Interessante Pilzfunde 02 - Rosascheckiger Milchling

Begonnen von Bernd Miggel, Oktober 17, 2020, 18:37:08 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

Hier präsentiere ich einen besonders groß werdenden Pilz, den Rosascheckiger Milchling Lactarius controversus. Man findet ihn, wenn man Glück hat, in großen Herden und Hexenringen bei Pappeln oder Weiden, mit denen er eine Mykorrhiza eingeht. Die Pilze besitzen eine cremefarbene, feinfilzige, bei Nässe schwach klebrige Hutoberfläche, die bräunlich rosafarbene Bereiche aufweisen kann. Die Milch ist bleibend weiß:




Die Lamellen sind zuerst cremefarben und werden nach und nach trüb rosa. Sie stehen sehr dicht, sind stark mit Lamelletten untermischt und ab und zu, besonders Stielbereich, gegabelt:




Schneidet man ein Exemplar durch, erkennt man, dass die Lamellen sehr schmal sind und dass darüber das weiße Hutfleisch wesentlich dicker ist:




Die Fruchtkörper kommen bereits ausgebreitet aus dem Boden, so dass man mit Fug und Recht von "Erdschiebern" reden kann. Der Hutrand ist stark eingerollt, ausgewachsene Exemplare sind mittig vertieft:
Die Hüte können riesige Ausmaße annehmen. Das im nächsten Bild gezeigte Exemplar maß an der breitesten Stelle 49 cm im Durchmesser. Hier erkennt man auch, dass die Stiele kurz und dick sind:




An einem typischen, ausgewachsenen Fruchtkörper misst man beispielsweise:
Hutdurchmesser 22 cm, Stiel 5 x 3,5 cm cm, Lamellen 5 mm breit, darüber das Hutfleisch 14 mm dick, Lamellenzahl 15-16 pro cm, gemessen 1 cm vom Hutrand entfernt.

Geruch - sehr schwach fruchtig.
Geschmack - Fleisch zuerst mild, nach 10 Sekunden sehr scharf und im Hals kratzend, Milch nach 10 Sekunden im Hals kratzend.

Makrochemische Farbreaktionen banal:
1) Eisensulfat - Fleisch rosa, Milch cremefarben
2) Guajak - Fleisch blaugrün, Milch hellbräunlich
3) Kalilauge 30 % - Fleisch und Milch cremefarben bis hellbräunlich.

Sporenpulver reichlich, in der Masse cremefarben mit leicht orange Einschlag.

Die Sporen sind breit ellipsoid bis ausgesprochen länglich, die Ornamentation ist derb gratig-netzig, dabei fast vollständige Netze bildend. Ornamente bis 0,5 µm hoch, stark amyloid, der Hylarfleck ist wenig bis gar nicht amyloid.

Werte einer Probe von 33 Sporen, angegeben ist der 95 %-Erwartungswert der Mittelwerte (Länge L, Breite B, Schlankheitsgrad Q, Volumen V):
L x B: 6,3-6,5 x 4,8-5,0 µm, Q: 1,28-1,35, V: 77-83 µm³

Sporen im Bild:





Das Hymenium (Fruchtschicht) (Maße nach nach Heilmann-Clausen et al. (2000)):

Es wurde für die folgenden Messungen und Fotos ein vollreifer Fruchtkörper verwendet,
um Verwechslungen von Zystiden mit Basidiolen möglichst aus dem Weg zu gehen.


Die Basidien sind viersporig, zylindrisch bis schwach keulig und 40-55 x 7-9 µm groß:




Die Cheilomakrozystiden (echte Zystiden an der Lamellenschneide) sind sehr spärlich. Ihr Inhalt färbt sich in Sulfovanillin bei unserer Art grau bis schwarz. Sie sind dünnwandig, in der Form spindelförmig, flaschenförmig, zylindrisch und terminal oft verschmälert, dort ab und zu mit Köpfchen, 20-30 x 3-4 µm groß. Das folgende Bild zeigt ein Quetschpräparat der Lamellenschneide mit einer typischen Cheilomakrozystide, präpariert in Sulfovanillin:




