Rot und nicht rot - Teil 3: Lithotelmata

Begonnen von Michael Plewka, November 04, 2020, 07:37:14 VORMITTAG

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Michael Plewka

Hallo zusammen,

In den ersten beiden Teilen wurden Kombinationen (1) Haematococcus - kein roter Magen,
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=38898.0
und
(2) Haematococcus - roter Magen vorgestellt.
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=38964.0

Nach dieser Logik kommt  also hier nun  die Kombination (3): kein Haematococcus - trotzdem roter Magen.  In diesem Thread gibt es insofern eine Erweiterung, als sich die Farbe nicht nur auf den Magen, sondern auch auf das Integument beziehen soll.
Wie schon zuvor mal dargestellt, habe ich in diesem Jahr in der Bretagne viele Felspfützen  (Lithotelmata) an der Küste mikroskopisch untersucht. Schon an den Pfützen selbst kann man erkennen, dass wahrscheinlich kein Haematococcus zu finden ist, was sich dann auch bei sorgfältiger Untersuchung bestätigt:




Ein Rädertier, das  hier gefunden wurde, ist  der folgende Morphotyp: man könnte annehmen, dass es  Philodina roseola ist, allerdings gibt es einige Merkmale, die nicht  mit dieser Art übereinstimmen:



Im 1. Teil wurde schon auf die Schwierigkeit bei der Interpretation der Literatur hingewiesen. Hier das Beispiel der Darstellung des Kopfs von P. roseola:


Es zeigt sich auch hier wieder, dass verschiedene Autoren dieselbe Art sehr unterschiedlich gezeichnet haben.  Die  in der Bretagne gefundene Form hat eine deutlich andere Oberlippe bzw. extrem starke Wülste zwischen dieser und den Räderscheiben. 
Weiterhin fällt  die schmale Korona auf; die Zahnformel mit 3/3 Hauptzähnen ist anders als bei P. roseola (2/2), und die Sporen sind kürzer. Auch diese Form hat einen roten Magen, Haematococcus ist nicht vorhanden; die Viecher ernähren sich von Cyanobakterien, möglicherweise  Croococcus sp. es handelt sich somit nicht um P. roseola, sondern eine andere Art. Ich hab sie mal Philodina sp.3 genannt.
Mehr dazu hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Philodina%20sp_3_cf_roseola.html

Dieser Fund legt somit den Schluss nahe, dass  es bestimmte Arten gibt, welche die Carotinoide  aus  Algen bzw. Cyanobakterien nicht abbauen (können) bzw. z.T. anders verstoffwechseln (s.u.), wie Bernd schon zuvor vermutet hat. Dieses wird auch durch verschiedene Arbeiten bestätigt. Man kann  also die bdelloiden Rädertiere möglicherweise unter diesem Aspekt  in zwei Gruppen unterteilen:

1.solche, welche  die Enzymausstattung für den Abbau der Carotinoide haben
und
2.solche, welche diese Ausstattung nicht haben und diese evtl. anders verstoffwechseln.

Da dieser Unterschied genetisch bedingt ist, liegen wahrscheinlich unterschiedliche Arten vor.
Es mag also sein, dass die im 1. Teil vorgestellte P. acuticornis die relative großen Haematococcus-Flagellaten rein mechanisch garnicht verspeisen kann; aber diese Art verstoffwechselt wahrscheinlich außerdem die  Carotinoide der Acutodesmus-Grünalgen (und möglicherweise auch der Cyanobakterien) , so dass diese optisch  nicht auffallen.  Demnach  könnte   der nicht-rote Mageninhalt  und das  farblose Integument von P. acuticornis als Artmerkmal angesehen werden.

Exkurs:
An dieser Stelle möchte ich ein fast klassisch zu nennendes Beispiel anführen, das schon vor mehr als 100 Jahren in der Antarktis entdeckt wurde: Philodina gregaria. Hier ein Bild:



Ansammlungen von diesem Rädertier sind dort schon mit bloßem Auge  als rote Flecken erkennbar. Dort gibt es Haematococcus nicht; deshalb müssen die Carotinoide von anderen Organismen stammen. Auch bei dieser Rädertier-Art  sind es Cyanobakterien, deren Carotinoide aufgenommen werden..

Es stellt sich nun natürlich die Frage: hat das Rädertier einen Vorteil von diesen Carotinoiden?.
Ohne ins Detail zu gehen:  Carotinoide absorbieren UV-Strahlung, wirken  also als ,,Sonnenschutzmittel".
Insbesondere in Gebieten mit hoher Sonneneinstrahlung, wie eben z.B. die Antarktis, aber auch in der Felsküste der Bretagne, kann man sich vorstellen, dass Carotinoide somit die Wahrscheinlichkeit für Strahlenschäden bzw. Genmutationen senken.

In den Lithotelmata der Bretagne habe ich  demzufolge häufig Rädertier(arten) angetroffen, die eine Rotfärbung des Integuments und/ oder der Gonaden aufweisen. Hier ein paar Beispiele:

1.Die folgende Form hat große Ähnlichkeit mit der im 1. Teil vorgestellten P. acuticornis, doch hat dieses Rädertier eben nach dem oben Dargelegten eine anderen Stoffwechsel, der zu einem roten Magen und einem rötlichen Integument führt. Außerdem sind hier zwei ,,Spitzchen" im Sulcus (zwischen den Räderscheiben) , was in anderen Fällen als ein Merkmal bewertet wird, welches  diese  Form als eigene  Art qualifiziert. Ich habe diese Art als Philodina sp.7 gekennzeichnet:




Mehr dazu hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Philodina%20sp_7_aremorica.html


2. In anderen Lithotelmata ließ sich dann auch mal wieder die Abrochtha intermedia finden, wobei diese in zwei verschieden Varianten auftrat; einmal mit rotem Magen, so wie ,,gewohnt":



Ca. 1Meter daneben aber auch in einer rötlichen Variante mit gelbem Magen (?? andere Art??):




Mehr dazu hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Abrochtha%20intermedia.html

3.Ähnlich von der Farbgebung her ist diese Adineta,  die nicht in der Literatur beschrieben ist. Ich hab sie mal als Adineta sp.34 bezeichnet:



Sie hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einer neu beschriebenen Art aus der Antarktis : Adineta emsliei. Letztere  wird als endemisch angesehen, aber das kann sich ja ändern....
Mehr dazu hier:

http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Adineta_sp_34.html

Viel Spaß beim Anschael ] beste Grüße
Michael Plewka