Botanik: Anglikanischer Weihnachtsschmuck - Ilex aquifolium + Spross & Parasit *

Begonnen von Fahrenheit, November 22, 2020, 09:54:50 VORMITTAG

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Fahrenheit

*** 03.12.2021 - Ergänzung zum Spross am Ende des Fadens ***

Liebe Pflanzenfreunde,

Beim Pilzesuchen begegnet man immer wieder der Europäischen Stechpalme mit ihren im Herbst leuchtend roten Früchten und glänzenden, stachelbewehrten Blättern. Die Sträucher etablieren sich selbst in Fichtenwäldern, sobald nur eine kleine Lücke etwas mehr Licht zum Boden durch lässt. Die zähen Blätter wollte ich mir dann doch auch einmal unter dem Mikroskop ansehen.

Bild 1: Zweig der Europäischen Stechpalme mit reifen Früchten


Zunächst einige Informationen zur Pflanze selbst - hier gibt es viel zu sagen, das wird was länger ...

Die Europäische Stechpalme (Ilex aquifolium), auch Gewöhnliche Stechpalme, Gemeine Stechpalme, Hülse (englisch: Holly) oder nach dem botanischen Namen Ilex genannt, ist die einzige in Mitteleuropa heimische Pflanzenart der Gattung der Stechpalmen (Ilex) innerhalb der Familie der Stechpalmengewächse (Aquifoliaceae). Sie wurde dieser Tage zum Baum des Jahres 2021 in Deutschland gewählt.
Es existieren viele regional unterschiedliche Trivialnamen für die Europäische Stechpalme, wie das für Pflanzen mit kultureller Bedeutung üblich ist. In Deutschland ist etwa Hülse/Hölse, Hulstbaum gebräuchlich. Dieser Bezeichnung verdanken die Orte Hülsede, Hüls, Hüllhorst, Hülsenbusch, Hülscheid oder der Geburtsort von Annette von Droste-Hülshoff ihren Namen. Die Stadt Hüllhorst führt den Ilex offiziell als Kennzeichen (Jugendcafé Ilex, Ilex-Halle usw.). Aus der englischen Bezeichnung (engl.: holly) ist der Name des wohl berühmtesten Stadtteils von Los Angeles, Hollywood abgeleitet.

In der Eifel und im Hunsrück gibt es die Bezeichnung als Walddistel. In Österreich wird die Pflanze auch als Stechlaub (Vorarlberg), Schralab, Schradl oder Schradlbam (Ober- und Niederösterreich) bezeichnet. In Teilen Altbayerns wird die Pflanze auch als Wàxlàwà bezeichnet. (Erste Silbe entweder von ,,Wachs", oder dem altbairischen Adjektiv wàx für ,,scharf", demnach also ,,Wachs-" oder ,,Scharf-Laub[er]")

Ilex aquifolium findet sich in Gebieten mit milden Wintern und nicht zu trockenen Sommern wie dem atlantisch beeinflussten Europa. Im Mittelmeerraum, Südosteuropa und Nordafrika kommt Ilex aquifolium nur in Hochlagen mit entsprechendem Klima vor, in Mitteleuropa im Flachland und im Alpenvorland bis in Höhenlagen von 1800 Metern aufsteigend.
Außerhalb Europas kommt Ilex aquifolium in Nordafrika, im Kaukasusraum und im nördlichen Iran vor. Die Nordgrenze ihrer natürlichen Verbreitung deckt sich etwa mit dem Verlauf der 0-°C-Januar-Isotherme. In der Mitte des 20. Jahrhunderts erstreckte sich ihr natürliches Vorkommen nur bis Dänemark und ins südwestliche Norwegen, in den vergangenen Jahrzehnten hat sie ihr Areal jedoch nach Norden und Nordosten hin ausgeweitet, was mit dem Anstieg der Wintertemperaturen in diesem Zeitraum in Verbindung gebracht wird. Sie wurde an der Küste Norwegens bis 63 °N nachgewiesen und hat an küstennahen Standorten im südlichen Schweden und auf Bornholm Fuß gefasst.

