Mikroskopische Zentralbank - Mitt. 5: Anti-Stokes-Lumineszenz

Begonnen von Horst Wörmann, April 25, 2021, 18:11:13 NACHMITTAGS

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Horst Wörmann

Liebe Freunde der Banknoten,

leider gibt es von mir keine schönen forumsadäquaten Bilder; wollte nur zeigen, was sich mit einem Mikrosköpchen so alles herausfinden läßt.

Ein wohlbekanntes Sicherheitsmerkmal sind die fluoreszierenden Druckfarben; unter UV-Licht leicht erkennbar, aber nicht mit üblichen Druckern zu kopieren. Bei der neuen Euro-Serie beispielsweise leuchten die Sterne in der Flagge auf der Vorderseite, die kleinen Kreise, die großen Sterne sowie mehrere andere Stellen gelb, die Melierfasern dreifarbig – rot, grün und blau.
Nachteilig ist, daß die Zahl der verfügbaren, mit hoher Strahlungsausbeute fluoreszierenden Materialien begrenzt ist. Diese sind weit verbreitet, nicht nur auf Banknoten, und ihre Eigenschaften sind gut bekannt und beschrieben. Folglich können derartige Leuchtstoffe auch von Fälschern beschafft und zum Nachdruck benutzt werden.

Eine Lösung des Problems sind ,,Upconversion"-Leuchtstoffe, die aufgrund der Zusammensetzung und des Herstellungsprozesses ganz individuelle Emissionsspektren liefern. Diese Luminophore wurden erstmals 1974 für die Anwendung in Sicherheitsdokumenten patentiert.
Eine solche Anwendung soll am Beispiel einer 50-Rubel-Banknote aus dem Jahre 1997 hier vorgestellt werden.


Abb. 1: Rubel-Bankote. Mit Upconversion-Pigmenten gedrucktes Detail hervorgehoben.

Im hellen Rahmen ist das Detail mit der Wertbezeichnung unten rechts hervorgehoben. Die Druckfarbe für dieses Muster enthält geringe Mengen des Leuchtstoffs. Bei Bestrahlung dieser Fläche mit einem Infrarot-Laser bemerkt man mit bloßen Auge grünliche Lichterscheinungen. Sie sind sehr lichtschwach, man braucht deshalb einen starken Infrarot-Laser mit 980 nm Emission und 100 mW (hochwertige Laser-Schutzbrille unbedingt erforderlich!).

Nun kann man den Laser in die Auflichtbeleuchtung einkoppeln und die Sache mikroskopisch untersuchen. Im Beobachtungsstrahlengang muß zwingend ein IR-Sperrfilter eingebaut sein, einerseits als Augenschutz, andererseits lieferte die Mikroskopkamera bei fehlendem Filter kein brauchbares Bild.

Im mikroskopischen Bild sieht man die Upconversion-Partikel aufleuchten; aufgrund von Kornform und Korngrößenverteilung nehme ich an, daß sie durch Vermahlung hergestellt werden. Es sind keine Nanopartikel. Die Partikeldichte ist sehr gering, deshalb das nur schwache Aufleuchten. In den üblichen IR-Testkarten - die nach demselben Prinzip funktionieren - sind die Partikel sehr dicht verteilt, was beim o.a. 100-mW-Laser zu einem hell strahlenden Leuchtpunkt führt.


Bild 2: Im IR (980 nm) angeregte, selbstleuchtende Leuchtstoffpartikel


Bild 3: Leuchtender Partikel bei hoher Vergrößerung (Zeiss Epiplan NF 100x/0,90, Optovar 1,60x)

Dem Mikroskopiker ist geläufig, daß bei der Fluoreszenz das emittierte Licht grundsätzlich eine größere Wellenlänge als das Anregungslicht hat. Hier ist es umgekehrt: eine  Umwandlung von Infrarot in energiereicheres sichtbares Licht, eine anti-Stokes-Lumineszenz - deshalb ,,upconversion".
Mit der Mikrospektralphotometrie ist es nun möglich, selbst von so kleinen Partikeln wie in Bild 3 Spektren des emittierten Lichts zu erhalten:


Bild 4: Übersichtsspektrum geringer Auflösung im Bereich 190 bis 930 nm, Partikel von Bild 3. Unkorrigiertes Spektrum, Ordinate in a.u.