Die Pleuromakrozystiden (echte Zystiden an der Lamellenfläche) sind nach meinen Beobachtungen deutlich häufiger, in Form und Anfärbbarkeit entsprechen sie den Cheilomakrozystiden, sie sind 25-35 x 3,5-5 µm groß. Das folgende Bild zeigt ein Quetschpräparat der Lamellenfläche mit Pleuromakrozystiden, präpariert in Sulfovanillin:




Im Lamellenfleisch (Lamellentrama) befinden sich auch zahlreiche Milchsafthyphen (Latiziferen). Sie sind dünnwandig, lang geschlängelt, und ihr Ihhalt färbt sich in Sulfovanillin grau bis schwarz:




Die Parazystiden, das sind mehr oder weniger ballon- oder keulenförmige bis zylindrische, dünnwandige, in Sulfovanillin nicht anfärbbare Marginalzellen an der Lamellenschneide, sie messen 10-15 x 3-6 µm.
Die Lamellenschneide ist so gut wie steril, also nahezu ohne Basidien.
Hier ein ca. 30 µm dicker Lamellenschnitt im Bereich der Schneide, gefärbt in SDS-Kongorot. Man erkennt horizontal mittig das aus Sphärozysten bestehende Mediostratum, darauf folgt nach oben und unten das Subhymenium, ganz oben und unten das aus Basidien, Basidiolen und Pleuromakrozystiden bestehende Hymenium. Ganz rechts die Schneide besteht aus Cheilomakrozystiden und Parazystiden, wobei dieser Schnitt nur die Parazystiden zeigt:




Die Huthaut besteht aus einer Schicht ca. 2,5 µm dicker, liegender, verschleimter Hyphen (Ixokutis). Im folgenden ein ca. 30 µm dicker Huthaut-Radialschnitt, gefärbt in der Folge Tannin - Eisen3-Chlorid - Toluidinblau. Man erkennt sehr schön die in einer Schleimschicht eingebetteten, liegenden Hyphen.Das erste Bild mit x10-Objektiv, das zweite mit x40-Öl:






Die Stielhaut besteht aus einer unverschleimten Schicht aufrechter bis schräg nach oben gerichteter Hyphen (Trichoderm). Das folgende Bild zeigt die Stielhaut, angefärbt in der Folge Säurefuchsin - Tannin - Eisen3-Chlorid:




Literatur:
CLÉMENÇON H. (2009): Methods for Working with Macrofungi. Laboratory, Cultivation and Preparation of Larger Fungi for Light Microscopy. – IHW-Verlag, Eching
HEILMANN-CLAUSEN J., VERBEKEN A. & VESTERHOLT J. (2000): The genus Lactarius. Fungi of Northern Europe, Vol. 2. – Svampetryk, Kopenhagen.
https://fundkorb.de/pilze/lactarius-controversus-rosascheckiger-milchling

Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

Peter Reil

Hallo Bernd,

toller Dokumentation!

Am besten gefällt mir der Lamellenschnitt. Tatsächlich Handschnitt?

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

A. Büschlen

Hallo Bernd,

deine Pilz Dokus sind eine Bereicherung!

Eine Frage habe ich zum präparieren und zur Bildbearbeitung: Lassen es deine Färbungen zu, dass du die gefärbten Objekte nach dem färben in Wasser eindeckst? Gerade die Bilder mit den Zystiden würden aus meiner Sicht sehr gewinnen.

Gruss Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.
- Nikon Optiphot I mit HF, DIC.
- Nikon Microphot mit HF, Pol.
- Zeiss Standard Universal mit HF, Ph, Pol.
- Wild M3Z mit Ergotubus.
- Nikon SMZ-U Zoom 1:10 mit ED Plan Apo 1x.

Bernd Miggel

Hallo Peter,

ein Handschnitt, und zwar Einbettung auf dem Objektträger in dickflüssiger Seifenlauge, über Nacht völlig abtrocknen lassen und dann am nächsten Tag unter dem Stemi mit frischer Rasierklinge dünne Scheibchen abschneiden. Geht eigentlich ganz einfach. Das folgende Bild zeigt den Objektträger mit Lamelle in eingedickter, abgetrockneter Seifenlauge, fertig zum Schneiden:




Hallo Arnold,

das habe ich bisher noch nicht ausprobiert, habe immer nur in Sulfovanillin fotografiert. Mal schauen...


