Gesammeltes: Die Astrokamera und das Mikroskop

Begonnen von Marcus_S, März 13, 2021, 13:13:37 NACHMITTAGS

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Marcus_S

Moin!

Da hier immer mehr Astrokameras eingesetzt werden, da mache ich doch einfach mal ganz dreist eine Ecke auf, in der wir die Fragen und Erfahrungen dazu sammeln können.

Viele Grüße von

Marcus


Marcus_S

Moin!

Ein paarmal habe ich schon was zu meinem Aufbau angedeutet, so hier:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=37494.msg279178#msg279178


Und neulich fragte Frank:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=40360.msg297694#msg297694

und bekam als Antwort
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=40360.msg297702#msg297702


Wenn ich meine anderen Beiträge wiederfinde, dann verlinke ich die hier noch.


Nochmal Grüße von

Marcus


Marcus_S

Hallo Heike,

ich bin Dir noch die Antwort auf den technischen Teil Deiner Frage https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=40355.msg297812#msg297812 schuldig, da antworte ich doch gern.


Bildaufnahme-Software...
Am Mikroskop nutze ich FireCapture 2.7 beta. Läuft bei mir schön stabil. Ganz besonders nett: das Nutzen des Arbeitsspeichers als (bei mir rund 3 GB großer) Bilderpuffer. Flottes Knipsen ohne Ende und der Rechner sortiert dann die Bilder aus dem schnellen Arbeitsspeicher in Ruhe auf die langsame Festplatte. Fantastisch, um Tümpeltiere zu jagen. Bildaufnahmerate eigentlich nur begrenzt durch USB3. Und rund 25 Bilder/s in Vollaufösung reichen meist aus.
Ich hab mir ein paar "Filter" eingerichtet (man kann ja auch "Arbeitsprofile" sagen), dann kann man die Grundeinstellungen für verschiedene Aufnahmeparameter festlegen und auf Knopfdruck abrufen, total praktisch in der Theorie, aber noch nicht probiert.
Sharpcap kenne ich nicht, ich bin mit FireCapture aber derart zufrieden, daß ich gar nichts Anderes ausprobieren mag.


Geschwindigkeit ASI120MC-S...
Die ASI120MC müßte aber mit einem 40er auch schneller können. Ist in Sharpcap Gain 0 wenig oder viel? Müßte ich mal ausprobieren, die 120er liegt im Regal, mir ist die zu grobpixelig und der Chip zu klein.
Ich habe aus Neugier meine Nachtruhe abgekürzt und als Erkenntnis: ich bin überrascht und bestätigt. Überrascht, weil die zum "Übersteuertwerden" an meinem Aufbau viel weniger Licht braucht als die 178MM. Bestätigt, weil mir das nichts nützt, bei der Anpassung an meinem Aufbau sieht man dann nur hochempfindlich kleine bunte Klötzchen, ich müßte die Reduzieroptik rausschmeißen und dann ist mir das Bildfeld viel zu klein. Außerdem macht die mich im 12bit-Betrieb mit dem Debayering wahnsinnig, ich krieg das nicht hin. Ich mach wieder SW, bin alt genug, daß ich das darf, die 120MC-S kommt wieder ins Regal.
Aber irgendwas muß bei Dir faul sein oder ich hab das nicht richtig nachgestellt. Mit dem 40er kann ich die Beleuchtung fast nicht weit genug runter(!)regeln, daß die Kamera nicht übersteuert wird, komisch. Gönn der Kamera mal ein wenig Verstärkung, nach DaBla sollte die dann ja auch etwa weniger rauschen.


