Tintenfärbungen für botanische Schnitte

Begonnen von Fahrenheit, Februar 25, 2021, 11:03:32 VORMITTAG

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

im Thread "Astrablau-Safranin-Färbung" hat Bob ein Foto von einer Färbung mit Herlitz Tinte Königsblau gezeigt (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=40038.msg295325#msg295325).
Hintergrund war mal wieder eine Diskussion zur Beschaffung der für die klassischen botanischen Färbungen benötigten Farbstoffe. Bobs Vorschlag greift da eben auf eine sehr preiswerte, überall erhältliche Färbelösung zurück, die in der Literatur für kindgerechtes Mikroskopieren durchaus Tradition hat (z.B. Was ist Was Reihe "Das Mikroskop"). Auch lagen meinem ersten Kosmos Mikroskop zwei Röhrchen mit Methylenblau (oft der Hauptbestandteil der königsblauen Tinten) und Eosin (dito für rote Tinten) mit entsprechender Anleitung bei.
Im ,,Großen Kremer" gibt es zudem einige Rezepte zur Färbung mit Methylenblau (Auflage 2002, Seiten 270 ff. 90.3.7 bis 9.3.10)

Dazu muss gesagt werden, dass Tinten gemäß ihrer Verwendung in Füllern verschiedene Zusatzstoffe bis hin zum Zucker enthalten können, die man beim Färben mikroskopischer Präparate natürlich nicht so gerne sieht. Auch stellt sich die Frage nach der Haltbarkeit solcher Färbungen in klassischen Dauerpräparaten. Gemeint ist hier das Entwässern über Isopropanol und Eindecken in Euparal. Mit wasserbasierten Eindeckmitteln habe ich bezüglich der Haltbarkeit der Eindeckmittel selbst bisher keine guten Erfahrungen gemacht.
Ich gestehe: ich habe nie mit Tinten gefärbt, Bobs Beispielbild, das im Prinzip eine schöne Differenzierung zeigt, hat mich aber neugierig gemacht und so habe ich einen kleinen Test gemacht.
Zum Einsatz kommt die von Bob vorgeschlagene Herlitz Tinte Königsblau (2 Tropfen auf 10 Tropfen Aqua dest. direkt auf den Schnitten), Eosin Y von Chroma (wässrige Lösung 1%) sowie die beiden Pelikantinten 4001 Königsblau und Rot (hier wieder je 2 Tropfen auf 10 Tropfen Aqua dest.).
Als Probenmaterial dienen frische Querschnitte vom Blattstiel des Efeus (Hedera helix) mit einer Dicke um 50µm. Die Färbezeit nach Schnittfixierung in AFE liegt jeweils bei ca. 20 Minuten, nach dem Fixieren und nach jedem Färbegang wurde gründlich mit Aqua dest. gespült.

Fotografiert habe ich jeweils direkt nach dem Eindecken in Euparal sowie nach Aushärten der Präparate auf der Wärmeplatte (ca. 45 Grad) nach 7 Tagen.

Hier nun die Ergebnisse im Vergleich.

Zum Vergleich zunächst ein Blattstiel des Efeus im frischen, ungefärbten Schnitt, sowie in FCA Färbung. Dabei ist ein Detail des frischen Schnittes beschriftet, sodass man sich ein Bild von der Differenzierung der Zelltypen im Vergleich machen kann.

Bilder 1a-g: Efeu Blattstiel im frischen, ungefärbten Schnitt sowie mit Etzold FCA








Die Herlitz-Tinte gibt es kostengünstig in der Großpackung. Ich habe mich für Patronen entschieden, da man die ggf. auch ihrer normalen Verwendung zuführen kann, während ein Tintenglas vermutlich einfach nur einstauben würde.

