Interessante Pilzfunde 01 - Gebänderter Hainbuchenmilchling

Begonnen von Bernd Miggel, November 17, 2020, 22:36:38 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Bernd Miggel

Es ist schon ein besonderes Erlebnis, wenn einem Mitte November der Gebänderte Hainbuchenmilchling Lactarius circellatus begegnet. So erging es mir vor ein paar Tagen, als ich mir ein kleines Feldgehölz mit alten Stieleichen, Hainbuchen und Haselnusssträuchern anschaute. Lactarius circellatus geht eine Mykorrhiza ausschließlich mit Hainbuchen ein!



Bild 1 - Alte, mehrstämmige Hainbuche am Standort, Spätherbstaspekt.


Die im Weiteren beschriebenen Merkmale beziehen sich auf den Fund!


Makroskopische Merkmale

Die drei folgenden Bilder zeigen den Fruchtkörper am Standort, vom dicken Herbstlaub fast verdeckt. Mit 50 mm Hutdurchmesser und 45 mm Stiellänge ist der Fruchtkörper für diese Art eher klein geraten, was für den Spätherbst aber möglicherweise typisch ist.
Hut gezont, blass graubraun, Oberfläche klebrig, Rand eingerollt, ungerieft und glatt.
Stiel zylindrisch, etwas gebogen, grau mit heller Basis. 12 mm dick.
Lamellen cremefarben (am Exsikkat trüb orange), etwas gedrängt, stark mit Lamelletten untermischt, in Stielnähe ausgerandet ("Burggraben") und ab und zu gegabelt.
Fleisch weißlich, nahezu geruchlos, im Geschmack schärflich.
Milch weiß, graugrün eintrocknend, scharf schmeckend.


Bild 2 - Deutlich erkennbar ist der konzentrisch gezonte Hut.



Bild 3 - Hutrand eingerollt, Lamellen untermischt, Stiel zylindrisch, Basis aufgehellt.



Bild 4 - Lamellen ab und zu in Stielnähe gegabelt, Milch weiß.


Mikroskopische Merkmale


Sporen breit ellipsoid, gratig und warzig, Grate oft überkreuzend, V-förmig oder zebriert angeordnet. Ornamente meist bis 0,6, maximal 0,9 µm hoch und deutlich amyloid. Hylarfleck nicht amyloid oder nur halbkreisförmig am Rand. Hier von 22 repräsentativen Sporen der 95-prozentige Erwartungswert der Durchschnittswerte (L = Länge, B = breite, Q = Schlankheitsgrad = L/B, V = Volumen = 0,523 x L x B x B):
L x B = 6,3-6,7 x 5,3-5,6 µm         Q = 1,16-1,23         V = 92-110 cµm



Bild 5 - Sporen in Melzers Reagenz: breitellipsoid, gratig-warzig, Ornamente bis 0,6 µm hoch, Hilarfleck meist inamyloid.



Hymenialbereich

Basidien 4-sporig, zylindrisch mit verschmälertem Basalbereich.
Pleuro- und Cheilomakrozystiden zahlreich, zylindrisch bis spindelförmig, in Sulfovanillin mit schwärzenden Inhaltsstoffen.

Die Bilder 6 und 7 zeigen die Lamelle im Schnitt, gefärbt in SDS-Kongorot, Bild 6 die Lamellenfläche, Bild 7 den Bereich der Schneide. Bild 6: innen das aus Sphärozysten und Hyphen bestehende Mediostratum, weiter außen die hier hell abgebildete Subkutis, ganz außen den Hymenialbereich. Da Bild 7 unmittelbar an der Schneide keine Basidien zeigt, ist zu vermuten, dass sie steril ist.



Bild 6 - Schmitt der Lamellenfläche in SDS-Kongorot. Die Pleuromakrozystiden überragen weit die Basidienfront.



Bild 7 - Schnitt der Lamelle im Bereich der Schneide, gefärbt  in SDS-Kongorot. Der unmittelbare Bereich der Schneide (ganz rechts) ist steril.



Bild 8 - Quetschpräparat der Lamellenfläche in Sulfovanillin. Pleuromakrozystiden zahlreich, mit schwärzenden Inhaltsstoffen.



Bild 9 - Lamellenschneide in Sulfovanillin. Cheilomakrozystiden zahlreich, Inhaltsstoffe schwärzend. Im unteren Bildteil die geschlängelten, stark schwärzenden Latiziferen.



Huthaut

Um Huthautstruktur bei Milchlingen darzustellen, fertigt man Schnitte an und färbt diese am besten mit Kongorot. Ist der frische Hut und/oder Stiel klebrig, schleimig oder fühlt sich irgendwie wie Wachs an, liegt die Vermutung einer verschleimten Epikutis nahe. Dann sollte man zusätzlich eine spezielle Schleimanfärbung durchführen.

