Plankton-Rädertiere-einige Anmerkungen

Begonnen von Michael Plewka, Juli 27, 2022, 17:57:59 NACHMITTAGS

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Michael Plewka

Neulich war ich mal wieder Plankton fischen. Nicht, dass jetzt "Planktonzeit" wäre. "Planktonzeit" ist eigentlich immer, es sei denn, eine Eisschicht verhindert den Zugriff auf das Gewässer. Plankton ist im übrigen NICHT dasjenige, was man aus irgendeinem Gewässer mit einem Planktonnetz herausfischt, sondern  Plankton ist die Gesamtheit derjenigen Organismen, die sich im freien Wasserkörper  aufhalten und deren Bewegungsgeschwindigkeit geringer ist als die des umgebenden Wassers.

Für alle Planktonorganismen stellt sich das Problem, in den oberen Wasserschichten zu verbleiben. Diejenigen, die Fotosynthese betreiben (Produzenten), brauchen das Licht;  die Konsumenten wiederum die Nähe zu den Produzenten. 

Eine Möglichkeit, in der oberen Schicht, der Nährschicht (Epilimnion) zu bleiben, besteht einer größtmöglichen Reibung mit dem umgebenden Wasser, die sich wiederum duch eine große Oberflächen-Volumenrelation ergibt. Eine solche Anpssung an das Schweben  findet man z.B. bei Diatomeen (z.B. Asterionella). Bei den Rädertieren des Planktons, mit denen ich mich seit einigen Jahren schwerpunktmäßig beschäftige, ist  für diese ökologische Strategie die Gattung Kellicottia das Paradebeispiel. Relativ extrem lange Dornen verhindern das Absinken, gleichzeitig stellen diese Dornen auch einen guten Schutz gegenüber potentiellen Fressfeinden (z.B. Asplanchna) dar:



mehr zu dieser Art hier:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Kellicottia%20longispina.html


Das Verhalten, die unbefruchteten (amiktischen) Eier am Körper mitzutragen,  ermöglicht  den   Jungtieren einen sofortigen Aufenthalt im Epilimnion nach dem Schlüpfen.  Hier als Beispiel Pompholyx sulcata, ein in einer benachbarten Talsperre ein sehr häufiges Plankton-Rädertier:



mehr zu dieser Art hier:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Pompholyx%20sulcata.html


Man kann außerdem die Tatsache, dass  aus unbefruchteten Eiern  fertige Tiere entstehen, als ökologische Anpassung an des Plankton-Leben aufffassen.
Dazu sollte man sich  vor Augen führen, was das "natürliche Umfeld" eines Planktonorganismus ist: die Antwort ist: NICHTS
Am Anfang der Populationsentwicklung liegt die Dichte von Plankton-Rädertieren bei ca. 30 Tieren / Liter. Bezogen auf menschliche Dimensionen wäre das ein Abstand  von ca. 300 m bis zur nächsten Person im freien Wasser. Da ist die Wahrscheinlichkeit, einen Sexualpartner  zu finden gleich null. Ähnliches glit natürlich auch für Algen. Deshalb  funktioniert lediglich die Vermehrung durch Parthenogenese bzw. Zellteilung. Somit gibt ein das folgende  Plankton-Bild mit dem Plankton-Rädertier Keratella und der Plankton-Alge Pandorina  nicht das "natürliche Umfeld"  wieder, sondern zeigt entweder ein extrem überdüngtes Gewässer mit unnatürlichem Algenwachstum, oder aber (wahrscheinlich  eher)  das im Planktonnetz aufkonzentrierte Plankton, also ein Artefakt:



Eine weitere Möglichkeit, das Absinken zu verhindern, besteht in der Anpassung der Dichte des Organismus im Vergleich zu der Dichte des Wassers. Bei den unbeweglichen Algen sind die auffälligen Lipidkugeln der Diatomeen ein schönes Beispiel.
("Fett schwimmt oben").

(Das Gegenteil davon sind beispielsweise Algen, deren Dichte größer ist als die von Wasser, wie z.B.  Closterium. Die in den "Tanzstübchen" befindlichen Bariumsulfat-Kristalle  wirken wie ein Ballast-gewicht, das die Algen nach unten zieht, was einem aber wahrscheinlich nur bei Betrachtung mit der Stereolupe auffällt.)