Bild 2: Herlitz Königsblau patronen im Glas


Und nun schauen wir einmal, wie das beim Efeu mit der Herlitz Tinte Königsblau aussieht. Zunächst die Farbwirkung direkt nach dem Eindecken:

Bilder 3a-d: Frisch eingedeckt - Efeu Blattstiel quer, Färbung Herlitz Königsblau, Bild 2c im Polarisationskontrast





Und nach 7 Tagen:

Bilder 4a-c: Nach 7 Tagen - Efeu Blattstiel quer, Färbung Herlitz Königsblau




Wir sehen: die Farbwirkung hat etwas nachgelassen, ist im Ganzen aber noch gut. Die Differenzierung der Färbung erlaubt mit etwas Erfahrung, alle Gewebe des Schnittes sauber anzusprechen.
Auffällig ist, dass Zellorganellen wie z.B. die Chloroplasten angefärbt sind, was insbesondere im Rindenparenchym gut zu erkennen ist (Bilder 3d und 4c).
Einige Zellen enthalten jedoch Farbschlieren, die dort nicht hin gehören, z.B. beim Übergang vom Phloem ins Sklerenchym in den Bildern 3b & 4b. Sicher den Beigaben der Tinte geschuldet, die für einen zusammenhängenden Tintenfluss und ein gutes Eindringen / Anhaften am Papier sorgen sollen.

Glockenschlag zur zweiten Runde! Wie sieht es aus, wenn zusätzlich zum Herlitz Königsblau mit Eosin gegengefärbt wird? Wie oben zunächst die frisch eingedeckten, dann die 7 Tage alten Präparate.

Bilder 5a-c: Frisch eingedeckt - Efeu Blattstiel quer, Färbung Herlitz Königsblau und Eosin sukzedan




Und nach 7 Tagen:

Bilder 6a-c: Nach 7 Tagen - Efeu Blattstiel quer, Färbung Herlitz Königsblau und Eosin sukzedan




Zunächst fällt auf, dass die blaue Farbe schon beim Eindecken blasser ist, als bei der vorangegangenen Einfachfärbung. Auch die Färbung der Zellorganellen ist fast komplett verschwunden. Dafür färbt das Eosin die sklerifizierten Zellwände des Xylems und des Sklerenchyms sehr gut an. Die Differenzierung der verschiedenen Zelltypen ist gut.
Leider verblasst auch hier die Färbung bereits nach 7 Tagen mehr als deutlich. Somit sieht es bezüglich einer langen Haltbarkeit nicht gut aus.

Und nun in die dritte Runde! Leider habe ich von Herlitz keine einfache rote Tinte gefunden. Bezüglich der verwendeten Hilfsstoffe schien es mir jedoch nicht geraten, Tinten unterschiedlicher Hersteller zu mischen. Da auch die Wirkung einer anderen blauen Tinte nicht uninteressant ist, habe ich für den dritten Versuch Pelikan Tinte 4001 in Königsblau und Rot bestellt. Diesmal aber nur 2 6er Heftchen:

Bild 7: Die verwendeten Pelikantinten 4001


Gefärbt habe ich übrigens, wie bei allen meiner Färbungen, im Uhrglas:

Bilder 8a-d: Färbestufen mit Pelikan 4001 - erst blau, dann rot





Und hier die Ergebnisse in der nun schon gewohnten Reihenfolge:

Bilder 9a-c: Frisch eingedeckt - Efeu Blattstiel quer, Färbung Pelikan 4001 Blau & Rot sukzedan




Bilder 10a-c: nach 7 Tagen - Efeu Blattstiel quer, Färbung Pelikan 4001 Blau & Rot sukzedan




Wir sehen ein ähnliches Bild wie bei der Kombination Herlitz Königsblau und Eosin. Nur dass das 4001 Blau die Zellorganellen von Anfang an gar nicht färbt, die Farbwirkung auch bei den frischen Schnitten schon blasser ist und ebenfalls nach 7 Tagen stark verliert. Die Differenzierung der verschiedenen Zelltypen ist auch hier gut.

Fazit: die größte Chance auf eine einigermaßen haltbare Färbung ergibt sich in diesem kleinen Test mit der Herlitztinte ohne Gegenfärbung. Mit etwas Erfahrung gelingt die Differenzierung der Zelltypen einwandfrei ohne direkten Vorteil zu den ungefärbten Schnitte. Sicherlich ein kostengünstiger Einstieg in die Welt der gefärbten botanischen Schnitte.
Die Färbungen mit Eosin als 1%ige Lösung oder in Form einer Tinten bieten anfänglich eine gute Differenzierung, verblassen jedoch sehr schnell. Hier lohnt meines Erachtens die Weiterverarbeitung als Dauerpräparat nicht.

