Format.
Objektive: EC-Plan Neofluar 2.5x/0.075; PlanApochromat 10x/0.45, PlanApochromat 20x/0.60, Plan Neofluar 40x/0.75, PlanApochromat 40x/0.95 korr., Plan Neofluar 40x/1.30 Öl Ph3, PlanApochromat 63x/1.40Öl DIC.
Aufnahmen: in Lightroom CC Classic entwickelt (Weißabgleich, Belichtungskorrektur, ggf. Sensorflecken entfernt). Für Stacking/Stitching wurde auf 9MPx verkleinert und als TIFF exportiert. Gestackt wurde mit Helicon Focus Pro 7.6.4 (Methode B8/4), gestitcht bei Bedarf mit PTGui Pro 11.28, interaktive (,,zoombare") Versionen der Panoramen mit krpano 1.19 erstellt. In Photoshop CC wurde ggf. freigestellt und der Maßstab eingefügt. Zurück in Lightroom wurde geschärft und fein geschliffen sowie als JPG exportiert, für das Forum hier auf 1280 Px Bildbreite weiter verkleinert.

Ergebnisse
Wie oben beschrieben war das Schneiden der frischen Proben schwierig. Deshalb wird hier auf Übersichtsaufnahmen der frischen Schnitte verzichtet. Trotzdem fällt bei Betrachtung der Schnitte in Auflicht-Fluoreszenz direkt der Grund für die Schwierigkeiten beim Schneiden auf: Obwohl eine krautige Pflanze ist die Probe massiv verholzt!
Bild 2 und 3 zeigt den Ausschnitt eines Schnitts von etwa 4mm Durchmesser. Sowohl in Blau- als auch in UV-Anregung sieht man einen kräftigen Xylemring von etwa 0.6 mm Dicke, selbst das Markparenchym zeigt die typische Fluoreszenz von lignifizierten Zellen. Außerdem zeigen sich auch im Rindenparenchym eine Lage verholzter Zellen sowie eine kräftig fluoreszierende Cuticula.

Bild 2: Ausschnitt des ungefärbten Schnitts in AL-FL (Blauanregung, PlanApochromat 10x/0.45, Stack aus 20 Aufnahmen, Abstand 2 µm)
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Bild 3: Ausschnitt des ungefärbten Schnitts in AL-FL (UV-Anregung, PlanApochromat 10x/0.45, Stack aus 20 Aufnahmen, Abstand 2 µm)
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Bild 4 zeigt einen Ausschnitt aus dem Rindenparenchym in Blau -Anregung. Die Chloroplasten leuchten kräftig rot, die Lage der oben beschriebenen lignifizierten Zellen im Parenchym ist deutlich zu sehen, auch die eher ,,eckige" Form dieser Zellen.

Bild 4: Detailaufnahme des Rindenparenchyms in AL-FL (Blauanregung, EC-Plan Neofluar 40x/0.75, Stack aus 20 Aufnahmen, Abstand 1 µm)
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Auch im einfachen Hellfeld zeigt sich die kräftige Xylemstruktur deutlich. Bild 5 zeigt einen Ausschnitt der gleichen Probe wie für die Bilder 2-4. Man erkennt den Xylemring, die Chloroplasten im Rindenparemchym und im primären Phloem, sowie das Markparenchym (genaue Zuordnung der Zelltypen siehe weiter unten).

Bild 5: Detailaufnahme im HF, (PlanApochromat 10x/0.45, Stack 20 Aufnahmen, Abstand 2 µm)
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Anschließend (Bild 6-9) zeige ich ein paar Detailaufnahmen des Rindenparenchyms im Hellfeld und Phasenkontrast, um die Chloroplasten deutlicher darzustellen.
Bild 6: Detailaufnahme des Abschlussgewebes im HF (Plan Neofluar 40x/1.30 Öl Ph3, Stack aus 28 Aufnahmen, Abstand 1 µm)
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Bild 7: Detailaufnahme des Abschlussgewebes im Phasenkontrast (Plan Neofluar 40x/1.30 Öl Ph3, Stack aus 13 Aufnahmen, Abstand 1 µm)
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Bild 8: Detailaufnahme des Abschlussgewebes im HF (PlanApochromat 63x/1.40 Öl DIC, Stack aus 20 Aufnahmen, Abstand 1 µm)
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Bild 9: Detailaufnahme des Abschlussgewebes im HF (PlanApochromat 63x/1.40 Öl DIC, Stack aus 20 Aufnahmen, Abstand 1 µm)
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Deutlich erhellender sind allerdings die gefärbten Schnitte nach Aufweichen der Probe in Glycerin/Ethanol. Zunächst (Bild 10) eine Übersichtsaufnahme eines mit W3A-SimI gefärbten 35µm Schnitts. Dieser Schnitt wurde an einer etwas weiter oben liegenden, dünneren Stelle genommen (2mm Durchmesser), was das Schneiden weiter vereinfacht hat...

