Stephanosphaera pluvialis - Burgruine Lindelbrunn

Begonnen von anne, Dezember 09, 2020, 12:17:00 NACHMITTAGS

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bewie

Hallo Gerald,

das sind ja wirklich hochinteressante Bilder! Die singulären Zellen scheinen ja praktisch nicht von Haematococcus unterscheidbar zu sein. Konntest Du auch beobachten, wie sich die Aplanosporen wieder zu Kolonien mit 8 Zellen entwickelt haben? Denn das ist der große Knackpunkt in der Literatur. Die Bildung von Aplanosporen ist mehrfach beschrieben, wenn auch nicht ganz konsistent und es gibt unterschiedliche Aussagen; die einen glauben, sie entwickeln sich aus Zygoten, die anderen glauben, sie bilden sich aus vegetativen Zellen. Aber zur Ausbildung von Kolonien aus Aplanosporen habe ich bisher noch nichts gelesen.

LG
Bernhard

Gerald


Hallo Bernd, hallo Jochen,

der Zyklus von St. p. bei optimalen Bedingungen ist:

Dauerstadium (Aplanosporen) > mobiles, einzelliges Stadium > 8-zellige Kolonie und vegetative Vermehrung > mobiles, einzelliges Stadium > Dauerstadium (Aplanosporen)

Dieser Zyklus veranschaulicht sehr schön die Bedingungen der Biotope welche St. p. und H. p. besiedeln - absolute Extreme: sehr schnelles Austrocknen der Biotope, lange trocken, dann wieder sehr schnell Feuchtigkeit und oft nur für kurze Dauer, hohe Temperaturen (flache Wasseransammlungen, hohe Sonneneinstrahlung (exponierte Lagen)). Und hier liegen auch die Bedingungen für eine erfolgreiche Kultur von St. p. und H. p.: sie müssen immer wieder diese Zyklen durchlaufen - also immer wieder eintrocknen. Ich habe es bei beiden Algen nicht geschafft sie über einen längeren Zeitraum im mobilen Stadium (H.p.) oder "Kolonie-Stadium" (St.p.) zu kultivieren. Aber das entspricht ja auch nicht der Natur dieser Spezialisten.

Die Kulturansprüche von H.p. und St.p. sind identisch bis auf einen Punkt: St. p. verträgt kein Kulturmedium im sauren Bereich. Neutral oder etwas alkalisch ist optimal. Volvic hat sich hier als gut herausgestellt - ohne weitere Zugaben. Hohe Beleuchtungsdauer (14h), hohe Beleuchtungsintensität.

Vielleicht ist der Anspruch an das neutrale oder alkalische Medium auch ein Grund warum St. p. nicht so häufig vorkommt wie H.p. . Einfallendes Laub und andere organische Stoffe verändern den PH-Wert in den sauren Bereich. Der Drachenfels ist eine absolut exponierte Lage. Wenig Eintrag von organischen Stoffen. Es soll Fundstellen im Elbsandsteingebirge geben. Auch hier sind die Sandsteinsäulen exponiert. Ist aber nur so eine Theorie von mir.

@ Jochen. Ja ich kenne auch die Gegebenheit, dass St.p. nicht vom mobilen, einzelligen Stadium in die 8-zelligen Kolonien übergeht. Hier sind die Bedingungen nicht optimal (Lichtspektrum änden). Dafür spricht auch das Ausbilden von Mikrogamenten. (vegetative Vermehrung bei optimalen Bedingungen / generative Vermehrung bei schlechten Bedingungen). Übrigens findet die Zellteilung bei den Kolonien, wie Holger schon geschrieben hat, vorzugsweise Nachts statt. Man muss sehr früh aufstehen um das beobachten zu können.

Viele Grüße

Gerald

bewie

Hallo Gerald,

vielen Dank! Ich habe gerade mal wieder einen Versuch gestartet, Stephanosphaera in Kultur zu nehmen. Mal sehen, ob es diesmal klappt. Lässt du sie in Petrischalen austrocknen oder wartest Du einfach, bis das Wasser in der Flasche verdunstet ist?

