Video-Stacking - der schnelle Stack für zwischendurch. Am 3D-Beispiel

Begonnen von kmueho, Mai 07, 2021, 00:59:18 VORMITTAG

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kmueho

Hallöle zusammen,

um es gleich vorweg einzugestehen: Die absolut "maximalste" (ich liebe Hyperlative) Qualität ist damit nicht zu erreichen. Es sei denn, man verfügt über ein Aufzeichnungsgerät, dass 5K und höher aufgelöste Videos in HDR und verlustloser Kompression auf einer modernen SSD aufzeichen kann. Aber selbst mit einem alten Handy lässt sich eine brauchbare Qualität erzielen. Eine gute Alternative bietet noch der "Burst-Mode". Viele moderne Kameras können >10 Bilder pro Sekunde für eine ausreichend lange Zeit aufnehmen. Oder 4k in Einzelbildern. Das möge jeder Interessierte bei seiner Kamera einmal nachschauen, was die so "draufhat". Der Videomodus hat aber auf jeden Fall den Vorteil, nicht an eine Zeit- oder eine Anzahl-Bilder-Grenze zu stoßen.

Zum eigentlichen Thema:
Die wenigsten Mikroskopiker haben ein Gerät mit (vertikal) motorisiertem Kreuztisch, der dann auch noch eine Kamera ansteuern kann, um automatisches Fokus-Stacking in vordefinierten "Scheibchen" durchzuführen. Also muss man manuell vorgehen. Immer wieder den Tisch ein Stückchen anheben (oder absenken) und ein Foto machen. Solange, bis man den kompletten Schärfentiefenbereich des abzulichtenden Objekts durch hat. Bei 60 Ebenen (und mehr) kann das dauern. Bei zwei Bildern für 3D doppelt so lange. Und manuell immer schön die gleiche Höhendifferenz zu verstellen ist auch nicht so einfach.

Daher dachte ich mir: Pfeif' drauf! Mach' doch einfach ein Video und verarbeite die Frames als Stack. Eine 4k-fähige (Video-)Kamera benötigt man aber schon. Normales Full-HD mit 1920x1080 Pixeln hat nur 2MPixel Auflösung. Das ist zu wenig. Bei 4k (3820x 2160) sind das gute 8MPixel. Das genügt.

Die Vorgehensweise ist denkbar einfach. Bevor man die Video-Aufnahme startet, ein, zwei Mal üben, am Grob- oder Feintrieb (je nach Größe des Objekts) den ganzen Schärfebereich gleichmäßig in ca. 5 Sekunden abzufahren. Sobald man die notwendige Handbewegung kennt, die Videoaufnahme starten, noch 'ne Sekunde warten und dann schön gleichmäßg "durchdrehen". Anfangs hatte ich die Befürchtung, dass das Rumfummeln am Mikroskop während der Aufnahme zu Erschütterungen führt, die einem die Aufnahme schrotten, aber das hat sich nicht bestätigt. Selbst Amphipleura blieb scharf und eine Notwendigkeit zum Alignment der Bilder entstand auch nicht. Ganz im Gegenteil. In den paar Sekunden wird der Objektträger hübsch an seinem Platz liegenbleiben und genauso schnell hat man alle Bilder im Kasten. Bei Objektiven mit niedriger Vergrößerung und entsprechend großen Objekten kann es beim Fokus-Durchlauf zur Änderung der Vergrößerung kommen. Aber das wäre auch bei Einzelfotos der Fall, und viele Stacking-Programme können damit umgehen.

Nicht umgehen können dagegen viele Stacking-Programme mit Video-Dateien. Photoshop, den ich verwende hat damit keine Probleme. Wer über keine Software verfügt, die entweder das Video direkt stacken kann oder es zuvor als Einzelbilder speichern, kann es ja mit dem eingangs erwähnten Burst-Mode bzw. Foto-Daueraufnahme versuchen. Je nachdem welche Bildfrequenz das Gerät erreicht, muss man dann halt etwas langsamer am Vertikaltrieb drehen. Ich erstelle Videos immer mit 24 Bildern/Sekunde. Das ist üblicherweise die niedrigste Rate, was sich positiv auf die Bildqualität auswirkt. Wer Burst-Shooting bevorzugt und beispielsweise 12 Bilder/Sekunde schießen kann, sollte dann eben den Fokus-Durchlauf auf 10 Sekunden ausdehnen.

Auf das eigentliche Stacking möchte ich hier nicht eingehen, denn dazu gibt es bereits reichlich Threads. Wichtig ist hierbei nur, dass man sich vor dem Stacking die relevanten Bilder raussucht. D.h. die Bilder löscht, wo man anfangs noch nicht am Höhentrieb gedreht hat und am Ende diejenigen, wo man etwas übers Ziel hinausgeschossen ist.