Bild 10: Übersicht des W3A-SimI-gefärbten Schnitts im HF (PlanApochromat 10x/0.45, Panostack aus 11 Stapeln á etwa 20 Aufnahmen mit etwa 2 µm Abstand)
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Hierzu gibt es auch eine hochaufgelöste (60 MPx) interaktive Version zum ,,reinzoomen":
http://www.thum.li/Mikro/Phlox/Bild-10_full/index.html

Auch hier ist nun sehr schön der umlaufende Xylemring zu sehen, diesmal etwas dünner (etwa 200 µm). Zusätzlich kann man aber auch schon einen Sklerenchymring erahnen, beide Ringe sind kräftig rot gefärbt, was auf einen hohen Verholzungsgrad hinweist. Deutlich abgegrenzt sind auch die einlagige Epidermis sowie ein Eckenkollenchym. Sehr schön zu sehen sind auch zahlreiche Trichome (Drüsenhaare).

Bild 11 zeigt den ganzen Schnitt noch einmal im Dunkelfeld, Bild 12 einen stärker vergrößerten Ausschnitt im Dunkelfeld.

Bild 11: Übersicht des W3A-SimI-gefärbten Schnitts im DF (EC-Plan Neofluar 2.5x/0.075, Einzelaufnahme)
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Bild 12: Ausschnitt des W3A-SimI-gefärbten Schnitts im DF (PlanApochromat 10x/0.45, Stack aus 25 Aufnahmen mit etwa 1 µm Abstand)
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Bild 13 zeigt einen Ausschnitt im Hellfeld ohne, Bild 14 mit entsprechender Zuordnung der sichtbaren Zelltypen. Neben dem Xylem und Phloem würde ich die Zellen zwischen Xylem und Markparenchym (auf diesem Ausschnitt nicht zu sehen) als primäres Xylem bezeichnen, lasse mich aber an dieser Stelle gerne korrigieren.

Bild 13: Ausschnitt des W3A-SimI-gefärbten Schnitts im HF (PlanApochromat 20x/0.60, Stack aus 10 Aufnahmen mit etwa 1 µm Abstand)
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Bild 14: Ausschnitt des W3A-SimI-gefärbten Schnitts im HF (PlanApochromat 20x/0.60, Stack aus 10 Aufnahmen mit etwa 1 µm Abstand); wie Bild 13 nur mit Beschriftung
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Bild 15 zeigt noch einmal einen Ausschnitt, bei dem nun neben dem Leitgewebe auch 3 Trichome schön zu sehen sind.
Bild 15: Ausschnitt des W3A-SimI-gefärbten Schnitts im HF (PlanApochromat 20x/0.60, Stack aus 23 Aufnahmen mit etwa 1 µm Abstand)
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Zum Abschluss zeigen Bilder 16-19 noch einmal stärker vergrößert den Bereich des Abschlussgewebes inklusive der Trichome (gleiche Stelle wie Bild 15).
Bild 16: Ausschnitt des W3A-SimI-gefärbten Schnitts im HF (Plan Neofluar 40x/1.30 Öl Ph3, Stack aus 43 Aufnahmen, Abstand 0.5 µm)


Bild 17: Ausschnitt des W3A-SimI-gefärbten Schnitts im HF (PlanApochromat 40x/0.95 korr., Stack aus 63 Aufnahmen, Abstand 0.5 µm)


Bild 18: Ausschnitt des W3A-SimI-gefärbten Schnitts im Phasenkontrast (Plan Neofluar 40x/1.30 Öl Ph3, Stack aus 23 Aufnahmen, Abstand 0.5 µm)