Es gibt aber auch immer wieder Überraschungen oder Diskrepanzen bei den Beobachtungen. Bei dir wachsen die Algen im leicht alkalischen Milieu besser, etliche Autoren schreiben, dass saures Milieu besser ist und alkalische Werte die Alge zum Verschwinden bringen. Mein Fundortwasser von Lindelbrunn mit dem Massenvorkommen ist leicht sauer (pH etwa bei 6) und das ist bei Wasser aus dem Pfälzer Wald oft so - liegt vielleicht auch am tongebundenen Sandstein.

Möglicherweise gibt es Stämme mit unterschiedlichen Ansprüchen an das Habitat, das würde die Diskrepanzen erklären. In der Literatur wird so etwas vor allem für Haematococcus pluvialis diskutiert, weil da auch divergierende Beobachtungen vorliegen. Und so völlig unwahrscheinlich hört es sich ja auch nicht an.

Bin mal gespannt, was ich diesmal für Erfahrungen mit dem Kulturversuch mache.

LG und nochmals vielen Dank!
Bernhard

ImperatorRex

#18
Lieber Gerald,
sehr interessante Hinweise und Details zum Entwicklungszyklus von S. und H. pluvialis, besten Dank dafür. Ich werde nunmehr meinerseits versuchen etwas gezielter nach den Entwicklungsstadien Ausschau zu halten (vor zwei Tagen ist es mir gelungen, aus einem alten Kulturansatz von Mai 2019 die S. p. Kugeln wieder zu erwecken).
Volvex als Kulturmedium werde ich zum Vergleich heranziehen, bislang habe ich ja immer mit leicht saurem (pH 6) Regenwasser vorlieb genommen. Das mit dem Laubeintrag als Erklärung für das Vorkommen der Alge in "exponierten" Lagen klingt plausibel, vielleicht kann ich ja mal entsprechende, vergleichende Versuche in meinen Kulturansätzen machen. Das klingt nach einem interessanten Betätigungsfeld. Jetzt im Winter ist es sicherlich angebracht, zusätzlich künstliche Beleuchtungsquellen zu verwenden.

Vielleicht hat jemand bereits Erfahrungen hierzu gemacht, was ist denn besser, eine  LED oder eine Halogenlampe als Algen-Kulturlampe?

viele Grüße
Jochen 

bewie

Hallo Jochen,

ich verwende derzeit LED-Lampen mit Tageslichtspektrum, 13 Stunden lang pro Tag. Da ich gerade angefangen habe, kann ich natürlich noch nicht viel sagen. Aber ein Ansatz, in den ich eine kleine Probe Stephanosphaera gegeben habe, hat innerhalb einiger Tage sichtbare Algen-Wolken entwickelt. Kann also nicht ganz verkehrt sein. Bei Halogenlampen habe ich immer die Befürchtung, dass sie zuviel Infrarot reinstrahlen.

LG
Bernhard

Gerald

#20
Hallo Bernhard und Jochen,

ich hatte meine Kulturen immer unter künstlicher Beleuchtung. Bei H.p. und St.p. wird es ausser im Sommer sehr schwer sein sie am Fensterbrett zu kultivieren. Ich hatte Neonröhren für Pflanzenwachstum im Einsatz. Ich hatte vor ca. 2 Jahren auf LED umgestellt (LED-Leuchten für Süsswasseraquaristik). Alle meine Algenstämme wuchsen unter dem Licht einwandfrei, nur H.p. und St.p. nicht. Sie gingen nicht vom Pamellastadium ins mobile Stadium über.  Die musste ich weiter unter den Neonröhren kultivieren. Anscheinend hat das Lichtspektrum nicht gepasst.

@ Bernhard: ich bin gespannt über Deine Erfahrungen. Was für LED-Lampen genau hast Du im Einsatz?

@ Jochen: wie sind Deine Kulturbedingungen?

Viele Grüße

Gerald

ImperatorRex

Hallo Gerald und Bernhard,
ich habe mir mal kurzerhand zwei verschiedene Pflanzen LED bestellt (eine mit blau und rot LED, die andere mit zusätzlichem weissem Spektrum).  Mal schauen, wie diese sich bewähren.

