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Parfokalität

Begonnen von junio, April 21, 2021, 22:04:00 NACHMITTAGS

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junio

Liebe Foristen,
heute hatte ich einen sehr versierten Leitz-Mikroskopiker zu Gast und es entspann sich die Frage über den Einsatz des Leitz-Orthomaten, der derzeit im Forum ein großes Thema ist.
Ich (ein unideologischer Zeiss Mikroskopiker) erfuhr nun, dass der Einsatz des Orthomaten an vielen verschiedenen Leitz-Stativen möglich ist und ohne weitere Notwendigkeit einer Justage an allen Stativen immer ein scharfes Kamerabild liefert, wenn die Okulare für die Beobachtung im Zusammenhang mit dem Sehfehler des Auges sauber auf die Formatplatte des Okulars eingestellt sind.
Ich kann nur über das Zeiss-Endlichsystem berichten und weiß, dass die exakte Einstellung der Parfokalität zur Kamera durch leichte Anpasung der Kamera-Tubuslänge erfolgt. Aus diesem Grund hat am Trinokulartubus der Kameratubus ein Schneckengewinde, mit dem einmal auf Parfokalität eingestellt wird , was dann für die Optikkombinationen an diesem Stativ gilt. Diese Einstellung kompensiert m.W. optische und mechanische Toleranzen, die manchmal nicht unerheblich sind. Gilt das für Leitz-Produkte nicht, oder mache ich einen Denkfehler?
Die Möglichkeit der Tubuslängenänderung am Kameraausgang war bei älteren Zeiss-Trinokularen auch nicht möglich. Aber es wird doch einen Anlass zur Änderung der Konstruktion gegeben haben.
Ich bin auf Eure Meinung gespannt.

Beste Grüße von Jürgen aus Hagen

HCLange

Hallo Jürgen,

der Aufwand, um mechanisch die Parfokalität herbeizuführen, ist sehr hoch - im Klartext : Es muß alles mit geringsten Toleranzen gefertigt werden. So werden nach meiner Kenntnis alle aktuellen Spitzenmikroskope gefertigt.
Das mag für Zeiss ein Grund gewesen sein, bei den neueren Trinotuben die Justierbarkeit des Fototubus vorzusehen.
Ein anderer Grund könnte sein, daß an dieser Stelle noch eine Wechselstelle vorgesehen war : Man konnte den Fototubus mit Durchmesser 23,1 (okularseitig für Mikroskope) bzw. Durchmesser 30 (für Stemi) unten lösen, und stattdessen dort einen Tubus für C-Mount etc. ansetzen. Es gab Zeiss Standard Trinotuben, die serienmäßig so ausgerüstet waren.
Zeiss hat sich, wie üblich, vermutlich nie darüber geäußert...

Herzliche Grüße
Christoph

Silber_und_Licht

#2
Guten Tag Jürgen,

Dein versierter Leitz-Mikroskopiker hat natürlich recht - grundsätzlich. Aber das was er Dir in Bezug auf den Orthomaten und Anverwandte (z.B. Combiphot/Combiphot Automatic) richtigerweise gesagt hat, ist nicht gänzlich ohne Einschränkungen. Denn wie heißt es so schön bei Friedrich Schiller:"Des Lebens ungemischte Freude ward keinem Irdischen zuteil!" Ungemischt insofern als dass das was man Dir gesagt hat, letztlich nur für den FSA-Trinotubus gilt (und natürlich für die monokularen Phototuben), nicht jedoch für den älteren FS-Tubus.

Der FSA-Tubus - diametral verstellbar wie die alten Diametral-Tuben von Zeiss, allerdings durch eine seitliche Triebschraube und nicht einfach durch auseinander- oder zusammenschieben der Okularstutzen - hat in seinem Innenleben eine Mechanik, die die beim Verstellen der Pipullendistanz entstehende Weglängenänderung im Beobachtungsstrahlengang ausgleicht. Dadurch bleibt dieser immer parfokal zum Photostrahlengang, vorausgesetzt latürnich dass das visuelle Zwischenbild exakt auf die Strichplatte im Beobachtungsstrahlengang gelegt ist.

Dieser Mechanismus fehlt im FS-Tubus, daher funktionieren diese nur, wenn man eine Aufsatzkamera mit Einstellfernrohr zur beständigen Kontrolle der Bildschärfe am Photoausgang benutzt. Aus dieser Zeit stammen beispielsweise der MIKAS zur LEICA und LEICAflex und natürlich die ohnehin unter Mattscheibenkontrolle mittels Aufsatzlupe verwendeten 9x12 Kameras des Aristophot und des Panphot. Aber das sind alles Konstruktionen die nicht einmal mehr Schnee von gestern sondern eher von vor etlichen Jahren sind. Der FSA Tubus ist seit vielen Jahren der Tri-Tubus der Wahl bei LEITZ/LEICA und die Aufsatzkameras  dieser Firma in Verbindung damit eine sehr sichere Sache. Ich habe den Orthomaten auch in seinen moderneren Ausführungen zu Filmzeiten am Aristoplan sehr geschätzt.

Zeiss hat sich einen solchen Klimmzug gespart und anstatt dessen auf die Siedentopf-Technik mit ihrer Knickbrücke zurückgegriffen. Hier ändert sich bei der Verstellung der Pupillendistanz ja nichts und eine einmal vollzogene Justage bleibt erhalten. Bei den alten diametral verstellbaren Tuben war es eigentlich so gedacht, dass man die Okularstutzen auf eine dem Betrachter genehme Distanz einstellt, dann in der Mitte zwischen den Tuben auf der kleinen, sich mitdrehenden Skala das Maß des Tubusabstandes abliest und auf die skalierten Schnecken der beiden Okularstutzen überträgt. Damit sollten dann wieder korrekte Verhältnisse (ähnlich einer Nullstellung, passend zur mechanischen Länge des damals noch nicht verstellbaren Phototubus /-ausgang) hergestellt sein. Ich vermute aber dass sich das nicht wirklich bewährt hat, weil viele Benutzer meinen, diese Schnecken seien zur Justage auf die persönliche Sehstärke gedacht. Dem ist aber nicht so, dazu dienen dann verstellbare Okulare mit einer eigenen Schnecke - und evtl. Strichplatte.

Ein bisschen kompliziert in der Handhabung ist da ganze schon, speziell bei ZEISS. Ich hoffe aber, ein wenig geholfen zu haben.

Freundliche Grüße vom

Wolfgang
"Du" fänd' ich ganz in Ordnung.

das Schönste: ZEISS Lumipan
das Liebste: LEITZ Panphot II, Ortholux
das Beste: ZEISS Axiomat

eine etwas umständliche Vorstellung: www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=28652.0