In Deutschland kommt die Europäische Stechpalme im Bereich des Mittelgebirgsgürtels vor allem westlich des Rheins, im Schwarzwald, im nördlichen Tiefland und im Alpenvorland auch weiter östlich vor. Sie steht nach der Bundesartenschutzverordnung unter besonderem Schutz. In Österreich, wo sie sonst selten ist, finden sie sich zerstreut in Vorarlberg; in Wien, Kärnten und Osttirol fehlt sie. Im östlichen Alpengebiet ist sie stark gefährdet.

Ilex aquifolium ist außerhalb ihrer angestammten Vorkommen als Neophyt verwildert und wird in Kalifornien als invasive Art bewertet, sodass sie auf der dortigen ,,State Invasive List" aufgeführt ist.

Bevorzugt wächst die Europäische Stechpalme auf nährstoffreichen und kalkarmen, lockeren oder auch steinigen Lehmböden. Sie scheut Licht und gedeiht am besten im Halbschatten oder Schatten. In Mischwäldern wächst die Strauchform, da sie viel Schatten verträgt. Die Stechpalme bildet Wurzelsprosse und wächst deshalb oft in großen Beständen. Man findet die Europäische Stechpalme in Mitteleuropa zerstreut, aber meist gesellig vor allem in Buchen- und Buchen-Tannen-Wäldern, auch in frischen Eichen-Hainbuchen- oder Eichen-Birkenwäldern.

Bild 2: Ein Ilex aquifolium Busch in einem Fichtenwald im Rheinland


Die Europäische Stechpalme ist ein immergrüner, aufrechter, ein- oder auch mehrstämmiger, 1 bis 5 Meter hoher Strauch oder ein 10 bis 15 Meter hoher, dicht verzweigter Baum mit kegelförmiger Krone. Junge Zweige sind grün und dicht behaart, verkahlen jedoch, wenn sie älter werden. Auch die Rinde des Stamms bleibt lange grün und bildet erst spät eine dünne schwarzgraue Borke. Die Stämme der Baumform können Durchmesser von bis zu 150 Zentimeter erreichen. Die Pflanzen werden bis zu 300 Jahre alt.

Bild 3: Unterschiedlich stark bestachelte Blätter an einem fruchtenden Zweig


Die wechselständig angeordneten Laubblätter sind in Blattstiel und Blattspreite gegliedert. Der Blattstiel ist 10 bis 15 Millimeter lang. Die Blattspreite ist relativ dick und ledrig, auf der Oberseite glänzend dunkelgrün und unterseits gelbgrün. Die Form der Blattspreite ist elliptisch und am oberen Ende zugespitzt. Der Rand von Blättern aus den unteren Bereichen der Pflanze ist auf beiden Seiten mit Stacheln versehen, die alternierend aufwärts und abwärts geneigt sind. Mit zunehmender Höhe der Pflanze lässt die Bestachelung nach und es treten vermehrt auch völlig stachelfreie Blätter auf.

Bild 4: Männliche (oben) und weibliche (unten) Blüten des Ilex aquifolium

Aus Wikipedia, von User Tigerente, CC BY-SA 3.0

Die Blütezeit liegt am Ende des Vollfrühlings und reicht von Mai bis Anfang Juni. Die Europäische Stechpalme ist zweihäusig (diözisch). Die doldigen Blütenstände stehen in den Achseln vorjähriger Blätter. Es ist ein nur kurzer Blütenstiel vorhanden.

Die unscheinbaren, eingeschlechtigen Blüten sind bei einem Durchmesser von etwa 8 mm radiärsymmetrisch und meist vier-, selten fünfzählig mit doppelter Blütenhülle. Die 4 oder selten 5 Kelchblätter sind an ihrer Basis verwachsen. Die vier oder selten fünf weißen, manchmal rötlichen Kronblätter sind an ihrer Basis verwachsen. In den männlichen Blüten ist nur ein Kreis mit 4 oder selten 5 Staubblättern vorhanden.

Die bei Reife roten Steinfrüchte sind bei einem Durchmesser von 8 bis 10 Millimetern kugelig, erbsenförmig, glänzend und saftig. Sie enthalten vier Steinkerne, die die Samen enthalten. Die Fruchtreife tritt ab Oktober ein.