Liebe Grüße
Bernd

Rawfoto

Guten Morgen Bernd

Schneidest du da parallel zum Objektträger oder um 90 Grad gedreht!

Spannend, von der Technik habe ich noch nicht gelesen/ gehört.

Liebe Grüße aus den Bergen

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Bernd Miggel

#5
Guten Morgen Gerhard,

geschnitten wird um 90 Grad gedreht. Dann bekommt man einen Schnitt, der sowohl Fläche als auch Schneide beinhaltet. Im Mikrofoto ganz rechts die Schneide, nach links hin die Fläche.

Den Seifen-Tipp habe ich von Prof. Clémençon, Schweiz bekommen. War mir auch neu und hat sich bewährt.

Liebe Grüße
Bernd

Walter Engler

Danke Bernd für diese informative und instruktive Dokumentation.
Toll gemacht.
Diese Art des Einbetten eines kleinen Objektes für einen Handschnitt kenne ich sonst nur mit 10-20 %iger PEG Lösung.
Allerdings habe ich es noch nie mit Lamellen Querschnitten versucht. Danke auch für den Tipp mit Seifenlauge.
Werde es demnächst ausprobieren.

Herzlichen Gruss
Walter

Bernd Miggel

#7
Hallo Arnold,

Zitat von: A. Büschlen in Oktober 17, 2020, 20:54:14 NACHMITTAGS
Eine Frage habe ich zum präparieren und zur Bildbearbeitung: Lassen es deine Färbungen zu, dass du die gefärbten Objekte nach dem färben in Wasser eindeckst? Gerade die Bilder mit den Zystiden würden aus meiner Sicht sehr gewinnen.

Die Sache ist geklärt. Sobald man Wasser durch das in Sulfovanillin eingefärbte Präparat zieht, verschwindet die grauschwarze Färbung. Aber die ist entscheidend! Wichtig ist auch, dass man beim Anmischen von Sulfovanillin 65-70-prozentige Schwefelsäure nimmt, darüber und darunter funktioniert die typische Anfärbung nicht.

Bernd

Bernd Miggel

#8
Hallo miteinander,

meinen herzlichen Dank an Stefan und Bernd P., denen ich die folgenden hervorragenden REM-Scans der Sporen "meines" Lactarius controversus verdanke!






Viele Grüße

Bernd M.

Peter Reil

Hallo Bernd,

beeindruckende REM-Bilder.

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Bernd Miggel

Hallo Peter,

das finde ich auch. Mit Hilfe der REM-Aufnahmen kann man ein bisschen "hinter die Kulissen" der Sporenornamente schauen.

Herzlichen Gruß
Bernd

Blütenfreund

Hallo, Bernd,
erst einmal vielen Dank und große Komplimente für deine Pilzvorstellungen. Diese stellen hinsichtlich Systematik und Umfang wirklich jedes Pilzbuch, dass ich bisher kennengelernt habe, in den Schatten. Besonders gelungen finde ich deine lichtmikroskopischen Sporenbilder, die den Vergleich mit den gezeigten REM-Bildern nicht zu scheuen brauchen, sich wunderbar ergänzende Darstellungsarten aus zwei Strahlungswelten !
Ich habe an dich als Großpilzler eine Frage:
kennst du selbst dich aus oder weißt du jemanden, der mit Schimmelpilz-Morphologie vertraut ist ?
Ich habe ins Bestimmungsforum Makro-Bilder eins möglichen Schimmelpliz-Befalls im Inneren von Walnüssen eingestellt.
Die Frage, worum es ich dabei handelt, bewegt mich mittlerweile seit Jahren.
Beste Grüße
Ulrich

Bernd Miggel

Hallo Ulrich,

dann würde ich es mal hier versuchen. Für spezielle Fragen zu Pilzen ist man da gut aufgehoben. Oben rechts die Lupe ist der Such-Button.

Herzliche Grüße
Bernd