Was bleibt offen:
- Neben den hier getesteten Tinten gibt es natürlich noch jede Menge andere Produkte am Markt, die ggf. für den Zweck des Mikroskopikers
  bessere Eigenschaften aufweisen können.
- Wie sich ein Eindecken mit einem wasserbasierenden Eindeckmittel wie z.B. Magnacol oder einem UV-härtenden Mittel wie Eukitt UV auf die
  Stabilität der Färbung auswirkt, wurde nicht untersucht.
- Wie die Schnitte nach 6 Monaten oder Jahren aussehen, kann hier (noch) nicht gesagt werden. FCA oder z.B. Wackerfärbungen sind nach 10 Jahren
  im Wesentlichen noch intakt.

Empfehlung: Wenn keine der klassischen Färbemittel zur Verfügung stehen, und keine Dauerpräparate erstellt werden sollen, eignen sich die hier vorgestellten Färbungen auf jeden Fall zur Übung der Vorgehensweisen und zum Erstellen von Fotodokumentationen von den frisch gefärbten Schnitten.

Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Newtoo_n

Hallo Jörg,

vielen Dank! Das ist wirklich eindrucksvoll demonstriert.

Viele Grüße
Dieter

deBult

Jorg, thank you for the experiment.

It is (again) clear the typical microscopic color agents have their purpose.

Maarten
Reading the German language is OK for me, writing is a different matter though: my apologies.

A few Olympus BH2 and CH2 stands with DIC and phase optics.
The correct number of scopes to own is N+1 (Where N is the number currently owned).

Bob

Hallo Jörg,
danke für den sorgfältigen Vergleich! Falls ich dazu komme, gucke ich nach, was mein Tintenpräparat macht. Ich vermute, dass ich direkt etwas kräftiger gefärbt habe, so dass es eingedeckt etwas kräftiger war. Eine andere Quelle für Tinten wären die aus dem Tintenstrahler. Ein kurzer Test mit schwarzer Tite erweckte aber den ersten Eindruck, dass sie sich am Schnitt nicht fest anlagerte.
Witzig finde ich ja, dass Deine rote und blaue Tinte sogar schön differenzierten.

Haupt-Interessengruppe für die Tintenfärbung sind ja Minimalisten, die nur Mikroskop, einen Objektträger und ein Deckglas haben. Ohne Eindeckmittel stört die geringe Dauerhaftigkeit nicht, und die Flecke sind für den Anfänger sicherlich verschmerzbar.

Viele Grüße,

Bob

Fahrenheit

Liebe Freunde,

gerne geschehen!

Ja, in der Entwicklung der botanischen und zoologischen Mikrofärbungen steckt jede Menge Gehirnschmalz, immer auch mit dem Blick auf die folgende Versiegelung zum Dauerpräparat. Leider sind die meisten Rezepte etwas älter und die Autoren konnten noch nicht ahnen, was dereinst für ein Brimborium um den Verkauf von Allerweltschemikalien an Privatleute gemacht wird.
Als etwas älteres Semester, noch mit den Herren Römpp und Raaf sowie einem eigenen Kellerlabor aufgewachsen, wundere ich mich, dass ich mein bibliches Alter überhaupt erreicht habe, ohne mich zu vergiften, zu verätzen oder in die Luft zu jagen. :D

Als Notbehelf oder zum reinen Fotografieren frischer Schnitte sind die Tintenfärbungen sicherlich geeignet, für mehr aber nicht. Dass sich mit Methylenblau und Eosin recht gut differenzierende Färbungen erstellen lassen, ist allerdings nicht neu - wie oben geschrieben, gab es genau dafür kleine Röhrchen mit den beiden Stoffen in den Mikroskopkästen von Kosmos. Mein Eosin stammt sogar noch aus dieser Quelle, ist also gut 40 Jahre alt.
Die Funktion des "Tintenkillers" beruht sogar auf Methylenblau und einfache rote Tinten enthalten in der Regel Eosin, daher klappt die Färbung mit den 4001er Tinten von Pelikan so schön. Wichtig ist, zunächst mit der blauen Tinte zu färben.

Vielleicht ganz interessant zu Lesen: eine Facharbeit zum Thema tinten:
https://www.silverberg-gymnasium.de/wp-content/uploads/2015/10/Facharbeit-Beispiel-Chemie.pdf

Herzliche Grüße
Jörg   
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