Mikroskopische Zentralbank - Mitt. 4: Die 200-€-Banknote und die „Mikrospiegel"

Begonnen von Horst Wörmann, April 02, 2021, 11:16:34 VORMITTAG

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Horst Wörmann

Liebe Freunde der Banknoten,

kürzlich konnte ich äußerst preisgünstig einen 200-Euro-Schein der neuen Serie erstehen. Ein Schnäppchen für den Mikroskopiker, denn darauf ist ein neues Sicherheitsmerkmal, das Satelliten-Merkmal.

Das ist bei den neuen 100- und 200-Euro-Banknoten im Bereich des Hologrammstreifens links oben auf der Vorderseite eingearbeitet (Vorderseite: die mit den Gebäudesymbolen). Beim Neigen der Banknote kreisen im oberen Bereich des Hologramms zwei €-Symbole um die Wertzahl herum, besonders prächtig zu erkennen im Sonnenlicht.
Im Internet ist das erklärt als Mikrospiegeltechnologie: ,,Winzig kleine Spiegel (ca. 40 000 pro mm²) sind dabei so ausgerichtet und ins Material geprägt, dass die Summe ihrer Reflexionen ein Bild ergibt, das sich zu verändern scheint, wenn der Kippwinkel der Banknote sich ändert."

Das Mikroskop zeigt allerdings etwas ganz anderes.


Bild 1: Übersicht im Auflicht-Dunkelfeld. Bildbreite 2,7 mm. Ziffer ,,2" der Wertzahl in der Mitte des Hologrammfeldes.



Bild 2: Hologramm-Oberfläche, Auflicht Hellfeld, Epiplan-Neofluar 10x. Bildbreite 1329 µm

Wir erkennen in Bild 2 ein Muster quadratischer Flächen, die offensichtlich keine Spiegel sind, sondern Beugungselemente, erkennbar an der gitterartigen Oberflächenstruktur.

Mikrospiegel würden bei einer vorgegebenen Beleuchtung unter einem bestimmten Betrachtungswinkel aufleuchten. Dieser Betrachtungswinkel, bei dem ein Mikrospiegel aufleuchtet, hängt von der Ausrichtung des jeweiligen Mikrospiegels zu einer Oberflächennormalen des Trägers ab.

Die Quadrate liegen aber flach auf dem Träger auf, können also nicht durch Winkeländerung unterschiedlich gerichtete Reflexion hervorrufen. Es handelt sich also nicht um eine Spiegelung, sondern um Beugungseffekte. Das beweist auch die starke Wirkung im Sonnenlicht: erst damit sieht man die kleinen Eurosymbole richtig, bei Raumbeleuchtung oder im diffusen Himmelslicht erscheinen sie als verwaschene Flecken. Das ist der Einfluß der größeren Kohärenzlänge beim Sonnenlicht, wie schon früher hier erklärt (Mitt.3).


Bild 3: gleicher Ausschnitt wie Abb. 2, jedoch Auflicht-Dunkelfeld. Der helle Bogen im Zentrum ist ein Teil der Wertzahl. Länge der horizontalen Bildkante 1329 µm.

In Bild 3 tritt durch die seitliche Beleuchtung im Auflicht-Dunkelfeld ein Bogen in der Wertzahl ,,200" deutlich hervor.
Das ist nun schon an sich eine Spitzenleistung der Prägetechnologie, läßt sich aber immer noch toppen: auf der Oberfläche ist eine polarisierende Schicht aufgebracht, wie Bild 4 an derselben Präparatestelle zeigt. Leider erschwert diese Schicht höhere Vergrößerungen, die Bilder mit Objektiven >50x werden verwaschen, siehe Bilder 5-7.


Bild 4: derselbe Ausschnitt wie Bilder 2 und 3, aber im Hellfeld mit gekreuzten Polfiltern. Die dunklen unscharfen Linien gehören zu einem Muster auf der Oberfläche.


Bild 5: Ausschnitt aus dem hellen Bereich in Bild 3: gleichgerichtete Gitterstrukturen mit einer Periodizität von 1000 Linien/mm. Die Unschärfe wird durch die Beschichtung erzeugt, die für den polarisierenden Effekt in Bild 4 verantwortlich ist. Bildbreite 267 µm.


Bild 6: ungerichtete Gitterstrukturen an anderer Stelle. Bildbreite 267 µm


Bild 7: wie Bild 6, Dunkelfeld. Bildbreite 267 µm.

Die Fläche der einzelnen Quadrate beträgt 30 µm x 30 µm = 900 µm². Das entspricht etwa 1.110 pro Quadratmillimeter, nicht 40.000 oder - wie auf einer anderen Webseite behauptet - gar Millionen.
In der Summe erzeugen die Gitterstrukturen einen zweidimensionalen Bewegungsablauf (sind also kein Hologramm im engeren Sinne). Hergestellt werden diese Folien durch Prägung, Genaueres ist nicht zu erfahren - die Sicherheitsdrucker sind verständlicherweise eine sehr verschwiegene Branche. Alle Erklärungen im Internet sind wie oben gezeigt mit Skepsis zu lesen.

