Schneeflocken-Mikroskopie - wer zeigt das schönste Bild?

Begonnen von Bob, Februar 07, 2021, 11:17:31 VORMITTAG

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Bob

Hallo zusammen,
ich vielen Teilen Deutschlands gibt es ja derzeit mehr als ausreichend Schnee, da kann man ein paar Kristalle für die Mikroskopie abzweigen.
Bei mir schneit es noch nicht, aber wer Lust hat, kann ja mal probieren, ob er ein paar Schneekristalle abgelichtet bekommt. Dabei gibt es grundsätzlich die Möglichkeit, A) die Kristalle selbst zu fotografieren, als auch B) die Möglichkeit, einen Lackabdruck anzufertigen.

A) Möchte man es mit den Kristallen selbst versuchen sollte man auf folgendes achten:
- Mikroskop muss kalt und Mikroskopiker warm sein
- Atemluft und Windzug abhalten
- Nicht die beste Optik verwenden wegen der Gefahr von Delaminationen, also eher der Achromat als das Planapo
- Kristalle auf schwarzem Material auffangen und mit Pinsel übertragen
- Warme Kameraakkus bereithalten
- Nicht jeder Mikroskoptrieb wird bei Minusgraden noch gut laufen

B) hier gibt es verschiedene Medien um die Abdrücke zu sammeln:
- Dünnflüssiger Sekundenkleber
- Zaponlack
- Eukitt
- UV-Kleber, z.B. LOCA (für Handy-Display-Reparatur
- Kristalle auf ausgelegten Objektträgern direkt auffangen, oder auf schwarzem Material auffangen und mit Pinsel übertragen
- Kristall jeweils gefroren lassen, bis Lackschicht hart ist

Die Arbeit von Wilson Bentley ist vielleicht bekannt: https://en.wikipedia.org/wiki/Wilson_Bentley

Viele Grüße,

Bob

plaenerdd

Hallo Bob,
da gibt es ja schon etliche Fäden hier im Forum und ich habe vor Jahren auch schon mal ein LOMO-Biolam kalt gerstellt und im Durchlicht Schneeflocken mikroskopiert und fotografiert. Heute habe ich ein EPIGNOST, also ein Auflichtmikroskop kalt gestellt. Die originale Beleuchtung habe ich durch eine eingesteckte LED-Taschenlampe ersetzt, um das infarote Spektrum zu meiden. Ein Bresser/LOMO-Fototubus passt da bestens drauf, aber als alles endlich kalt genug war, fiel kein Schnee mehr. 3 Stunden gewartet: Endlich Schnee! Bei -13°C gabs schöne kleine Einzelkristalle, die ich direkt auf ausgelegte Objektträger schneien lassen habe und dann ging es los. Die Mund-Nase-Bedeckung ist übrigens kein Coronaschutz, sondern sehr hilfreich, um nicht auf die Schneeflocken zu hauchen.


Und hier ein paar Ergebnisse, alles Auflicht-Dunkelfeld mit einem 4er Planachromaten:





Da mir die weißen Schneeflocken auf schwarzem Grund zu langweilig waren, hier noch eine blau eingefärbte Flocke:


So richtig voll zufrieden bin ich mit den Fotos noch nicht. Die Schärfentiefe reicht oft nicht in denEinzelaufnahemen, aber das Staken mit dem EPIGNOST ist auch nicht so toll, weil das keinen Feintrieb hat. Das 4er Objektiv (mein kleinstes) war oft schon zu groß. Die Bilder 4 und 5 sind gesticht.

Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Bob

Hallo Gerd,
tolle Fotos und tolle Schnee-Kristalle! Dies sehen ja nicht immer so schön aus. Ich habe gestern auch Equipment kaltgestellt und zusätzlich sturmgesichert einige Objektträger mit UV-härtendem LOCA ausgelegt, aber - kein Schnee! Na mal sehen, vielleicht klappt es ja noch.