Bild 19: Ausschnitt des W3A-SimI-gefärbten Schnitts im HF (PlanApochromat 63x/1.40 Öl DIC, Stack aus 48 Aufnahmen, Abstand 0.5 µm)




Ich hoffe, Ihr habt es bis hierhin geschafft ;) und Euch gefällt dieser Beitrag.
Ich freue mich über jegliches Feedback.
Bis dahin: Viel Spaß beim Lesen!
Beste Grüße, Oliver



Literatur:

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Flammenblumen
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/ Hoher_Stauden-Phlox
[3] http://www.missouribotanicalgarden.org/PlantFinder/PlantFinderDetails.aspx?kempercode=l610
[4] D. Gerlach, Botanische Mikrotechnik (2.Aufl.), Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1977, Seite 39.
[5] Vortrag von J. Kisser ,,Die Mikrotomie in Biologie und Technik"
[6] http://www.mikroskopie-bonn.de/_downloads/MKB_Artikel_W3Asim_I_und_II_RDM_WSS_110619_1.pdf
Zeiss Axiovert S100 HF/Ph/DF, Auflicht-FL
Zeiss Axioskop 50 HF/Ph/Pol, Auflicht-HF/DF/Pol
Kamera: Pentax K-1

Heiko

Hallo Oliver,

weder Aufwand noch Akkuratesse kann ich, als staunender Betrachter, vernünftig würdigen – höchstens erahnen ...
Kontrast ist ein ,,diffiziles Gewürz", aber bei Deinen Fotos 12 und 13 spaziert mein Hirn durch's Gebirge – einfach genial.

Viele Grüße,
Heiko

D.Mon

Hallo Oliver,

fantastische Bilder. Danke fürs Zeigen.
mir gefallen die ungefärbten Bilder 8 und 9 besonders gut - die anderen aber auch.

Viele Grüße
D.Mon
Bitte per "Du" - Martin alias D.Mon
--
Glück kann man nicht kaufen.
Aber man kann ein Mikroskop kaufen und das ist eigentlich dasselbe!
--
Mikroskope: Motic Panthera U, Lomo MBS-10
Kamera: Sony ILCE-6400


Wutsdorff Peter

Hallo Oliver,
als Laie bin ich überwältigt!
Diese Blume habe ich auch schon in Vorgärten gesehen.
Gratulation zu diesem wunderbaren Beitrag!!
Gruß Peter

Fahrenheit

#5
Lieber Oliver,

vielen Dank für den aufwändigen und interessanten Beitrag mit den klasse Bildern, den ich sehr gerne gelesen habe!
In Bild 14 hast Du unterhalb der Epidermis ein Kollenchym beschrieben, nach Durchsicht aller relevanten Bilder denke ich aber, dass das normales Rindenparenchym ist: der typische Zellwandaufbau des Kollenchyms ist nicht zu erkennen.

Natürlich habe ich Deinen Beitrag auch gelistet.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

othum

Hallo Jörg,

Zitat von: Fahrenheit in Oktober 15, 2020, 06:29:22 VORMITTAG
vielen Dank für den aufwändigen und interessanten Beitrag mit den klasse Bildern, den ich sehr gerne gelesen habe!
In Bild 14 hast Du unterhalb der Epidermis ein Kollenchym beschrieben, nach Durchsicht aller relevanten Bilder denke ich aber, dass das normales Rindenparenchym ist: der typische Zellwandaufbau des Kollenchyms ist nicht zu erkennen.


Vielen Dank für Dein Feedback. Ich habe auch nochmal andere Aufnahmen und andere Schnitte angeschaut. Was mir eh recht komisch vorkam, war, dass es nur in einer Ecke auftrat. Die Zellen sind zwar ähnlich gebaut wie im sonstigen RP, färben aber reproduzierbar anders an.

Inzwischen würde ich sagen: Dort beginnt langsam der Ansatz eines Blatts. Daher vermutlich auch die "Ausbuchtung" des Xylems und des Sklerenchymrings...

Beste Grüße, Oliver
Zeiss Axiovert S100 HF/Ph/DF, Auflicht-FL
Zeiss Axioskop 50 HF/Ph/Pol, Auflicht-HF/DF/Pol
Kamera: Pentax K-1