Bild 5: Fruchtender Zweig


Bei der Europäischen Stechpalme handelt es sich um einen skleromorphen (austrocknungstoleranten) Phanerophyten. Die Bestäubung erfolgt durch Insekten, vor allem Bienen. Trotz der wehrhaften Blätter wird vor allem im Winter das feste Laub vom Wild verbissen. Die immergrüne Stechpalme ist im Winter auch ein beliebter Schlafplatz für kleinere Vögel und Überwinterungsstätte für Zitronenfalter.
Die Samen werden von Amseln und Drosseln, Rotkehlchen und Mönchsgrasmücken verbreitet (Endochorie, Verdauungsausbreitung). Den Vögeln schaden die Giftstoffe der Früchte offenbar nicht. Die Früchte werden erst weich und für Vögel essbar, wenn sie mehrmals Frost bekommen haben; sie können den ganzen Winter ohne zu verderben an der Pflanze bleiben und stellen ein sehr wichtiges Winterfutter für die Vögel dar.

Bild 6: Illustration zur Europäischen Stechpalme


In gemäßigten Gebieten wird die Stechpalme als Zierpflanze in Gärten und Parks angepflanzt. Neben der Wildform sind mehrere Kulturformen im Handel, teils mit anderer Blattgestalt und anderen Blattfarben. An der Westküste der USA, in den Bundesstaaten Kalifornien, Washington, und Oregon sowie in der kanadischen Provinz British Columbia wurden Plantagen angelegt, um die Nachfrage nach Ilex als Weihnachtsschmuck zu befriedigen.

Im Elsass wird aus den Beeren ein Obstbrand, Baie de Houx, hergestellt. Dabei werden die Beeren einer Mazeration in Weinbrand unterzogen, danach erfolgt eine Destillation.

Das dichte, schwere, aber gut polierfähige grüne Holz wurde früher zu Intarsien oder Druckstöcken für Holzschnitte verarbeitet, manchmal auch zu Messer­furnieren oder Spazierstöcken. In der Feintischlerei diente es als Ebenholz­ersatz, da es dunkle Lacke sehr gut annimmt.

Ein bekanntes Stück Hülsenholz ist Johann Wolfgang von Goethes Spazierstock; er steht noch immer im Goethehaus in Weimar.

Bild 7: Stamm einer baumförmig gewachsenen Europäischen Stechpalme

Aus Wikipedia, User Hubi47, CC BY-SA 3.0

Die giftigen Früchte wurden früher gegen Verstopfung und Epilepsie und die Blätter gegen Magenschwäche, das Wechselfieber und in Südeuropa gegen Rheuma verwendet. Die gerösteten Samen dienten als Kaffee-Ersatz. In ihnen sind nach neuen Untersuchungen Antioxidantien enthalten: Derivate der Phenylessigsäure.

Die belaubten Zweige können gebündelt werden und an einem Seil befestigt zur Reinigung eines Schornsteins verwendet werden. Dabei funktioniert dieser Stechpalmenbüschel wie eine Stahlbürste.

Zweige und Blätter der Pflanze wurden einst auch gegen die Ratten- und Mäuseplage eingesetzt. So ist aus Lübeck bekannt, dass im Kanzleigebäude Hohlräume in Decken zur Abwehr mit ,,Hülsbusch" ausgefüllt waren.

In den Niederösterreichischen Voralpen (Wienerwald, Mostviertel, Elsbeerreich) gehörte die Stechpalme zum traditionellen Bauerngarten. Zumindest ein Baum wurde in ein nördliches Eck (um den Garten durch den Baum möglichst wenig zu beschatten) gesetzt. Bei verlassenen, brach liegenden Gehöften ist sie ein Anzeiger, wo sich einst das 'Gartl' befand.

Da Bäume mit immergrünem Laub in Mitteleuropa sehr selten sind, wurden sie von den Germanen und den Kelten verehrt. Schon vor der Eroberung Britanniens durch die Römer war es Sitte, den Wohnraum mit beerentragenden Ilex-Ästen und Efeu (männliches und weibliches Prinzip) zu schmücken. Auch Plinius der Ältere erwähnt bereits die Verwendung als Hausschmuck.

