Flagellates Midgut Chaetodiopsis m.

Begonnen von Jürgen H., November 22, 2020, 20:43:26 NACHMITTAGS

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Jürgen H.

Liebe Mikroskopiker,

anbei zeige ich einen Längsschnitt durch einen Abschnitt des Mitteldarms der Stielaugenfliege Chaetodiopsis meigenii. Der Schnitt tangiert nur die Darmwände, so dass gerade noch das Darmlumen mit getroffen ist, verläuft hingegen nicht mittig durch den Darm.

Von außen nach innen sind die Longitudinalmuskeln lM, die Circularmuskeln cM, das basale Labyrint bL, die Zellnuklei N und die peritrophische Membran pM zu sehen. Die letztere umhüllt wie ein Netzstrumpf oder Korb den Nahrungsbrei, der durch den Darm fließt und soll auch die Funktion haben, die Darmzellen vor mechanischer oder bakterieller bzw parasitärer Beschädigung zu schützen. Das "Sieb" der peritrophischen Membran ist so feinmaschig, dass die Sieblöcher lichtmikroskopisch nicht auflösbar ist. Die peritrophische Membran teilt das Darmlumen in den endoperitrophischen Raum enpS, in dem der Nahrungsbrei eingeschlossen ist und den ektoperitrophischen Raum ekpS, der zwischen Mikrovilli und peritrophischer Membran liegt.

Das Besondere dieses Schnitts liegt aber in dem gut erkennbaren reichen Flagellatenbefall innerhalb! des ektoperitrophischen Raums.  Flagellaten  im Darm von Insekten sind insbesondere von der Leishmaniose (Sandmücken) bekannt. Zu der Art des hier gezeigten Befalls weiß ich leider nichts Näheres. Vielleicht jemand von euch?
Die Nahrung der bei mir gehaltenen Fliegen besteht nur aus Honig und Hefe.

Technik:
In PBS herauspräparierter Darm, fixiert mit 2,5% Glutaraldehyd in 0,1 molarem Phosphatpuffer, Einbettung in Technovit 7100, Färbung Toluidinblau.


Schöne Grüße

Jürgen

Ralf Feller

Lieber Jürgen,

da ist Dir ja was tolles gelungen!
Ich beschäftige mich seit langer Zeit mit Mikroorganismen im Insektendarm, und Du findest so etwas.

Der Schnitt ist übrigens toll gelungen, klasse.

Was Flagellaten im Insektendarm anlangt, da liest man vor allem von den Arten Leptomonas und Crithidia.
Ich tippe hier auf Leptomonas.

Die Preitrophische Membran spielt eine ganz besondere Rolle bei der Übertragung von Krankheiten durch
Insekten, nicht nur bei einzelligen Erregern wie Tryphanosomen, Leishmania und Malariaplasmodien,
sondern auch bei Bakterien und Viren. Sie müssen alle die Membran überwinden, einige Viren
sind sogar in der Lage die Membranbildung zu hemmen um die Enterozyten zu infizieren.

Solche Beiträge fehlen mir und ich hoffe auf mehr.

LG Ralf

Alfons Renz

Lieber Jürgen,

Da ist Dir ein beneidenswerter Glückstreffer gelungen, mit einem perfekt fixierten Schnitt: Flagellaten sind recht häufig in allen möglichen Biotopen anzutreffen, vom Pansen der Rinder über den Saft der Euphorbiacen und das Blut von Fischen, Amphibien, Reptilien und Säugern (=> Trypanosomen, die die Schlaf- und Chagas-Krankheit hervorrufen). Manche werden von Insekten übertragen and Andere helfen den Termiten bei der Verdauung von Zellulose.

Stielaugenfliegen saugen kein Blut und können daher keine Erreger auf Tiere und Mensch übertragen. Dennoch - oder vielleicht gerade deshalb stellt sich die Frage, wie sich diese Fliegen überhaupt mit diesen Protozoen infizieren?

Bekannt ist das Vorkommen von Cholamonas bei Diopsiden:

https://www.biologie-seite.de/Biologie/Cholamonas_cyrtodiopsidis

Diese sollten jedoch 4 Flagellen besitzen. Das ist auf Deinem Bild nicht zu erkennen, obwohl mehr Geißeln als Körper angeschnitten sind.

Bedingt durch die Technik der Präparation kanst Du ja keine Aussage zum Vorkommen der Flagellaten im Haemocoel der Fliegen machen. Die 'Eroberung der Leibeshöhle' wäre ein erster Schritt der Evolution zur zyklischen Übertragung, würde hier jedoch wenig Nutzen bringen, da die Fliegen wohl weder Blut noch Pflanzensäfte durch Stechwerkzeuge saugen. Deshalb ist eine kontaminative Übertragung durch die Faeces wahrscheinlicher.

