Interessante Pilzfunde 11 - Weißer Birkenritterling

Begonnen von Bernd Miggel, Oktober 24, 2020, 10:39:51 VORMITTAG

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Bernd Miggel

Heute möchte ich einen in allen Fruchtkörperteilen weißen Lamellenpilz vorstellen, den Weißen Birkenritterling Tricholoma stiparophyllum (N. Lund) P. Karst. Ein ebenso passender deutscher Name ist Gerippter Gasritterling. Man findet ihn vorzugsweise unter Birken, mit denen er eine Mykorrhiza eingeht. Die gefundenen Exemplare wuchsen auf einer Böschung direkt neben einer Straße bei Birke und Salweide.
Der Pilz kann recht groß werden, das noch junge Exemplar auf dem Foto ganz rechts besaß einen maximalen Stieldurchmasser von 22 mm. Christensen et al. 2013 gibt Hutdurchmesser bis 140 mm an.
Die Hutoberfläche ist glatt und bei Feuchtigkeit etwas klebrig, der Rand ist wellig und bei jungen Exemplaren eingerollt. Das Fleisch ist weiß, fest, brüchig und über den Lamellen dick.
Geruch und Geschmack sind bei dieser Art unverkennbar: Der Pilz riecht unangenehm, stinkt geradezu unbeschreiblich und schmeckt scharf.



Die Lamellen sind, wie es bei vielen Ritterlingsarten der Fall ist, ausgerandet angewachsen. Sie sind stark mit Lamelletten untermischt, in Stielnähe selten einmal gegabelt, die Schneiden sind glatt. Über Dicke, Breite und Dichte der Lamellen kann man anhand der noch recht jungen Exemplare nichts Endgültiges aussagen.

Das Myzel ist weiß.

Die Basidien sind in etwa keulenförmig und viersporig, außerdem besitzen sie eine Basalschnalle. Die beiden folgenden Bilder stammen von einem Exsikkat. Ein Lamellenfragment wurde in GSM aufgeweicht, in SDS-Kongorot gefärbt (beides nach Clémençon), danach wurde Wasser durch das Präparat gezogen.

Basidie mit vier Sterigmen, umgeben von Basidiolen (junge Basidien):




Basidiolen mit Basalschnallen:




Das Sporenpulver ist weißlich.

Die Sporen sind klein, ellipsoid bis mandelförmig, glatt, dünnwandig, hyalin und besitzen mittig einen Tropfen.
Werte einer Probe von 30 Sporen, angegeben ist der 95 %-Erwartungswert der Mittelwerte (Länge L, Breite B, Schlankheitsgrad Q, Volumen V):
L x B: 5,3-5,7 x 3,6-3,8 µm, Q: 1,44-1,53, V: 37-43 µm³

Die Sporen, mikroskopiert in Wasser:




Der Hut ist bei feuchtem Wetter etwas klebrig. Deshalb lohnt es sich, die Huthaut auf Schleim hin zu untersuchen. Die beiden nächsten Bilder zeigen das Vorhandensein von Schleim.

Zuerst ein Handschnitt von ca. 30 µm Schnittdicke in der klassischen TER-Schleimanfärbung (Tannin-Eisenchlorid). Der Schleim färbt sich hierbei in unterschiedlichen Grautönen, was in den oberen 80 µm der Huthaut sichtbar wird. Die Bereiche zwischen den Hyphen färben sich hier in einem mittleren Grau, was auf Schleim hindeutet. Unterhalb sind die Lücken nur hellgrau bis weißlich, was auf weniger Schleim bzw. schleimlos hinweist:




Ein in SDS-Kongorot gefärbter 30 µm dicker Huthaut-Mikrotomschnitt ergibt das nächstfolgende Bild. Hierin sind die obersten 80 µm heller als das darunter liegende Gewebe gefärbt. Da Kongorot eine schleimabweisende Färbeeigenschaft besitzt (Schleim ist kongophob), kann man schlussfolgern, dass die oberen 80 µm der Huthaut leicht verschleimt sind. Da die Hyphen der obersten Schicht außerdem schräg nach oben gerichtet sind, hat man es hier mit einem sogen. Ixotrichoderm zu tun:



Die Hyphen sind etwa 3-8 µm dick und besitzen an den meisten Septen ausgeprägte Schnallen:




Systematik - CHRISTENSEN, M. et al. (2013) platziert die Art in die Sektion Lasciva Bon.

Verwechslungsmöglichkeiten
Tricholoma alba (Schäff.: Fr.) P. Kumm. bleibt kleiner, besitzt einen gleichmäßigen Hutrand, ist Eichenbegleiter, riecht lt. Literatur aromatisch und mehlartig, schmeckt mild und ranzig-mehlig.

Funddaten
Beleg-Nr. – div20004, Schiltach
Funddatum – 20-10.2020
Fundort – Schiltach, auf Wiese am Straßenrand, in größerer Anzahl, heller Standort.
Koordinaten – 32U 451079 5348319, MTB 7716/11, 320 Mtr.
Begleitbäume – Betula pendula, Salix caprea
leg: Otto Schäfer, det: Otto Schäfer & Bernd Miggel


Literatur
CHRISTENSEN, M., HEILMANN-CLAUSEN, J. (2013): The genus Tricholoma. Fungi of Northern Europe, Vol. 4. - Svampetryk, Kopenhagen.
GRÖGER, F. (2006): Bestimmungsschlüssel für Blätterpilze und Röhrlinge in Europa, Teil 1. - Regensburger Mykologische Schriften 13: 444-467.
GALLI, R. (2003) I Tricolomi. Como.
KIBBY, G. (2017): The genus Tricholoma in Britain. - Geoffrey Kibby.
KIBBY, G. (2020): Mushrooms and Toadstools of Britain & Europe Vol. 2, Agarics - part 1. Geoffrey Kibby.
https://fundkorb.de/pilze/tricholoma-stiparophyllum-wei%C3%9Fer-birkenritterling-gerippter-gasritterling

Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080


Peter Reil

Hallo Bernd,

wieder eine sehr schöne Dokumentation von dir!

Ich habe die Art noch nie gefunden.

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Bernd Miggel

Hallo Peter,

danke für das Lob, das gibt mir eine Menge Auftrieb für weitere Fundberichte.
Was mir noch ganz schön Probleme macht, ist die Anfärbung verschleimter Hut- und Stielhäute. Da bin ich für jede Anregung dankbar!

Liebe Grüße
Bernd

jcs

Hallo Bernd,

ebenso wie Deine anderen Threads, ist auch dieser spannend und interessant, sowohl aus mikroskopisch-technischer als auch aus botanischer Sicht. Sind schon faszinierende Wesen, diese Pilze!

LG

Jürgen