Gerald, ich habe meine Kulturen immer mit Regenwasser angesetzt. Beleuchtung nur das, was über das Tageslicht kommt, im Sommer Balkonfenster "Nordseite", im Herbst/Winter ein Fenster Richtung Westen. Mich hat es überrascht, dass meine letzte Kultur tatsächlich S.p. Kränze, trotz der mäßigen Sonneneinstrahlung ausgebildet hatte.
Mit einer IKEA Jansö als Beleuchtung habe ich bislang keine guten Ergebnisse erzielt. Werde bis zur Ankunft der Pflanzenlicht-LED mal eine ältere Energiesparlampe (Röhre) verwenden.
viele Grüße
Jochen

Gerald

Zitat von: bewie in Dezember 11, 2020, 22:00:29 NACHMITTAGS
Lässt du sie in Petrischalen austrocknen oder wartest Du einfach, bis das Wasser in der Flasche verdunstet ist?

Hallo Bernhard,
ich verwende Petŕischalen oder Kristallisationsschalen. Immer abgedeckt und sehr nahe an der Lichtquelle. Wenn der Höhepunkt der Kultur überschritten ist entferne ich die Abdeckung und lasse die Kultur vollkommen eintrocknen. Diese Kultur erst nach ca. 2 - 3 Wochen wieder ansetzen.

Viele Grüße

Gerald

bewie

Hallo Gerald,

zu deiner Frage: Ich habe die LED-Strahler von Reichelt wie hier https://www.reichelt.de/led-strahler-e27-11-w-825-lm-4000-k-samsung-chip-vt-154-p229786.html?&trstct=pol_0&nbc=1 abgebildet. Submerse Pflanzen im Aquarium sind damit hervorragend gewachsen, deswegen wollte ich sie auch mal mit den Algen testen.

Von meiner Tomaten-, Gurken- etc.-Anzuchtstation hab ich jetzt auch mal eine Pflanzlampe mit Blau, Rot und Weißlicht, aber ohne UV genommen und einige Ansätze darunter gestellt. Die Lampe hatte ich irgendwann direkt beim Chinesen bestellt. Bei der Gemüseanzucht verwende ich sie aber nur zusammen mit Lampen, die auch einen UV-Anteil haben.

Muss jetzt halt eine Weile beobachten, wie sich alles entwickelt, ob es Aplanosporen gibt, und wenn ja, ob die nach einer Trockenphase auch wieder revitalisierbar sind. Bisher konnte ich noch keine Aplanosporen finden, nur zahlreiche vegetative Teilungen und eine Menge Gametenbildung. In einer Kolonie auch mal beides gleichzeitig, wie das Bild unten zeigt.

Werde euch wieder informieren, sobald ich belastbare Aussagen machen kann.

LG
Bernhard

Bernd

Hallo Bernhard,

ZitatVielleicht kann man sich aber auch noch Sporen verdienen, wenn man die Bildung von Aplanosporen und die Revitalisierung zur mobilen Form mal genauer untersucht und dokumentiert.

leider nein. Das wurde bereits ausfürlich beschrieben und dokumentiert in Cohn, F., and Wichura, M. (1857). Über Stephanosphaera pluvialis. Nov. Acta Acad. Caes. Leop. Nat. Cur. 26, Nachtrag. https://www.biodiversitylibrary.org/item/176984#page/9/mode/1up

Viele Grüße
Bernd

bewie

Hallo Bernd,

danke für den Hinweis. Da haben Cohn unde Wichura ja schon vor langer Zeit alles ausgiebig dokumentiert.

LG
Bernhard

ImperatorRex

#26
Zitat von: bewie in Dezember 13, 2020, 16:57:22 NACHMITTAGS
Von meiner Tomaten-, Gurken- etc.-Anzuchtstation hab ich jetzt auch mal eine Pflanzlampe mit Blau, Rot und Weißlicht, aber ohne UV genommen und einige Ansätze darunter gestellt. Die Lampe hatte ich irgendwann direkt beim Chinesen bestellt. Bei der Gemüseanzucht verwende ich sie aber nur zusammen mit Lampen, die auch einen UV-Anteil haben.