Das sattgrüne Laub und die kräftig roten Beeren, die zu einer dunklen Jahreszeit erschienen, verkörpern die Farben der Hoffnung und der Liebe. Im Christentum werden sie verbunden mit Leben und Blut. Am Palmsonntag wird des Einzugs Jesu in Jerusalem gedacht. Zu diesem christlichen Feiertag werden in der gemäßigten Klimazone mangels echter Palmenzweige die Zweige von immergrünen oder zu dieser Jahreszeit bereits ergrünten Pflanzen (Weiden, Buchsbaum, Stechpalme) als Palm geweiht. Von dieser Tradition lässt sich der Namensteil Palme ableiten.

In Großbritannien und Nordamerika werden heutzutage Stechpalmenzweige auch gerne als Weihnachtsschmuck benutzt, da sich Blätter und Früchte auch in warmen Wohnräumen lange an den Zweigen halten. Von diesem Brauch leitet sich auch der Name des bekannten englischen Weihnachtsliedes Deck the Halls with boughs of holly ab.

Besonders in Lagen mit hoher Luftfeuchtigkeit konnte die Stechpalme undurchdringliche Dickichte bilden, in denen Familien in Kriegs- und Räuberzeiten ihr Leben mitsamt Hab und Gut retten konnten. Deshalb wird diese Pflanze auch als Symbol für den Schutz vor allem Bösen angesehen.

Auch J. R. R. Tolkien hatte ein Faible für den Hulstbaum; in seinem Roman Der Herr der Ringe ist das Land Hulsten (Hollin im englischen Original) Herkunftsland der Elbenringe, was er umfangreicher auch im Silmarillion beschrieb. Für Liebhaber modernerer Fantasy: der Zauberstab von Harry Potter war aus Stechpalmenholz gefertigt.

Auf dem Millefleurs-Wandbehang Die Dame mit dem Einhorn (fr. La Dame à la licorne), einer sechsteiligen Bildwirkerei aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, die im Pariser Musée national du Moyen Âge (bis 1980 Musée de Cluny) ausgestellt ist, befinden sich jeweils stilisierte Abbildungen einer Stechpalme, die hier als Symbol der Druiden für Tapferkeit sowie als eine der vier Kardinaltugenden nach Platon eingefügt sind.

Bild 8: Einer der 6 Motive La Dame à la licorne aus dem Musée national du Moyen Âge

Public Domain

Die Informationen habe ich aus den Wikipedia-Artikeln zu Ilex im allgemeinen und Ilex aquifolium im Speziellen zusammen gestellt. Informationen zur Anatomie findet man im Atlas of Stem Anatomy in Herbs, Shrubs and Trees (Schweingruber, Börner, Schulze, Springer, 2011) Band 2 Seite 29 ff.

Auch im Forum wurden bereits Schnitte von Ilex aquifolium gezeigt:
Hans-Jürgen zeigte uns in 2010 die ganze Pflanze, ihm sind auch Schnitte durch einen Blattstachel gelungen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=7507.0
Von Peter (Patani) gab es 2013 einen Thread mit Spross mit Knospe:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=17225.0


Hier die Informationen zur Präparation

Geschnitten habe ich das Blatt und den Blattstiel jeweils in Möhreneinbettung auf dem Tempelchen (Zylindermikrotom im Halter als Tischmikrotom) mit Leica Einmalklingen 818 im SHK Halter.
Die Schnittdicke beträgt je ca. 50µm.

Anschließend habe ich wie immer einige Aufnahmen von den frischen, unfixierten Schnitten gemacht.

Fixiert wurden diese dann für ca. 24 Stunden in AFE. Nach Überführen in Aqua dest. waren die Schnitte dann bereit für die Färbung.