Bildbearbeitung...
Zum Verhübschen nutze ich mittlerweile nur noch imPPG 0.6.2. Ist ja eigentlich für Sonnenbeobachtung. Geht also auch für Sonnentierchen. Und ein plattgedrückter Ciliat hat auch was von Mond... Mehr als Schärfen und liebevolle (und teilweise beherzte) Tonwertkorrektur mit auch mal ziemlich wild verbogenen Gradationskurven (heißt das so?) mach ich eigentlich nicht.
Die Aufbereitung (zurechtschneiden, beschriften, wandeln nach jpg) mache ich mit IrfanView. Da ich bisher nicht fotografiere, sondern knipse, da belästige ich die Welt mit unebenem Hintergrund und nicht weggestempelten Bakterien und so. Also fast "Bio-Fotos" ;-)


Andere Spektralbereiche...
ASI178MM und Rotfilter: das müßte eigentlich gehen. Soll heißen, das geht. Mit einem Rotfilter 25A + BelOptik UVIRCut on KG3 (also einem resultierenden Bandpaß ca. 600 nm - ca. 700 nm) kann ich mit Halogenbeleuchtung in eine Rädertierin gucken, kein wirkliches Problem: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=40360.msg297611#msg297611 Vermutlich ist die/Deine LED im Roten zu schlapp, deswegen war das vielleicht nicht erfreulich. Aber deshalb brauchst Du wohl auch keinen IR-Sperrfilter.

Meine Halogenbeleuchtung macht das Bild ohne Beloptik-Filter jedenfalls mit der 178er ausreichend matschig (Ist auch mehrfach untersucht, auch hier im Forunm von Peter H.), im Roten und im IR kommt also noch was. Deshalb hab ich auch einen zweiten IR-Filter im Beleuchtungsstrahlengang, um die Tierchen nicht zu dünsten.
Jedenfalls kann/will ich schn lange IR-Mikroskopie mal probieren. Hab aber nur den ProPlanet 642 BP. Den "langen" wollte ich immer mal bestellen...
Und am anderen Ende hab ich mal mit einem 405 nm-Interferenzfilter mit der 178 Diatomeen probiert - wunderbar.


Die 178MM an sich...
... und warum machst Du dann mit der 120 rum? ;-)
Die 178 wurde ja sogar jüngst von Peter H. geadelt, der arbeitet ja nun auch mit der.


Ich hoffe, ich hab nichts vergessen. Viel Spaß bei Deinen weiteren Experimenten!


Viele Grüße von

Marcus

Marcus_S

Moin!

Weil sich sicherlich Menschen fragen: "Was macht der da und warum?", da will ich schnell meine Kameranpassung beschreiben.


Gegeben:
Ein Spielkind, ein vorhandenes Mikroskop, zwei vorhandene Astrokameras (ASI120MC-S und ASI178 MM), keine Lust auf den im Schrank liegendenden Turmaufbau mit Projektiv und Spiegelreflex und Speicherkartenspielchen.

Gesucht:
Eine Lösung für die Astrokamera am Mikroskop.

Lösung 1:
Kamera direkt ins (bei mir) auskorrigierte Zwischenbild bringen.
Geht, mir ist der Bildausschnitt aber mit den vorhandenen(!) Kameras zu klein. Was mit ziemlich genau dieser Lösung aber möglich ist, hat Michael (sushidelic) hier mehrfach eindrucksvoll gezeigt.

Lösung 2:
(hier ausgeführt, aufgebaut und mit viel Vergnügen bespielt)
- Auf dem schaltbaren Trinotubus ist an der Ringschwalbe ein selbstgebastelter Adapterring montiert. Dieser bildet den Übergang Oly-Schwalbe auf Fotoobjektiv-Filtergewinde E49. Innen in dem Adapterring sitzt ein Gewinde M28,5*0,5, in das ich verschiedene Filter aus dem Astrobereich einschrauben kann.
- In dem Adapterring ist derzeit ein UV-IR-Sperrfilter eingeschraubt.
- Auf dem Adapterring ist mit dem Filtergewinde ein normales Spiegelreflex-Objektiv montiert, derzeit ein uraltes Pentax Takumar 1:1,8 55 mm. Dieses Fotoobjektiv verkürzt die Brennweite der Tubuslinse und führt zu einem Vergrößerungsfaktor von 0,45.
- Am M 42-Anschluß des Objektivs sitzt ein möglichst kurzer, selbstgebastelter Adapter M42 -> T2.
- An den Adapter ist die Kamera mit dem T2-Gewinde angeschraubt.
- Von der Kamera geht es dann per USB3 an den Rechner, der ist nix Dolles, ein einfacher Büro-PC von der Stange, bestimmt 2 Jahre alt, 8 GB Speicher.
- Software nutze ich die Freeware FireCapture (habe ich oben beschrieben)