Muss jetzt halt eine Weile beobachten, wie sich alles entwickelt, ob es Aplanosporen gibt, und wenn ja, ob die nach einer Trockenphase auch wieder revitalisierbar sind. Bisher konnte ich noch keine Aplanosporen finden, nur zahlreiche vegetative Teilungen und eine Menge Gametenbildung. In einer Kolonie auch mal beides gleichzeitig, wie das Bild unten zeigt.

Werde euch wieder informieren, sobald ich belastbare Aussagen machen kann.

Hallo Bernhard,
gibt es Neues zu berichten?

Leider bin ich etwas ratlos, meine neuerlichen Versuche S. pluvualis zu kultivieren sind gescheitert:
Aus den Aplanosporen entwickeln sich zwar die ersten, jungen 8-er S.p. Kugeln. Die Kranzkugeln bleiben leider kümmerlich, d.h. die Individuen der Kolonie verbleiben in der runden, kugeligen Form, darüber hinaus gibt es leider kein  Wachstum und Reproduktion. Nach ein paar Tagen ist die Kultur dann eingegangen.

Kulturansatz war mit Volvic Mineralwasser, der pH liegt bei etwas 6 oder 6.,5.
Ich habe auch die Beleuchtung variiert, zum einen eine LED mit den rot/blauen LEDs, aber auch eine weise Pflanzenlicht LED. Nachdem ich hier keine ausreichende Entwicklung der Kulturen erzielen konnte, habe ich Versuche mit einer Leuchtstoffröhre (Osram HO 24W/865) gemacht. Leider waren auch diese Kulturansätze auch erfolglos.

Vielleicht hast Du oder Gerald noch Hinweise? Temperatur und Spurenelemente wären ja noch Parameter? Oder Gasaustausch und Bakterienrasen, der teilweise doch recht stark war.

Etwas ratlose Grüße
Jochen

bewie

Hallo Jochen,

sorry, wenn ich mich erst jetzt wieder melde. Hatte einen coronabedingten Todesfall in der Familie, da war dann nicht mehr so viel Zeit für die Mikroskopie.

Insofern kann ich im Moment noch nicht allzuviel sagen. Ich konnte keinen eindeutigen Einfluss von Art und Stärke der Beleuchtung feststellen. Eine Wachstumsbremse scheint die Begleitflora zu sein und dabei vor allem auch der Biofilm, der sich auf dem stehenden Wasser bildet. Je stärker der war, desto mickriger waren die Algen. Wenn ich ihn mit Belüftung aufgebrochen habe, ging es besser. Aber nach einer gewissen Zeit ließ die Proliferation auch dabei nach, obwohl die Algen anfangs in Volvic schon beinahe explosiv gewachsen sind.

Ich habe die Ansätze dann - auch aus Zeitmangel - eintrocknen lassen und habe jetzt nur noch ein paar Petrischälchen mit trockenen Aplanosporen. Mit denen will ich in nächster Zeit weiterarbeiten und zwei Aspekte austesten, die in der Literatur als recht erfolgreich bzw. sogar als notwendig beschrieben sind: Einmal Begasung mit CO2, die allerdings ziemlich fein dosiert werden muss. Und zum anderen Zugabe von Cyanocobalamin und Thiamin. In allen Medien für Stephanosphaera oder Volvocales sind die beiden Vitamine enthalten, eine Rezeptur ohne sie habe ich bisher nicht gefunden. Muss also schon eine gewisse Bedeutung haben.

LG
Bernhard
Wenn ich damit weitergekommen bin, melde ich mich wieder.

ImperatorRex

Hallo Bernhard,
verstehe, dass Du zur Zeit andere Gedanken hast.
Zumindest hast Du ja noch die eingetrockneten Aplanosporen und damit jederzeit die Möglichkeit, wieder Kulturen anzusetzen.
Mal schauen, in welche Richtung meine Versuche die Kulturbedingungen zu verbessern, gehen.
viele Grüße
Jochen