Die Färbung ist diesmal wieder W-Asim II 2 Komponenten nach Klaus Herrmann. Zunächst habe ich mit Lösung 1 (Acridinrot und Acriflavin) für 15 Minuten mit einmaligem Erwärmen bis kurz vor den Siedepunkt gefärbt. Nach gründlichem Spülen mit Aqua dest. kam dann Lösung 2 (Alcianblau) für ca. 5 Minuten zum Einsatz.

Anschließend habe ich wieder gut mit Aqua dest. gespült und für ca. 2 Stunden mit einmaligem Wechsel des Wassers sanft differenziert.

Eingedeckt wurden die Schnitte nach gründlichem Entwässern mit reinem Isopropanol wie immer in Euparal.


Leider muss ich hier trennen, im zweiten Beitrag geht es weiter ...
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Fahrenheit

#1
... und weiter gehts ...

Kurz zur verwendeten Technik

Die Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit dem NPlan 5x sowie den PlanApos 10x, 20x und 40x entstanden. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch einen elektronischen Fernauslöser. Die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich führe ich vor den Aufnahmeserien direkt an der Kamera durch. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.

Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.


Und nun zu den Präparaten

Beginnen wir mit dem Blattstiel. Dieser ist recht kurz und hat, wie das ganze Blatt, eine ledrige Anmutung.

Bilder 9a-c: Der Blattstiel im ungefärbten, frischen Schnitt, 9c mit Beschriftung




Wie üblich lassen sich schon am frischen Schnitt die jeweiligen Gewebe gut ansprechen (von Innen nach außen): Zentral im Blattstiel liegt ein großes Leitbündel zur Versorgung des Blattes. Es ist sichelförmig gebogen und zeigt an der Xylemseite ein stark ausgeprägtes Sklerenchym (Xylem Xl, Phloem Pl, Sklerenchym Skl). Im umgebenden Rindenparenchym (RP) eingelagert finden wir weitere, kleinere Leitbündel (LB), die hier am blattseitigen Ende bereits aus dem Hauptleitbünden ausgetreten sind. Nach außen hin ist der Blattstiel von einer mehrlagigen Hypodermis (Hyp) umgeben, gefolgt von der Epidermis (Ep) und einer stark ausgeprägten Cuticula (Cu).
Leider haben sich hier einige Luftblasen gehalten (Art). Diese verschwinden zwar mit der Zeit, aber das ist dann ein Wettlauf mit dem langsamen Verblassen des Chlorophylls (die Schnitte und die Aufnahmen sind unter 30%igem Ethanol entstanden).
Informationen zu den Abkürzungen in den beschrifteten Bildern findet Ihr wie immer auch auf der Webseite des MKB: Tabelle mit den Kürzeln und den zugehörigen allgemeinen Erläuterungen.

Schauen wir uns nun die gefärbten Schnitte an:

Bilder 10a-h: Gefärbte Schnitte des Blattstiels von Ilex aquifolium, Bilder 10b,d & h mit Beschriftung









Zunächst muss man sagen, dass Klaus Herrmanns 2-Komponentenversion der W3Asim II Färbung sehr kräftig ausfällt. Man könnte fast glauben, in ein Bonbonglas zu schauen ... Allerdings werden die unterschiedlichen Gewebe dabei auch sehr gut differenziert. Wir finden hier natürlich den Selben Aufbau, wie bei den ungefärbten Schnitten in den Bildern 9. Die Hypodermis (Hyp) habe ich hier als Kollenchym angesprochen (Kol), bei den ungefärbten Schnitten war ich mir ohne Pol-Filter nicht ganz sicher, ob es sich nicht doch um sklerenchymatische Zellen handelt.
Man kann nun gut erkennen, dass auf der Phloemseite des Hauptleitbündels nur rechts und links wenige sklerenchymatische Zellen vorhanden sind. Die Ausstattung der kleineren Leitbündel (Bilder 10c,d & f) ist da schon besser. Weiterhin sehen wir, dass das Xylem der Leitbündel keine Tracheen enthält, sondern ähnlich wie bei den Coniferales (eine Ausnahme hier ist Welwitschia ...) nur aus Tracheiden und wenigen Xylemparenchymzellen besteht. 
Eindrucksvoll auch Epidermis und Cuticula in den letzten beiden Bilder. Es fällt aber eine Schwäche der Wacker-Färbungsfamilie im Zusammenhang der Einbettung über Isopropanol in Euparal auf: die Cuticula verliert, einmal eingedeckt, stetig an Farbe. Ist das Präparat erst mal einige Jahre alt, ist die Cuticula oft völlig verblasst, wogegen auch das Erhitzen der Färbelösung nicht hilft. Ich denke, die Ursache ist hier Restwasser in den Schnitten, das im recht wasserfreundlichen Euparal die Farben weiter auszieht.

