Interessante Pilzfunde 08 - Leberbrauner Milchling

Begonnen von Bernd Miggel, November 10, 2020, 12:07:42 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

Hallo,

Vor ein paar Tagen stieß ich in meinem Kartierungsgebiet Waldmoor-Torfstich bei Kiefern auf eine Gruppe des Leberbraunen Milchlings Lactarius hepaticus Plowr. Beim Fundort handelt es sich um einen sauren Nadelmischwald auf Torfboden mit Moor- und Waldkiefern, Fichten und einzelnen Moorbirken. Die im weiteren gemachten Angaben beziehen sich auf den Fund.

Das erste Bild zeigt drei Fruchtkörper des Fundes. Die Hüte dieses recht kleinen Milchlings sind bis 35 mm breit, schon früh ausgebreitet, alt trichterförmig, z.T. paarweise zusammengewachsen, trocken, matt glänzend, sich wie Wachs anfühlend, gleichmäßig trüb schokobraun, dunkelbraun, lederbraun, leberbraun (Kornerup & Wanscher 6E-F8). Der Hutrand ist heller und im Gegenlicht durchscheinend gerieft. Die Lamellen sind viel heller als der Hut, blass orange (5A-B3), sie laufen etwas am Stiel herab und sind gedrängt, stark untermischt, quasi ungegabelt, dünn und bis 4,5 mm breit. Der Stiel misst bis 44 x 8 mm, ist enghohl, schwach glänzend, trocken, glatt, sich knorpelig anfühlend, gleichdick, meist verbogen, dunkel rotbraun (9D-E5-6). Das Basalmyzel ist weiß. Das Fleisch ist in etwa rotbraun (8C5), geruchlos und im Geschmack leicht bitter. Die Milch ist weiß, gilbt aber auf einem Papiertaschentuch spontan, schmeckt leicht bitter und kratzt im Hals.




Im nächsten Bild sehen wir den Standort, den man mit trocken und hell beschreiben kann. Außer den oben genannten Baumarten waren folgende Begleitpflanzen erkennbar: Blaubeere, Besenheide, Ordenskissenmoos, Grünstengelmoos, Etagenmoos, was auf einen sauren, trockenen Boden hinweist:




Wenden wir uns nun dem Hymenium, den Lamellen zu. Um ihre Struktur zeigen zu können, sind Schnitte erforderlich, siehe die folgenden vier Bilder. Hier wurde manuell mit der Rasierklinge geschnitten, und zwar auf einem Objektträger, in Seife eingebettet, am Stereomikroskop. Eingefärbt wurde mit SDS-Kongorot.
Das erste Bild zeigt eine komplette Lamelle mit dem innenliegenden Mediostratum und dem außenliegenden Bereich der Sporen tragenden Basidien und der Zystiden. Recht interessant: Der Bereich der Lamellenschneide, rechts oben im Bild, ist bei diesem Schnitt verschleimt und deshalb undeutlich. - Korrektur: Es handelt sich um Seifenreste von der Präparation




Im zweiten Bild sehen wir die Lamellenschneide im Detail. Der Schleim ist bereits abgeschwemmt, und Man erkennt, dass die Schneide steril ist, also keine Basidien besitzt:




Das dritte Bild zeigt die Lamellenfläche im Detail in gewollt hoher Kontrasteinstellung. Hier sind zwei Pleuromakrozystiden in ihrem spitz zulaufenden Apikalbereich zu sehen. Die Basidien sind viersporig:




Nun zu den Sporen. Sie sind subglobos bis breit ellipsoid und besitzen ein stark amyloides Ornament. Dieses Ornament ist bis zu 0,5 µm hoch (maximal 0,7 µm), warzig-gratig, wobei das Ornament fast vollständige Netze bildet. Der Hilarfleck färbt sich bei unserer Art mit Melzers Reagenz nicht an. er ist also inamyloid.
Als Maße gebe ich hier von einer 24 Sporen umfassenden Probe die 95-prozentige Schätzung der Durchschnittswerte an (L = Länge, B = breite, Q = Schlankheitsgrad = L/B, V = Volumen = 0,523 x L x B x B:
L x B = 7,2-7,7 x 6,0-6,3 µm         Q = 1,18-1,25         V = 137-162 cµm