Bei einigen Plankton-Rädertierarten mit einer eher kugelförmigen Gestalt (was die Oberflächen-Volumen-Relation angeht) ,  findet man solche Lipid-Tropfen ebenfalls; hier einige Beipiele:  Gastropus stylifer (übrigens zur Planktonzeit: Dezember! fotografiert):



mehr dazu hier:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Gastropus%20stylifer.html


Pleurata uroglenae:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Pleurata%20uroglenae.html

oder Polyarthra:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Polyarthra%20dolichoptera.html


Zu dieser Strategie passt auch ein möglichst "wasserähnlicher" Körper  so, wie man es auch von den pelagischen Quallen kennt. Als Beispiel sei hier das "Sack-Rädertier" Asplanchna (girodi)  angeführt.  Diese Art:  A. girodi habe ich nun in NRW zum ersten Mal gefunden (die Schwesterart Asplanchna priodonta finde ich praktisch in jedem Teich hier in NRW)   zum ersten Mal in NRW gefunden habe. A. girodi unterscheidet sich von A. priodonta durch den wurstförmigen Dotterstock und den Kauer. Mehr dazu hier:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Asplanchna%20girodi.html

Interessant bei Asplanchna ist noch folgendes: Rädertiere besitzen verschiedene Sinnesorgane; nach außen orientiert sind die  sogenannten "Taster" , d.h. mit Cilien ausgestattetet Sinneszellen. Viele Plankton-Rädertiere haben einen Rücken- und 2 Seitentaster. Asplanchna hat dagegen ebenalls 2 Rückentaster. Hier ein Bild von einem der beiden Rückentaster:




Ein weiteres Plankton-Rädertier ist Ascomorpha ovalis, dessen Anpassung an das Plankton-Leben darin besteht, Algen mit einem speziellen Organ festhalten zu können, so dass diese anschließend ausgesaugt werden können. 
Mehr dazu hier:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Ascomorpha%20ovalis1.html

A. ovalis hat einen Panzer aus zwei Platten, welche eine filigrane Netzstruktur aufweisen. Die Bauchplatte besitzt 3 Öffnungen, von denen zwei  den Seitetastern den  Kontakt zur Außenwelt ermöglichen (Pfeilköpfe). Die Funktion der 3. Öffnung ist rästelhaft:



Fazit: Die Ökologie (Limnologie) als Naturwissenschaft hat in den letzten 50 Jahren 
1. die Grundlagen zur Beurteilung der Wasserqualität unserer Gewässer in Deutschland gelegt.
und 2. auf dieser Grundlage Möglichkeiten und die Notwendigkeit aufgezeigt, die Gewässer Qualität zu unserer aller Nutzen  zu verbessern.

Bestimmte Plankton-Arten sind dabei aufgrund ihrer Anpassungserscheinungen (so wie zuvor aufgezeigt) als Leitarten für die Bestimmung der Gewässergüte festgelegt. Es ist also klar, was Plankton ist und wo man es finden kann.

Vor diesem Hintergund  wird dann klar, dass hinterfragt werden muss, in welcher Weise die beispielsweise in einer Vogeltränke oder der Schwemm (die ich persönlich auch mehrfach beprobt habe) gefundenen Organismen  überhaupt als Plankton-Arten aufzufassen sind.


Beste Grüße
Michael Plewka


KayZed

Hallo Michael,

nach dem informativen taxonomischen Bericht deines Namenskollegen über Gastrotrichen nun wieder mal von dir ein excellenter Beitrag über die Anpassungsstrategien des Planktons mit deinen gewohnt kontrastreichen Bildern.

Ich denke, ss gibt beim Mikroskopieren von Wasserlebewesen im Wesentlichen zwei Zugänge:

Einmal die Freude an der Vielfalt der Formen oft noch verbunden mit schönen Bildern und zum anderen das Eindringen in die biologischen und ökologischen Zusammenhänge.

Beides ist völlig legitim, nur Letzteres braucht entsprechende Fachkenntnisse, die bekanntermaßen nicht so breit vertreten sind.

Es ist für mich und ich denke auch für viele andere Forumsmitglieder eine ungeheure Bereicherung von dir, Martin, Ole und anderen solche Beiträge zu lesen.
Und das nicht alleine wegen des Wissenszuwachses, sondern vor allem, weil man seine eigenen Beobachtungen viel spezifischer ausrichtet und damit mehr entdeckt.

Herzlichen Dank Michael
Und bitte bald wieder mal.

Grüße
KlausZ
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7

wejo

Hallo Michael,

dem Vorredner kann ich mich nur voll anschließen! Danke für diesen tollen Beitrag!

Gruß
Werner

Michael Plewka

Hallo Klaus, hallo Werner

vielen Dank für die Rückmeldungen!
Es freut mich, wenn der Beitrag  einen Wissenszuwachs bedeutet...

Beste Grüße
Michael Plewka

Bernd

Hallo Michael,

vielen Dank für deine sehr informative Zusammenstellung. Über deine - und auch andere - Definition(en) von Plankton könnte man sicher lange kontrovers diskutieren. Oder aber, besser, die Zeit zum Mikroskopieren verwenden.

Viele Grüße
Bernd