Werfen wir nun einen Blick auf die Blattspreite und beginnen mit der Mittelrippe:

Bilder 11a-g: Mittelrippe und umgebende Gewebe aus dem Blatt der Europäischen Stechpalme. Bilder 11a&b vom ungefärbten, frischen Schnitt, Bilder 11b,e & g mit Beschriftung








Im Verlauf der Mittelrippe setzt sich die grundsätzliche Anatomie des Blattstiels fort. Auffällig allerdings ist, dass nun beim Hauptleitbündel auch phloemseitig ein ausgeprägtes Sklerenchym vorhanden ist. Ein Anzeichen für den allgemein recht zähen Aufbau des Blattes - wir erinnern uns an das Kaminfegen und die Abschreckung von Nagern aus der Beschreibung weiter oben.
Ein Cambium ist hier nicht zu entdecken aber sehr schön die farbliche Differenzierung zwischen Sklerenchym und den ebenfalls verholzten Tracheiden.

Oben links fällt in den Bildern 11d&e eine Stelle auf, die ich mit ??? gekennzeichnet habe. Sie wirkt zunächst wie eine Lentizelle, was beim Blatt mehr als ungewöhnlich wäre.

Bilder 12a,b: Die "Lentizelle"



Die Anmutung einer Lentizelle bleibt, zumal die hier schon fast verblasste Cuticula nicht eingerissen wirkt. Letztendlich bleiben die Fragezeichen bestehen, ich denke aber, dass es sich hier um eine Verletzung vielleicht vom Stachel eine Nachbarblattes handelt.

Im Anschluss an die Mittelrippe finden wir den typischen Aufbau eines bifacialen Blattes, den wir uns nun im Detail ansehen.

Bilder 13a-k: Blattfläche bei Ilex aquifolium, Bilder 13a-c vom frischen, ungefärbten Schnitt, Bilder 13c,e,g,i & k mit Beschriftung












Wie angekündigt, sehen wir ein typisches bifaciales Blatt (von oben nach unten): Unter der um 15 µm starken Cuticula (Cu) und Epidermis (Ep) finden wir hier ein nun meist einreihiges Kollenchym (Kol), gefolgt von einem stark ausgeprägten, dreireihigen Assimilationsparenchym (AP - ca. 120 µm). Eine gute Anpassung an halbschattige bis schattige Standorte. Danach kommt das Schwammparenchym, hier mit um die 360 µm recht dick ausgeprägt. An der Blattunterseite dann Stomata (St) und Kollenchymnester sowie wieder Epidermis und Cuticula. Eingebettet zwischen Assimilations- und Schwammparenchym liegen die Leitbündel, die hier teils quer und längs angeschnitten sind, also ein Netz bilden. Im Längsschnitt schön zu sehen: auch hier nur Tracheide als Leitertracheide. Die gesamte Blattspreite meines Blattes hat eine Dicke von bis zu 600 µm. 
Ein Stoma besteht beidseitig um den Spalt (S) aus Nebenzelle (NZ) und Schließzelle (SZ). Dahinter liegt der substomatäre Interzelllularraum (sIZR).

Nachdem Hans-Jürgen den Stachel in seinem Thread so schön gezeigt hat, möchte ich hier nur noch einen Blick auf den Blattrand werden:

Bilder 14:a-e: Der Blattrand, Bilder 14a-c vom frischen, ungefärbten Schnitt, Bild 14c im Polarisationskontrast und Bilder 14b&e mit Beschriftung.