Als letzten, sehr wichtigen Punkt behandeln wir die Huthaut. Es zeigt sich, dass bei Lactarius hepaticus die Epikutis verschleimt ist. Der Schleim wird allerdings in wässrigen Flüssigkeiten leicht ausgeschwemmt, so dass beim Färben, Mikroskopieren und Fotografieren, Eile geboten ist. Bei den folgenden drei Bildern handelt es sich um Handschnitte.
Das erste Bild wurde mit Tannin-Eisen gefärbt. Schleim und Hyphenwände färben sich dabei grau. Wir sehen also eine verschleimte obere Hyphenlage, darunter eine sehr dichte, hier fast schwarz erscheinende Subkutis und ganz unten das aus Hyphen und Sphärozysten bestehende Hutfleisch, die Trama:




Die beiden nächsten Bilder wurden in H2O-Kongorot ("Kongowasser") gefärbt. Schleim ist kongophob, d.h. er färbt sich mit Kongorot kaum an. Diese Eigenschaft wird hier ausgenutzt.

Das folgende Bild zeigt dies in der Übersicht: Oben horizontal die hell erscheinende, verschleimte Epikutis, darunter die Subkutis und die Trama. Ganz oben wurde der Schleim bereits wieder ausgewaschen, so dass sich dieser Bereich rot färbt:




Das letzte Bild zeigt die Huthaut im Detail. Hier kann man auch die Hyphenstruktur der Epikutis beurteilen. Da die Hyphen teilweise schräg nach oben ragen, tailweise waagerecht liegen, und da die Epikutis verschleimt ist, sprechen wir bei Lactarius hepaticus von einem Ixotrichoderm im Übergang zu einer Ixokutis:





Literatur:
BASSO, M.T. (1999): Lactarius Pers. Fungi Europaei 7. - Mykoflora. Alassio.
CLÉMENÇON, H. (2009): Methods for Working with Macrofungi. Laboratory, Cultivation and Preparation of Larger Fungi for Light Microscopy. – IHW-Verlag, Eching.
HEILMANN-CLAUSEN, J., VERBEKEN, A. & VESTERHOLT, J. (2000): The genus Lactarius. Fungi of Northern Europe, Vol. 2. – Svampetryk, Kopenhagen.
KORNERUP A. & WANSCHER J.H., 1981: Taschenlexikon der Farben. - Kopenhagen.
https://fundkorb.de/pilze/lactarius-hepaticus-leberbrauner-milchling



Herzliche Grüße

Bernd


Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080







Peter Reil

#1
Hallo Bernd,

ein super Beitrag mit tollen Fotos über einen schönen Milchling, der erst spät im Jahr erscheint - vielen Dank!
Er scheint ortshäufig zu sein.
Die Verschleimungen an der Lamellenschneide sind für mich neu.
Zu ergänzen gibt es da eigentlich nichts.

Was ich beitragen kann, ist eine Zeichnung der Mikromerkmale, die ich bei früheren Funden angefertigt habe.

Freundliche Grüße
Peter



Sporen, Cheilozystiden, Pleurozystiden, Huthaut, Stielrinde

PS: Welches Programm benutzt du eigentlich zum Messen?
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Wutsdorff Peter

Hallo Bernd,
ich erstarre vor Ehrfurcht ob dieser tollen Bilder.

kann man denn diesen Pilz essen?
Denn: Alle Pilze sind essbar, manche nur einmal.
Gruß Peter

jcs

Hallo Bernd,

kann mich meinen Vor-Postern nur anschließen, spannende und interessante Informationen über einen nicht alltäglichen Pilz, untermauert mit eindrucksvollen Aufnahmen.

Jürgen

Bernd Miggel

#4
Hallo,

kleine Korrektur zu meinem Beitrag: Der angebliche Schleim an den Lamellenschneiden (3. und 6. Bild) hat sich als Seifenrückstand herausgestellt. Man sollte also nach dem Schneiden sorgfältig spülen, um alle Seifenreste zu beseitigen. :-[

Viele Grüße - Bernd