Thema - Teil 2: Stereoskopisches 3D

Mit einem Stereo-Mikroskop 3D-Aufnahmen zu machen, ist nicht sonderlich schwer, da das Gerät ja an den Okularen die benötigten Bilder schon bereitstellt. Dazu nehme man am besten zwei Kameras, dann geht das rucki-zucki. Ich habe mir halt zwei von den Lumia 950 in der Bucht besorgt und die für das Stereomikroskop adaptiert.
Aber hier geht es um ein "richtiges" Mikroskop mit hoher Auflösung/Vergrößerung und eben nur einem Objektiv.

Dazu habe ich erstmal und auf die Schnelle zwei ca. 1mm dicke und 1cm lange Drahtstückchen mit Tesafilm unter einen Objektträger geklebt. Und zwar an den jeweiligen Enden mittig und in Längsrichtung. Fertig ist eine kleine Wippe, auf der man sein Objekt platzieren kann. Dazu muss die Wippe auf dem Kreuztisch seitlich wippen und nicht vor und zurück. Schließlich sind unsere Augen ja neben- und nicht übereinander ;)  Da sich ein 3D-Effekt nur bei Objekten einstellt, die auch eine signifikante Vertikalausdehnung haben, ist das Fokus-Stacking aus Teil 1 zwingend notwendig. Nun braucht man nur noch zwei Bilder von beiden Wippen-Endlagen (als Video) zu "drehen" und hat bereits das Bildmaterial, aus dem sich die 3D-Bilder berechnen lassen.

Eine wichtige Sache ist noch zu beachten: Das Wippen verschiebt das Objekt seitlich und das muss vor der zweiten Aufnahme rückgängig gemacht werden. Zusätzlich muss man sich noch überlegen, welche Elemente des Objekts nachher vor und welche hinter der Bildschirmebene erscheinen sollen. Daher suche ich mir bereits vor der ersten Aufnahme ein signifikantes Merkmal des Objekts aus, das genau auf der Bildschirmebene erscheinen soll. Auf dieses stelle ich scharf und klebe auf den Kameramonitor (in meinem Fall das Handydisplay) ein kleines Dreieck aus Klebeband (Krepp o.ä.) dessen Spitze genau auf dieses Merkmal zeigt. Nachdem das erste Bild geschossen ist und die Wippe auf die andere Stellung umgeklappt ist, stelle ich wieder auf dieses Merkmal scharf und bewege es per Kreuztisch wieder exakt auf die Spitze des Klebebanddreiecks. Jetzt kann ich das zweite Bild "drehen".

So, nun lange genug rumgetextet. Anbei meine ersten beiden Mikroskop-3D-Bilder: Der Kopf einer Motte und die Abtastnadel eines Plattenspielers. Einmal als Anaglyphen-Bild und einmal zum Übereinanderschielen.

Viele Grüße,
Kai



kmueho

ZitatNachdem das erste Bild geschossen ist und die Wippe auf die andere Stellung umgeklappt ist, stelle ich wieder auf dieses Merkmal scharf und bewege es per Kreuztisch wieder exakt auf die Spitze des Klebebanddreiecks

Nachtrag dazu:
Ich bin von meinem Leitz SM-Lux-HL bezüglich Kreuztisch äußerst verwöhnt. Denn der hat in etwa DIN-A4-Abmessungen und wird auch komplett seitlich bewegt. Nun fällt mir gerade ein, dass ja die meisten Stative ihren Kreuztisch nur vor- und zurück bewegen, während die seitliche Bewegung nur den Objektträger auf dem Tisch verschiebt. Daher wird der zitierte Satz nicht funktionieren. Eine Lösung wäre, sich ein Stück Karton (Müsliverpackung o. ä.) auszuschneiden. Und zwar quadratisch mit der Kantenlänge der Länge eines Objektträgers. In die Mitte noch ein 3cm großes Loch für das Duchlicht und das dann auf den Kreuztisch legen und mit dem Objektschieber einklemmen. Darauf dann die Wippe. Dann sollte sich diese auch mit den Stellrädern seitlich bewegen lassen.

Die "Gelegenheit" nutze ich noch für eine weitere Version der 3D-Bilder. Wer über einen 3D-fähigen Fernseher verfügt, kann sich die angehängten Bilder auch damit anschauen. Sie sind für ein 4k-Gerät mit Polfilter-Technik optimiert. Da diese Technik die Vertikalauflösung halbiert, wurden die Bilder "over / under" angeordnet, wobei man ja passend dazu auch die Hälfte der vertikalen Auflösung einbüßt. Aber auch Schutterbrillen-Geräte können das darstellen.

Viele Grüße,
Kai