Ich bin gespannt auf weitere Bilder!

Mit herzlichen Grüßen,

Alfons

Jürgen H.

Lieber Alfons, lieber Ralf,

ganz herzlichen Dank für Eure Hinweise auf Crithidia und Leptomonas bzw.Chalomonas! Mein Fund überrascht mich selbst: Ein Glückstreffer, den ich trotz einiger sezierter Därme bisher nie hatte und mit dem ich auch nicht rechnete, sonst hätte ich Vorsorge getroffen, z.B. für eine Untersuchung der Hämolymphe. Das ganze Gebiet der Flagellaten in Insekten und ihr Bezug zu einigen Krankheiten ist hochinteressant.

Ich frage mich, wie eine Infektion über die leckenden Mundwerkzeuge durch die Pseudotracheen geschehen soll. Im endoperitrophischen Raum finde ich bisher keine Flagellaten. Sie halten sich nach meinen bisherigen Schnitten stets im ectoperitrophischen Raum auf. Es sieht für mich daher so aus, dass sie die peritrophische Membran nicht überwinden können. Ist diese Annahme richtig, und würden die Flagellaten über die Mundwerkzeuge in den Körper gelangen, müssten sie durch den gesamten Vorder- und Mitteldarm hindurch wandern, um am offenen Ende der Membran irgendwo im oder hinter dem Pylorus in den ectoperitrophischen Raum zu gelangen und die Schwimmrichtung nach stromaufwärts zu ändern. Merkwürdig wäre dann, dass ich im endoperitrophischen Raum keine Flagellaten mehr finde. Das folgende Bild zeigt einen anderen Darmabschnitt desselben Tiers mit mehr flachen kubischen Enterozyten. Auch dort zwängen sich die Flagellaten ausschließlich  durch den sogar sehr engen ectoperitrophischen Raum (Einige habe ich mit Grünpfeil markiert). Sie haben hier viel weniger Platz, als in dem bereits gezeigten Darmabschnitt. Natürlich kann ich nicht völlig ausschließen, dass die Flagellaten die peritrophische Membran im obersten Bereich des Mitteldarms nahe des Proventriculus bereits vollständig überwunden haben. Leider habe ich diesen Darmabschnitt nicht mit einbetten können.




Da ich auch in den Enterozyten selbst keine Anzeichen eines parasitären Befalls finden kann, spricht andrerseits für  Deine Vermutung, lieber Alfons, dass die Infektion nicht über die Hämolymphe stattfindet.

Nach Durchsicht meiner Schnitte bin ich mir ziemlich sicher, dass mein Flagellat nur eine einzige Geißel besitzt. Die Körperform ist ausgesprochen lang gestreckt: Der Flagellat kann ohne Geißel 14µ und darüber hinaus lang sein und hat nur einen Durchmesser von ca. 1 µ.



Auffällig ist an den Schnitten das ausgesprochen weit in die Enterozyten hineinreichende basale Labyrint, dass zudem stark geweitet erscheint und teils die Zellkerne der Enterozyten fast umschlingt, die zudem oft nicht oval oder rundlich,  sondern schrumpelig erscheinen. In diesem Zusammenhang muss ich leider feststellen, dass es in meiner kleinen Population - wie bisher noch kaum - einige Todesfälle gab.

Ein weiteres Darmstück aus demselben Insekt liegt noch als Arbeit in einem weiteren Technovitblock vor mir, vielleicht gibt es weitere Aufschlüsse.

Herzlichen Dank für eure Beiträge und schöne Grüße an alle!

Jürgen

Holger Adelmann

Lieber Jürgen,

Du hast ja mittlerweile Deine fantastische Insekten-Histologie um Semis erweitert sehe ich! Finde ich ganz großartig!

Wenn Du noch nach Untersuchungsmaterial suchst, kann ich Dir den Darm von Mehlwürmern empfehlen, da sind jede Menge Gregarinen drin.

Herzliche Grüße aus Köln,
Holger



Jürgen H.

Lieber Holger, Danke für Deine Worte! Ja, die Semitechnik bringt neue Details hervor und ist keineswegs komplizierter, als die Paraffintechnik. Mit Technovit kann ich locker auf 1 mü schneiden, wie in dieser Schnittserie, mit LR White geht es auch viel dünner und leichter, da über Wasser geschnitten werden kann. Allerdings, ein schöner dünner azangefärbter Paraffinschnitt ist nicht nur farblich eine Augenweide, sondern differenziert auch wunderschön die unterschiedlichen Gewebearten.

Schöne Grüße

Jürgen