Da sich der Hut unseres Fundes klebrig anfühlte, wurde die klassische Tannin-Eisen-Schleimfärbung durchgeführt (Bild 10), wobei sich der Schleim und die Hyphenwände grau färben. Außerdem wurden Schnitte in SDS-Kongorit (Bild 11 links) sowie in NH3-Kongorot (Bild 11 rechts) gefärbt.
Bild 10 zeigt eine etwa 80 µm dicke Schicht verschleimter, liegender Hyphen (Ixokutis), darunter eine Schicht stark verdichteter Hyphen (fast schwarz erscheinende Subkutis), ganz unten das aus Hyphen und Sphärozysten bestehende Hutfleisch (Huttrama).



Bild 10 - Huthautschnitt in Tannin-Eisen. Oben verschleimte Schicht liegender Hyphen (Ixokutis)



Bild 11 - Huthautschnitt in SDS-Kongorot (links) sowie in NH3-Kongorot (rechts). Wie man sieht, ist das kongophobe Verhalten des Schleims (Schleim weist Kongorot ab) nicht immer wirksam.


Eckdaten

Fund - ein einzelner kleinerer Fruchtkörper
Funddatum - 13.11.2020
Fundort - Baden-Württemberg, Gemeinde Straubenhardt, Biotop "Feldgehölz W Langenalb"
Koordinaten - WGS84 N48,841962;E8,486933
Begleitgehölze - Carpinus betulus, Quercus robur, Corylus avellana
Standort - trocken, Halbschatten
Begleitpilzarten - Inocybe geophylla, Lepista nuda, Tricholoma lascivum, Amanita rubescens
leg. & det. - Bernd Miggel
Beleg-Nr. - div20013,fwl


Ähnliche Arten
In einem Gebiet, in denen Hainbuchen und Haselnusssträucher gemischt vorkommen, ist eine Verwechselung mit dem ähnlich aussehenden Haselmilchling Lactarius pyrogalus (Bull.: Fr.) Fr., einem Mykorrhizapilz des Haselnussstrauchs,  durchaus möglich. Allerdings ist der Haselmilchling auf dem Hut ungezont, die Lamellen stehen weiter entfernt und sind stärker in Richtung Orangegelb gefärbt.

Material, Methoden, Arbeitsgeräte

Fotos am Fundort: Smartphone Moto-G7+
Mikrofotos: Digicam Canon EOS-600D auf Mikroskop Olympus BHS
Sporen: gefärbt in Melzers Reagenz
Hymenium: Vom Exsikkat angefertigt. Zum Aufweichen für 3 Stunden in GSM nach Clémençon eingelegt.
Sämtliche Schnitte manuell mit Rasierklinge unter dem Stereomikroskop
Lamellenschnitte: Seifeneinbettung zum Schneiden. Bilder 6 und 7gefärbt in SDS-Kongorot, Bild 9 in Sulfovanillin
Lamellenflächen-Quetschpräparat Bild 8 gefärbt in Sulfovanillin
Bild 10: 5 Min. Tannin 3 % in Borsäure 2 %, gründlich gewaschen in Wasser, 5 Min. FeCl3 5 % in Wasser, mikroskopiert in Wasser
Bild 11: Färbung links in SDS-Kongorot. rechts in NH3-Kongorot



Literatur
BASSO, M.T. (1999): Lactarius Pers. Fungi Europaei 7. - Mykoflora. Alassio.
CLÉMENÇON, H. (2009): Methods for Working with Macrofungi. Laboratory, Cultivation and Preparation of Larger Fungi for Light Microscopy. – IHW-Verlag, Eching.
HEILMANN-CLAUSEN, J., VERBEKEN, A. & VESTERHOLT, J. (2000): The genus Lactarius. Fungi of Northern Europe, Vol. 2. – Svampetryk, Kopenhagen.
KORNERUP A. & WANSCHER J.H. (1981:) Taschenlexikon der Farben. - Kopenhagen.
VERBEKEN A. et al. (2018): Lactarius Per. In: Flora Agaricina Neerlandica, Volume 7. - Candusso Editrice, Origgio.
https://fundkorb.de/pilze/lactarius-circellatus-geb%C3%A4nderter-hainbuchenmilchling


Viele Grüße
Bernd


Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

D.Mon

Hallo Bernd,

die beitrage Deiner Serie "Interessante Pilzfunde" schaue ich mir sehr gerne an.
Auch diesmal sind es wieder sehr schöne Bilder und ein interessanter Bericht.
Danke fürs Posten.

Viele Grüße
Martin
Bitte per "Du" - Martin alias D.Mon
--
Glück kann man nicht kaufen.
Aber man kann ein Mikroskop kaufen und das ist eigentlich dasselbe!
--
Mikroskope: Motic Panthera U, Lomo MBS-10, Orthoplan mit DIC
Kamera: Sony ILCE-6400

Bernd Miggel

Hallo Martin,

danke, ich freue mich über jede Antwort. Und mir machen diese Fundberichte auch richtig Spaß.