Ergebnis und Kritik zur ausgeführten Lösung:
- der Aufbau tut das, was ich mir davon erwarte.
- das mit dem Objektiv paßt gerade so, man kommt gerade eben in den Fokus. Das Objektiv dürfte auch wirklich nicht länger bauen.
- ich finde das Arbeiten am großen Bildschirm zum Knipsen komfortabel
- ist das sehr angenehm, weil das zumindest gegenüber vorsintflutlichen SLR-Kameras überhaupt keine Erschütterungen verursacht, sofern man nicht zu begeistert auf der Maus die Aufnahme auslöst. Oder man auch schnell ein Mehrfach-Bild aufnehmen kann, eins davon paßt schon. Oder man nimmt von dem Tierchen eben einfach gleich ein unkomprimiertes Video auf, 16 bit, kein Ding. Dann kann man nachher in Ruhe aussuchen, welches Detail man haben möchte.
- das (einmalige) Fokussieren erfolgt mit dem Schneckentrieb des Fotoobjektivs. Bei der Auflösung, die die heutigen Kameras liefern, da muß man aber über eine gewisse Schlabbrigkeit (verstellbare Mechaniken brauchen eben Spiel und bei der Pixelgröße von 2,4 µm der ASI178 sieht man alles...) hinwegsehen.
- ist der Aufbau aus vorhandenem Zeug zusammengestöpselt. Es gibt sicher Bilfeldwölbung und sonstige Fehler, ein bestimmt 40 Jahre altes Fotoobjektiv ist sicher nicht für 2,4 µm Filmkorn gerechnet.
- ausnahmsweise als Anwender: mich interessiert hier im Moment(!) nur, daß das funktioniert. Sollte ich mal mit Metallographie anfangen, sieht das sicher anders aus.

Warum die Reduzieroptik?
- Ich habe keine Lust gehabt, mich lange mit Rechnungen zu befassen, also habe ich probiert.
- Der Chip der 178 ist ziemlich klein, für größere Objekte wird das mühsam. Da mußte eine Lösung her.
- Dann habe ich beschlossen, daß zwischen dem Abbilden der Mondoberfläche und dem Abbilden eines Tümpeltierchens kein grundsätzlicher Unterschied besteht.
- Die Hobbyastronomen haben sich mit der Frage der optimalen Aufösung bei optimaler Lichtausnutzung ausgiebig auseinandergesetzt und das führt zu der Faustformel: 3,6 Pixel je Beugungsscheibchen für S/W.
- Die Beugungsscheibchen kann man am Mikroskop einfach ausrechnen und stellt fest, daß 2,4 µm Pixel in S/W für optimale Lichtausnutzung nach der Faustformel etwas zu fein sind.
- verkleinert man das Zwischenbild durch eine Optik (hier das Fotoobjektiv), dann paßt die Abtastung besser (bei meinem Objektivpark 1,7 bis 5,0 statt 3,7 bis 11,2 ohne Anpassung), wenn man ein wenig Auflösung verschenkt und lieber den größeren Bildausschnitt und die "gesammelte Photonenpower" möchte. Möchte ich.