In den ungefärbten Schnitten zeigen sich auch hier wieder große Luftblasen (Art), ansonsten finden wir den Aufbau wie bei der Blattspreite (Bilder 13). Auffällig ist der massiv verstärkte Blattrand, dessen Sklerenchym (Skl) aus der phloemseitigen Sklerenchymkappe des äußersten Leitbündels (LB) gebildet wird. Dabei ist die Blattoberseite mit Cuticula (Cu), Epidermis (Ep) und durchgehendem Kollenchym (Kol) um den Rand des Blattes herumgezogen und bietet eine zusätzliche Stabilisierung. Auf der Blattunterseite sind auch wieder Stomata (St) zu sehen.
Ein Wunder, dass die so verstärkten und meist stachelbewehrten Blätter trotzdem vom Wild gefressen werden.

Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen!

Herzliche Grüße
Jörg
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deBult

Well thank you again, the link of the plant exterior(hard and shining leaves) and interior is shown very well..

Best, Maarten
Reading the German language is OK for me, writing is a different matter though: my apologies.

A few Olympus BH2 and CH2 stands with DIC and phase optics.
The correct number of scopes to own is N+1 (Where N is the number currently owned).

Gero

Sehr schöne Doku Jörg und die wunderbaren Bilder!
Grüße Gero
Zeiss Axiophot
Leitz Elvar
Wild Heerbrugg M400 Apozoom
Swift Reisemikroskop
Hund H600 Phasenkontrast
Leitz Ortholux2
Leitz HM Lux
CBS Studio Binokular Zeiss
Erdmann&Gruen Mono Leitz Wetzla
Olympus CHA
Reichert Wien Anno 1900
Tasco Mono 1990 China
C.O.C Japan Stereo Kleinmikroskop 1970-1980

jcs

#4
Hallo Jürg,

sehr schöne Bilder und wieder einmal umfangreiche Informationen, danke für's Zeigen. Die "Bonbonfarben" passen hier ganz gut, finde ich.

Erstaunlich, wie die Färbung mit der "Wacker-Zweitopfmischung" bei verschiedenen Pflanzenarten zu doch recht unterschiedlichen Ergebnissen führt. Die Leitbündel in Bild 10 könnten jedenfalls als perfekter Kussmund in einer Hollywood-Verfilmung durchgehen!

Jürgen

Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

vielen Dank für Euer Lob, dass mich sehr freut!

Nicht nur die hier verwendete W3Asim II 2-Komponentenfärbung fällt je nach Probe anders aus, das gilt letztendlich für alle Färbungen. Etzold FCA sicherlich etwas weniger, als die Wacker-Derivate. Eine grundsätzliche Vergelichbarkeit auf Ebene der GEwebearten ist jedoch gegeben und so bleibt jedes Mal die spannende Erwartung, wie die Färbung bei der aktuellen Präparation rüber kommt.
Natürlich spielen auch die Schnittdicke sowie steuerbare Dinge wie Konzentrationen, Einwirkzeiten und das genaue "Rezept" - z.B. mit oder ohne Kaliumchlorat oder Eau de Javel eine Rolle.

Allen herzliche Grüße
Jörg
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Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

vielen Dank für den informativen und schön bebilderten Beitrag. Tolle Schnitte!

Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

auch Dir vielen Dank! Schön, dass Dir der Beitrag gefällt!

Herzliche Grüße
Jörg
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Bob

#8
Hallo Jörg,
ich habe Deinen Bericht als Anregung genutzt, um mein Freihandschnitte-Thema für unser nächstes Treffen zu gestalten. Auffallend finde ich an den Blättern die Härte und Zähigkeit und gleichzeitig das Vorhandensein der Hohlräume. Dabei ähnelt die Anordung der Zellen, die die Hohlräume stützen, stark bestimmten Füllstrukturen beim 3D-Druck, oder andersrum. Meine Schnitte sind freihand mit der eingefassten Rasierklinge gemacht und flink ohne viel Federlesen weiter verarbeitet worden. FCA und W3ASim-Färbung bei ca. 45°C für eine kurze Weile, hätte bei der Dicke der Schnitte weniger sein können. Fotos von den frischen Präparaten, Einzelaufnahmen.