Man findet zwei wesentliche Emissionsgruppen im Grünen bei 550 nm und  im Roten bei 650 nm, und sehr verwunderlich ist die starke Emission im UV bei 204/209 nm.


Bild 5: Hochauflösendes Spektrum der Emissionsgruppen 550 nm und 650 nm. Partikel von Bild 3. Unkorrigiertes Spektrum

In der Hochauflösung zeigen sich äußerst scharfe Banden, insgesamt ein sehr komplexes Spektrum mit Fingerprint-Eigenschaften.
Folglich liegt kein organischer Farbstoff vor, sondern ein Pigment mit Lanthanoiden, also ,,Seltenen Erden", von denen bekannt ist, daß sie sehr scharfe Absorptions- und Emissionsbanden haben. Das Pigment ist wahrscheinlich ein Yttrium, Ytterbium und Erbium enthaltendes Oxid oder Oxisulfid, mit Yttrium als Grundgittermaterial. Aus den Bandenlagen erkennt man, daß Erbium das emittierende Element ist (die Zuordnung zu den einzelnen Übergängen und die Details der Anti-Stokes-Lumineszenz siehe weiterführender Artikel (demnächst) auf unserer Webseite; beispielsweise entspricht die UV-Emissison bei 204 nm einem Übergang von 2H9/2 in den Grundzustand  4I15/2).

Vereinfacht dargestellt aktiviert ein Photon ein Ytterbium-Ion (Yb3+)  und bringt dieses auf einen höheren Energiezustand (Donor). Es überträgt die Energie anschließend auf ein benachbartes  Akzeptor-Ion (Erbium3+ ) und hebt dieses in einen relativ stabilen Metazustand. Wenn nun in der Zeit, in der sich das Erbium-Ion im Metazustand befindet, das Yb-Ion nochmals aktiviert wird, kann es seine Energie abermals auf das Erbium-Atom übertragen.  Das hat somit eine höhere Energie als jedes einzelne anregende Photon. Beim anschließenden Übergang in den Grundzustand wird ein Photon entsprechend höherer Energie und damit kürzerer Wellenlänge emittiert. Die vom Donor-Ion aufgenommene und die vom Akzeptor abgegebene Energie sind aber nicht genau gleich. Die überschüssige Energie nimmt das umgebende Kristallgitter auf. Das Kristallgitter spielt also eine wesentliche Rolle bei Intensität und Lage der einzelnen Emissionslinien.

Mit den Upconversion-Pigmenten hat man ein Material, dessen spektroskopischen Eigenschaften von den Gehalten der Dotierungsmittel sowie von den Herstellungsbedingungen des kristallinen Pigments abhängen. Das verwendete Material ist schwierig herzustellen, teuer und hat nur wenige Anwendungsmöglichkeiten; es ist deshalb extrem schwer für Fälschungszwecke zu beschaffen. Die damit gedruckten Sicherheitselemente sind unsichtbar und lassen sich nur mit hohem Aufwand entschlüsseln, erfüllen also das höchste der von der EZB aufgestellten Ansprüche:
Level 3: Detaillierte Kenntnisse der Sicherheitsmerkmale erforderlich. Sie sind nur mit spezieller Laborausstattung oder Sensoren wie einem Mikroskop, einem Spektrometer oder einem Röntgengerät zu erkennen und zu prüfen.

Ganz neu ist das alles nicht, die Anwendung von Antistokes-Luminophoren für Sicherheitsdokumente wurde schon 1974 erstmals patentiert.

Viele Grüße aus Bonn
Horst




Fahrenheit

Lieber Horst,

danke für den interessanten Artikel! Dir darf man keine Banknote in die Hände geben: Du findest immer was neues. ;)

Herzlich eGrüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

hugojun

#2
Hallo Horst,
danke für den Beitrag.
Nun stellt sich mir die Frage, warum diese Technik nicht bei Euro-Banknoten übernommen wird, auch wenn sie teure ist.
Oder wird sie nicht benutzt, weil man dann richtig hinkucken / kontrollieren muss und dann wird es richtig teuer.
Apropos Technik. Würdest Du noch etwas zu Deinem Messaufbau und Ausstattung sagen, oder ist das schon für weitere Beiträge in Planung.
Mich würde nämlich dringend interessieren, in welcher Konzentration diese Selten Erden mit Deiner Einrichtung noch nachweisbar sind.
Ich denke da an Anwendungen zur Spektroskopie an Gesteinsdünnschliffen?
Ist die Ausbeute im sichtbaren Bereich eher gering, welche Element könnte man noch aufspüren?