Warum nicht einfach eine andere Kamera?
Kann man machen, aber...
- die ASI178MM ist da. Kostet mich nichts. Eine neue, ordentliche Kamera kostet über 1000 Euro. Aber die ASI178MM kriegt man derzeit für unter 400 Euro, falls man auch eine will, aber noch keine hat.
- der Bildausschnitt reicht mir so gerade eben und macht mir trotzdem Spaß.
- mit der ASI178MM kann man sich aufgrund der Flexibilität prima als Hobbywissenschaftler fühlen:
  -- normale, schön abgestufte 14-bit-SW-Bilder
  -- man kann den Bildausschnitt (ROI) in der Aufnahmesoftware verkleinern und kommt so problemlos auf 500 Bilder/s, mit Glück auch mehr.
  -- ist die ASI178MM über einen weiten Spektralbereich empfindlich. Deswegen auch der zusätzliche IR-Filter bei Halogenbeleuchtung, die Kamera hat nur ein Schutzglas.
  -- ist die Kamera flott und der Rechner schafft die Daten auch weg. Bei einem größeren Chip sinkt die Bildrate, zumindest garantiert bei meinem Rechner.
  -- Kann die Kamera auch ein 2*2-Binnung. Und dann kann man damit zu Hause Fluoreszenzmikroskopie machen, wunderbar. Man kriegt dann problemlos Dinge zu sehen, die mit dem Auge nicht einmal erahnbar sind. Rauscht dann ein wenig. Aber (rauschende) Fluoreszenz-Videos sind überhaupt kein Problem. Wenn die fluoreszierenen Organellen in der Zwiebelzelle wandern, hübsch.
- Kann man von Pflanzenschnitten auch bunte Bilder machen, die Schnitte halten still und dann macht man eben RGB, also drei Bilder und rechnet die zusammen. Hat Peter H. hier auch schon vor Jahren gezeigt, wie schön das geht.

Wie ließe sich das verbessern?
- in den Keller huschen und endlich mal einen Adapter für Mikroskop auf Kamera (Zwischenbild, Lösung 1) drehen.
- irgendwo eine andere Zwischenoptik auftreiben, die einen Faktor von rund 0,8 ergibt, das wäre dann der optimalste ;-) Kompromiß. Ich könnte einen Sucher vom Fernrohr schlachten...

Das liest sich alles so wunderbar, gibt es auch Nachteile?
Ja, gibt es.
- Die Bildwiederholrate ist nicht fix, die hängt von der Rechnerauslastung ab.
- Triggern kann man das Ding auch nicht.
- Astrokameras sind nicht dazu gedacht, fertige hübsche Bilder zu machen. Etwas übertrieben kriegt man einen Chip im Gehäuse mit Kabel dran. Da ist kein weichzeichnender Tiefpaßfilter, kein Bildverhübschungsprozessor dabei, kein Berge- und kein Blümchenmodus, keine rote-Auge-Erkennung. Muß man alles selber machen.
- Wäre ich vorsichtig, mich in sowas wie Photometrie zu versteigen. In einem Astroforum (astrotreff.de) wird angedeutet, daß der Chip der ASI178MM bei jedem Neustart irgendeine (nicht dokumentierte) interne Helligkeitskalibrierung zu machen scheint.


Ich hoffe, ich hab nichts vergessen. Beschönigt habe ich aber auch nichts. Vielleicht hilft das mal irgendjemandem.


Und nochmal Grüße von

Marcus

Marcus_S


... und wenn man die ASI178MM mal schnell und einfach auf einen Peltier-Kühler legt, mit einer Kappe verschließt und runterkühlt, dann erreicht man hier auf dem Basteltisch bei rund 2,5 A und 8 V am Peltierelement eine ausgelesene Chiptemperatur von rund 15 °C, das ganze Gehäuse einfach mitgekühlt, kann der übrigen Elektronik sicherlich auch nicht schaden.

Dann habe ich die Kamera aufwärmen gelassen und bei voller Verstärkung (510, also 51 dB) Bilder geknipst, 1 s Belichtungszeit. Stark im Kontrast verstärkt (imPPG, Gamma 2,5), die oberen linken Bildecken ausgeschnitten und nebeneinandermontiert.

Ich sach mal: es dürfte lohnen, unter einer Chiptemperatur von 30 °C zu bleiben. Dazu könnte es vielleicht schon ein passiver Kühlkörper tun. Aus einer einfachen Planetenkamera wird so hopp-hopp nun mal keine Kamera mit Chipkühlung.

Ist alles nicht neu, wurde nur noch nicht hier von mir geschrieben...


Und nochmal Grüße von

Marcus