Viele Grüße,

Bob

Fahrenheit

Lieber Bob,

danke für die Bilder! Die Schnitte sind wirklich gut geworden, so eine ruhige Hand hätte ich auch gerne :)

Im Blatt dienst das Schwammparenchym ja dem Gasaustausch: es sorgt dafür, dass die Photosynthesegase schnell ausgetauscht werden können und der Wasserdampf aus dem Xylem über die Stomata abgegeben werden kann. Die mechanische Funktion tritt da - anders als bei Stützgeweben wie z.B. in Knochen, in den Hintergrund.

Eine kleine Anmerkung se erlaubt: Mikrobilder sollten die "natürliche" Lage der Gewebe zeigen, um dem Betrachter die Orientierung zu erleichtern, der Blattstiel müsste also um 180 Grad gedreht werden.

Herzliche Grüße
Jörg
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Bob

Lieber Jörg,
danke für die Hinweise - die 180°-Drehung habe ich gleich nachgebessert!
Die Blattstiele schneiden sich fast so zäh wie Fingernägel, das war eine zusätzliche Herausforderung. Bei den hier gezeigten Schnitten hat das noch einigermaßen geklappt, aber die Videoaufnahme war Murks, unscharf und alles Wichtige außerhalb des Bildes. ::). Beim erneuten Versuch nachdem sich der Kameramann streng im Spiegel in die Augen geguckt hatte klappte es dann mit dem Schneiden deutlich schlechter...
Ein praktischer Nachteil der eher dicken und ungleichmäßigen Handschnitte ist, dass das Deckglas mit viel Abstand und leichter mal schief sitzt und man einseitig Eideckmittel nachfüttern muss. Beim nächsten Durchgang werfe ich da wohl Deckglassplitter drunter. Wenn die Präparate weiter getrocknet sind mache ich nochmal bessere Fotos und füge Beschriftungen ein, um den Nutzen der differenzierenden Färbung aufzuzeigen. Ziel des ganzen war ja aufzuzeigen, dass man mit wirklich einfachen Mitteln und moderatem Zeiteinsatz ganz passable Präparate hinbekommen kann. Mal sehen, wie das ankommen wird.

Viele Grüße,

Bob

Fahrenheit

Lieber Bob,

ich drücke die Daumen und wünsche viel Erfolg! Freihandschnitte sind wirklich eine Disziplin der Überraschungen. Ich habe anfangs auch mit der Rasierklinge frei geschnitten, mit den gleichen Ergebnissen, von denen Du hier berichtest. Und was war ich froh, als ich mein erstes Mikrotom mit dem SHK Halter hatte!

Und dann sitze ich bei einer MINT-Veranstaltung mit Oberstuflern zusammen und einer schneidet freihand einen Schnitt nach dem anderen runter - keiner von denen brauchte sich hinter meinen Mikrotomschnitten (traditionell 50 µm) zu verstecken!

Herzliche Grüße
Jörg
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wejo

Hallo Jörg,
in Anlehnung an einen Werbespruch für Metz-Elektroblitze kann ich nur sagen: ,,Sowas mächet ich a könna!" Wieder ein wahnsinnig informativer Beitrag mit tollen Bildern unterstützt. Herzlichen Dank für das Zeigen – das Anschauen und Lesen, ein Genuss!
Herzliche Grüße
Werner

Fahrenheit

Lieber Werner,

auch Dir viielen Dank für Dein großes Lob, das mich sehr freut.

"mächet ich a könna" - das ist gar nicht so schwer. Alles Handwerk, das mit etwas Übung zu erreichen ist. Meine Beiträge sollen ja auch ein wenig zum Nachmachen anregen und nicht abschrecken.
Dabei gibt es immer wieder auch mal Rückschläge: manchmal wollen die Schnitte einfach nix werden und die Tage musste ich meine gefärbten Schnitte zwischen den Fingern säubern. Davon aber mehr beim nächsten Beitrag zur Avocado.  ;D

Herzliche GRüße
Jörg
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Muschelbluemchen

Danke für Deinen Beitrag, vor allem für die sehr interessanten Zusatzinformationen!

LG
Leo