LG
Jürgen

Horst Wörmann

Hallo Jürgen,

zu Frage 1, warum dieses Merkmal nicht auf den Euros ist:
Wir werden es nie erfahren. Die Hochsicherheitsdrucker sind eine äußerst verschwiegene Branche.
Aber der Preis ist auch ein Kriterium, bei den hohen Stückzahlen. Man muß sich sowieso wundern, wie ein solches High-Tech-Produkt für rund 0,28 €/Stück bei 200er hergestellt werden kann.

Bekannt ist, daß Banknotenprüfgeräte dieses Merkmal überprüfen: dabei wird aber nur das Intensitätsverhältnis grüne/rote Bandengruppe gemessen. Die hochauflösende Spektroskopie als Level 3 ist den Zentralbanken vorbehalten. Zusätzlich messen die noch die Ankling- und Abklingzeiten der Lumineszenz (was ich hier gar nicht erwähnt habe, zu viel der Physik für's Forum, kommt aber in den Bericht).
Für die Öffentlichkeit bestimmt sind schließlich nur die Levels 1 und 2, also um den einfachen Fälscher abzuwehren. Level 3 ist unzugänglich und dient dazu, Fälschungen durch andere Staaten zu erkennen und zu bekämpfen. Die sind schließlich technisch entsprechend ausgerüstet. Nichts neues, schon im 2. Weltkrieg wurden Pfundnoten im großen Stil gefälscht, um das englische Währungssystem zu unterminieren. Nachzulesen in Klaus W. Bender, ,,Geldmacher. Das geheimste Gewerbe der Welt", und man gugle nach ,,Superdollar"!

Ich vermute, daß die Euros statt der Upconversionspigmente ein vergleichbares Sicherheitselement enthalten, das legendäre ,,M-Feature"  (M= maschinenlesbar), ein älteres Patent der Firma Giesecke + Devrient. Funktioniert wahrscheinlich über Anregung von Leuchtstoffen und Fluoreszenz-Lebensdauermessung.  Top secret.

Weil zur Hochkonversion mehrere Komponenten zusammenwirken müssen (Gitter, Donor- und Akzeptorionen), gibt es so etwas nicht in der Natur. Sicher nicht in Deinen Mineralien, da leuchten die nur üblichen Bekannten, und die nur im UV-Licht. Also keine Chance für Deine Dünnschliffe. Ich probiere aber mal die Fluoreszenz mit den Lanthanoid-Oxiden, davon habe ich einen Reihe hier.
Zur Technik siehe kommenden Bericht auf unserer Webseite, das paßt nicht so recht in's Forum.

Viele Grüße
Horst

hugojun

Zitat von: Horst Wörmann in April 27, 2021, 15:12:02 NACHMITTAGS
Hallo Jürgen,

....

Weil zur Hochkonversion mehrere Komponenten zusammenwirken müssen (Gitter, Donor- und Akzeptorionen), gibt es so etwas nicht in der Natur. Sicher nicht in Deinen Mineralien, da leuchten die nur üblichen Bekannten, und die nur im UV-Licht. Also keine Chance für Deine Dünnschliffe. Ich probiere aber mal die Fluoreszenz mit den Lanthanoid-Oxiden, davon habe ich einen Reihe hier.
Zur Technik siehe kommenden Bericht auf unserer Webseite, das paßt nicht so recht in's Forum.

Viele Grüße
Horst

Hallo Horst,
nach deinem ersten Eintrag hier, habe ich ein wenig unter Stichwort Luminophore Gegoogelte.
Ja und tatsächlich ist das, was veröffentlicht ist, auf die drei von dir genannten Elemente beschränkt und dabei, wenn ich dies richtig verstanden habe, nur in dotierten Kristallen/Mineralen.
LG
Jürgen

witweb

Hallo Horst,
sehr interessanter Beitrag, danke.
Grüße
Michael 
Leitz Orthoplan
Zeiss Standard 18 mit Fluoreszenz-Auflichtkondensor IV FL
Lomo Biolam, Motic SMZ-168
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