Auf den Fotos kommt die Farbenpracht der Hologramme nicht so recht zur Geltung; man leihe sich also einen Hunderter oder Zweihunderter und beobachte selbst im Auflicht. Es geht auch ohne Auflichteinrichtung, ein 5er oder 10er Objektiv und seitliche Beleuchtung mit einer Taschenlampe reicht. Bei der Gelegenheit auch die Kippzahl untersuchen, die ist bei den neuen 100ern und 200ern nochmals verfeinert worden. Das Prinzip ist aber das gleiche wie in Mitt. 3 oder auf unserer Webseite beschrieben.

Auf dem 200er ist mir auch erstmals gelungen, die Magnetcodierung des Sicherheitsstreifens mit einem magnetooptischen Verfahren mikroskopisch sichtbar zu machen:

Bild 8: Magnetische Codierung auf dem Sicherheitsstreifen.

Theorie und Praxis des Verfahrens sind etwas komplex; das würde den Beitrag sprengen und wird demnächst gesondert beschrieben.

Viele Grüße aus Bonn
Horst Wörmann
(Bildnumerierung korrigiert unter Bild 7)

Herbert Dietrich

Hallo Horst,

ein sehr interessanter Beitrag, der mich anregt, auch einmal Geldscheine unters Auflichtmikroskop zu nehmen.

Meine wichtigste Frage, woher kann man "äußerst preisgünstig einen 200-Euro-Schein der neuen Serie erstehen"
Da würde ich dann auch großzügig zuschlagen :)

Herzliche Grüße

Herbert

bewie

Wow, starke Bilder, interessanter Beitrag!
Vielleicht bekomme ich ja auch mal billig einen 200-Euro-Schein, den ich unters Mikroskop legen kann, bevor ich ihn verjubele  ;)

LG Bernhard

Rene


witweb

Hallo Horst,

selbst wenn man den vollen Preis bezahlt, sind ja 200.- für so ein Hightech-Produkt immer noch ein Schnäppchen.  :)

Danke für die Info und die tollen Bilder!

Viele Grüße

Michael
Leitz Orthoplan
Zeiss Standard 18 mit Fluoreszenz-Auflichtkondensor IV FL
Lomo Biolam, Motic SMZ-168
Canon EOS 750D
https://mikrokristalle.net
https://www.youtube.com/@Mikrokristalle

jcs

Hallo Horst,

sehr spannender und gründlich recherchierter Beitrag! Da haben sich ein paar Leute bei der EZB offenbr einiges überlegt in Bezug auf Fälschungssicherheit. Ist sicher nicht einfach, die Prägemuster so zu entwerfen, dass der gewünschte Effekt eintritt.

LG

Jürgen

Horst Wörmann

Liebe Kollegen,

danke fürs Lob.
@Herbert & Bernhard: ich habe einfach über gugel nach Banknoten gesucht. Da kommen bei mir immer so tolle Angebote: kaufen Sie Banknoten über billiger_de, preisvergleich_de und aus der Bucht, daselbst einen 200er für nur 239 Euro. Zugeschlagen habe ich dann bei der Sparkasse, für nur 200 ! versandkostenfrei!

@ Jürgen: die Ideen kommen nicht von der EZB, dazu ist sie nicht da. Das machen Firmen wie Giesecke+Devrient für Hochsicherheitsdruck und Logistik, Louisenthal für das Sicherheitspapier, Kurz für die Prägefolien, Koenig&Bauer für die Intaglio-Druckmaschinen, Zeiser für die Numerierwerke. Zum Teil Hidden Champions, die keiner kennt, aber Weltmarktführer sind. Hunderte von einschlägigen Patenten jedes Jahr.
Es gibt auch kaum einen physikalischen Effekt, der nicht auf einer Banknote als Sicherheitsmerkmal verarbeitet wäre. Die neuere Entwicklung ist die Effekte ineinander zu verschachteln, so daß der Fälscher nicht hinter den Trick kommt.

Viele Grüße
Horst

hugojun

Hallo Horst,
auf das Magento-optische Verfahren bin ich sehr neugierig.
Da ich schon mit der Technik gearbeitet habe , interessieren mich natürlich Deine Erfahrungen.
Ich vermute, es geht nicht um das klassische Keer-Verfahren, sondern um den Faraday-Effekt
Bei GGG-Dünnschichten auf Spiegel und Substrat?
Ab wann kommen denn die neuen 200´deter auf den Markt? Dann dürften die doch nicht mehr als 200 Euro kosten?
Erledigt
LG
Jürgen

Horst Wörmann

Hallo Jürgen,

Kerr meinst Du wahrscheinlich, nicht Keer... Nein, dazu braucht man starke Magnetfelder.
Ansonsten vermutest Du richtig, ich mache das Faraday-Verfahren und Magnetsuspensionen.
Weil das alles nicht so einfach ist, dauert es noch ein bißchen mit dem Bericht.

Viele Grüße
Horst

hugojun


Fahrenheit

Lieber Horst,

das ist ja mal wieder sehr spannen und schreit geradezu nach einer Erweiterung Deines Artikels auf der MKB Seite!

Herzliche GRüße und Frohe Ostern an alle!
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Horst Wörmann

Lieber Jörg,

ja, eine Erweiterung kommt zum nächsten Update, bis dahin habe ich wohl auch die Magnetcodierung beschrieben. Wird also deutlich länger als das hier und mit Quellenangaben.

Viele Grüße
Horst