Viele Grüße,

Bob

plaenerdd

Hallo Bob,
wird der UV-Kleber denn hart an der Luft? Meine beiden UV-Kleber (CONLOC und Eukitt-UV) härten nur unter dem Deckglas richtig aus. Was übersteht wird zwar etwas eingedickt, aber nicht hart. Vielleicht muss man dann auch erst gekühlte Deckgläser auflegen, um zu härten, aber dann bleibt das Wasser unter dem OT. Na, ja: "Versuch macht kluch." Ich werd das auch mal ausprobieren. Morgen früh solls noch mal schneien bei mir.
Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Alfons Renz

Hallo Bob,

Vor einiger Zeit hatte ich einen Versuch mit Objektträgern auf der Fensterbank gemacht, bestrichen mit verdünntem Eukitt.
Das Resultat - ein halbwegs gelungener Abdruck im Dunkelfeld - kann zumindest als Beleg für die Tauglichkeit dieser 'bequemen Methode' dienen.

Bei uns in Tübingen ist es schon wieder zu warm, und die paar Flocken, die heute Abend gefallen sind, waren sofort Matsch.

Herzliche Grüße,

Alfons

Bob

Hallo zusammen,
bei uns hat es tatsächlich auch noch geschneit und ich konnte Fotos machen. Meine Idee war, mein inverses Olympus CK zu verwenden, ausgerüstet mit schwachen Objektiven. Es zeigte sich allerdings, dass man ein abgeschnittenes Bild bekommt, wenn man statt der 36mm-Objektive 45mm-Objektive montiert, obwohl der Fokustrieb das zulässt. >:(
Also das Swift FM-31 rausgeholt und die Kamera drangesteckt, das funktionierte gut. Licht mit einem Akku-Arbeitsscheinwerfer von der Seite, improvisiertes Dunkelfeld durch darüber befestigte dunkle Schalungsplatte. Die Schneeflocken habe ich gesammelt und auf 50mm-Deckgläser gelegt. Der OP-Masken Tipp war prima, Gerd!.
Neben Fotos von frischen Schneeflocken habe ich auch verschiedene Versuche zu Dauerpräparaten unternommen, aber noch nicht ausgewertet, auf den ersten Blick waren sie ganz vielversprechend.
Anbei ein paar Ergebnisse.

Viele Grüße,

Bob

plaenerdd

Hallo Bob,
ich habe heute mit Nacgellack experimentiert: Nagellack und Objektträger kalt gestellt. Dann Nagellack möglichst gleichmäßig aufgetragen und Schneeflocken eingefangen. Zuerst habe ich gewartet, dass welche drauf schneien, aber das hat zu lange gedauert. Hatte Angst, dass der Lack vorher hart wird. Dann habe ich vorsichtig mit der Lackschicht Schneeoberflächen berührt. Am besten/gezieltesten ging es von meiner Fleece-Jake, auf deren Fusselfläche sich schön Kristalle fingen.
Das war ein ganz ordentlicher Aufwand, der sich nur bedingt gelohnt hat. Es kommt hier an zu vielen Stellen, auf den richtigen Zeitpunkt an: richtige Viskosität des Lackes, nicht zu früh mit in die Wärem nehmen, weil die Flocken sonst zerfließen, bevor der Lack getrocknet ist. Die besten Ergebniss habe ich erzielt, ca. 30sek. nach dem Auftragen des Lacke Schnee drauf und dann für eine halbe Stunde draußen in der Kälte lassen (zugedeckt unter Petrischalendeckel). Trotzdem waren viel Schneeflocken verlaufen, so wie diese:


Nur ganz wenige waren einigermaßen vollständig mit der ganzen Fläche im Lack:



An vielen Stellen blieben nur braune Pünktchen (Blasen?), wo vorher Schneeflocke war:


Fazit: Wenn man unbedingt im Sommer Schneekristalle zeigen will, geht das so leidlich, aber die Abdrücke sind wie schlechte Fossilien nur eine grobe Abbildung der eigentlichen Pracht. Wenn man  das wirklich im Hochsommer genießen will, sollte man vielleicht dann auch reichlich Glühwein dazu trinken und eine Weihnachts-CD einlegen...

Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Bob

Hallo Gerd,
ich habe folgende Vesuche in Richtung Dauerpräparat gemacht:

- LOCA ausgestrichen und ausgelegt, das meiste von 2cm Schnee am Morgen abgeklopft, mit UV gehärtet (wird nur so hart wie Silikon)
- Teilweise noch einen Klecks LOCA draufgetropft und Deckglas draugequetscht
=> dürfte beides wenig Wert haben

- Histokitt ausgestrichen. Schneeflocke mit Pinsel draufgelegt nach 12 Stunden ein ganz ordentlicher Abdruck.

- In Histokitt eingeschlossen 12 Stunden getrocknet => Wassertropfen in Schneeflockenform

- In Loca bzw. UV-Nagellack eingeschlossen => Besser als Histokitt, aber unbrauchbar. Es scheint als löse sich die Schneeflocke im Kleber

- In Sekundenkleber eingeschlossen => tocknet noch

Zusammenfassend kann ich also sagen, dass der Lackabdruck ganz ordentlich geworden ist. Bei mir ist einiger Staub drin, da ich die Deckgläser nicht abgedeckt hatte. Insgesamt für mich weniger lohnend als Fotos von frischen Schneeflocken. Aber die haben für meinen Geschmack gut geklappt. Ein schwächeres Objektiv wäre noch gut gewesen und ein Trieb, der Stacken erlaubt hätte, und mehr Licht für kürzere Belichtungszeiten.
Das weiter zu optimieren lohnt sich aber wohl eher für schneereichere Gebiete als hier.

Viele Grüße,

Bob

plaenerdd

Hallo,
heute hats nochmal geschneit. Da habe ich das am geringsten vergrößernde Objektiv, das ich besitze (SPlan FL2x von Olympus) an ein LOMO-Biolam geschraubt und mit schiefer Beleuchtung (Großfeldlinse am Kondensor nur teilweise eingeklappt) und einem blauen Tageslichtfilter fotografiert. Hat richtig Freude gemacht.
Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Bob

Hallo Gerd,
auf den Thread-Titel zurückkommend: Eindeutig das bislang schönste Bild - toll!
Bei den Schneeflocken kommt man eher so in den Grenzbereich Mikro/Makro, gar nicht so leicht, da mit dem Mikroskop etwas zu werden.
Bei uns ist es wohl bis auf weiteres vorbei mit dem Schnee...

Viele Grüße,

Bob

bminer

Hallo zusammen,
vor vielen Jahren ist mir ein sehr hübsches Büchlein des Amerikaners Kenneth Libbrecht (Wissenschaftler am Caltech und passionierter Schneeflocken-Photograph) in die Hände gefallen. Er beschreibt auch das verwendete Setup unter Verwendung von Mitutoyo M Plan Apo Objektiven. Hier zwei Links dazu, falls es den einen oder anderen interessiert.

http://snowcrystals.com/
http://www.its.caltech.edu/~atomic/snowcrystals/photo2/photo2.htm

Mich hat damals die unglaubliche Ästhetik der Bilder spontan gefangen genommen. Das Photo-Setup habe ich erst viele Jahre später nach sehr viel Lektüre des photomacrograpy-Forums richtig verstanden und verwende ich jetzt im Grunde ähnlich für Mineralienfotos usw.

Viele Grüße
Björn

Bob

Hallo zusammen,
es gab von Olympus früher ein umfangreiches System für diesen Übergangsbereich der Vergrößerung. Das Stativ entspricht etwa dem des Olympus SZ? Stereomikroskops mit Atomkraftwerk-Design. Dazu gab es ein Balgengerät, das senkrecht montiert wurde, und dann verschiedene Objektive, von unter 1x bis etwa bis 16x Vergrößerung. Gut daran verwendbar ist auch ein 50mm Vergrößerungsobjektiv mit dem man etwa 1:1 abbildet.

Viele Grüße,

Bob