Ein bisschen Werbung für die Internetsite von Sven Kögel und mir: https://russula-micro.com/

Hier sind die Beschreibungen (linke Seite) zu finden bei: Pilze anderer Gattungen und Russula-Funde 2020, 2018, 2017.

Viele Grüße
Bernd

Jürgen Boschert

Lieber Bernd,

auch von mir ein herzliches Dankeschön für Deine lehrreichen Pilzbeiträge, eine Freude sie anzuschauen. Erst hast Du uns die Holzkunde nahegebracht, jetzt erweiterst Du unseren Horizont noch um die Pilze - Danke !

Das sieht ja fast so aus, als würdest Du an einem Pilzbuch arbeiten ?
Beste Grüße !

JB

Bernd Miggel

#4
Hallo Jürgen,

zum Buch habe ich viel zu wenig Zeit. Man kann aber problemlos die Beiträge kopieren, in ein doc-File einfügen und ggf. in pdf wandeln.
Diese Beiträge hier fallen sozusagen bei meiner Pilzkartierung an.

Herzlichen Gruß
Bernd

jcs

Hallo Bernd,

wieder einmal professionelle Bilder mit vielen Informationen, die man woanders in dieser Tiefe wohl kaum findet.

Jürgen

Peter Reil

#6
Hallo Bernd,

wieder mal ein ausführlicher Beitrag von dir. Ich wünschte, ich würde solche Schnitte hinkriegen.
Ich bin mal so frech und hänge noch ein Bild an.



Lactarius circellatus: Sporen, Cheilozystiden, Pleurozystiden, Huthaut, Stielrinde     

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Bernd Miggel

#7
Hallo Peter,

... und ich wünschte, ich würde solche Zeichnungen hinkriegen!
Besonders gelungen finde ich die Sporen. Bei den beiden oberen ist die Zebrastruktur einiger Grate deutlich erkennbar.

Liebe Grüße
Bernd

Peter Reil

Zitat von: Bernd Miggel in November 21, 2020, 22:04:19 NACHMITTAGS

Besonders gelungen finde ich die Sporen. Bei den beiden oberen ist die Zebrastruktur einiger Grate deutlich erkennbar.


Hallo Bernd,

das Lob kann ich so natürlich nicht ganz stehen lassen. Bei der Sporenzeichnung war die hilfreiche Hand von Heike beteiligt.  ;)

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

A. Büschlen

Hallo Bernd,

deine Färbeergebnisse sind sehr gelungen! Zur Färbemethode mit SDS-Kongorot habe ich eine Frage: Könnte das gefärbte Objekt, hier die Lamellenquerschnitte, für die Foto-Dokumentation mit Wasser eingedeckt werden, so dass der Bildhintergrund nach der Bildbearbeitung weiss erscheint?

@ Peter: sehr gekonnte Zeichnungen! Arbeitet ihr mit einem Zeichentubus?

Gruss Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.
- Nikon Optiphot I mit HF, DIC.
- Nikon Microphot mit HF, Pol.
- Zeiss Standard Universal mit HF, Ph, Pol.
- Wild M3Z mit Ergotubus.
- Nikon SMZ-U Zoom 1:10 mit ED Plan Apo 1x.

Bernd Miggel

Hallo Arnold,

... hätte ich tun sollen!!  :-[

Herzlichzen Gruß

Bernd

Peter Reil

Hallo Arnold,

ja, ich nutze (und brauche!) den Zeichentubus am Olympus BH2. Hyphen, Zystiden, Basidien u. ä. lassen sich sehr bequem zeichnen.

Bei Sporen ist es nicht ganz so einfach, aber sehr ähnlich wie das Stacken beim Fotografieren.  ;)

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Holger Adelmann

Hallo Bernd,

tolle, für mich ganz ungewöhnlicher Bilder aus der Pilz-Histologie.
Warum nimmst Du Kongorot? Ist das nicht ein Fettfarbstoff?

Ich hatte mal irgendwo gelesen, dass Orseillin BB sehr schön selektiv die Pilzstrukturen färbt und sich klar differenzieren lässt.

Viele Grüße,
Holger

Bernd Miggel

Hallo Holger,

Kongorot ist eine Standard-Reagenz zum Anfärben der Wandungen von Hyphen und anderer Strukturelemente bei Pilzen.
Orseillin BB kenne ich (noch) nicht. Hast du vielleicht einen Link auf Anwendungen bei Großpilzen?

Viele Grüße
Bernd

Holger Adelmann

Hallo Bernd,

ich weiss nicht ob das bei Großpilzen funktioniert, aber im Krauter (Mikroskopie im Alltag) gibt es einen Hinweis wie man damit umgeht, einen Versuch ist es vielleicht wert.
Es scheint ein insgesamt wenig bekannter Farbstoff zu sein, aber ich hatte in einem Konvolut von Chroma noch etwas davon bekommen.
Ich gebe Dir gern etwas ab zum Testen ab, wenn Du mir Deine Postanschrift via PN sendest.

Viele Grüße,
Holger