Interessante Pilzfunde 12 - Flächiges Buchen-Eckenscheibch. Diatrype decorticata

Begonnen von Bernd Miggel, Mai 18, 2021, 16:46:26 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

Hallo miteinander!

Wir unterscheiden in Deutschland drei verschiedene Arten Flächiger Eckenscheibchen, von denen ich eines hier beschreiben möchte. Es handelt sich um das Flächige Buchen-Eckenscheibchen Diatrype decorticata (Pers.) Rappaz, eine Art, die auf dem blanken Holz von Fagaceen (z.B. Rotbuche), Betulaceen (z.B. Birke) oder auch Rosaceen wächst. Der hier beschriebene Fund ist aus einem kleinen Naturschutzgebiet, dem FND (Flächenhaftes Naturdenkmal) "Tornadowald" in Karlsbad, Baden-Württemberg. Die Art wächst dort auf zahlreichen liegenden, morschen Birkenästen.

  • Funddatum: 17. Mai 2021
  • Belegnummer: fnd21001,tor



Bild 0 - Der Fundort, ein Flächiges Naturdenkmal mit Birken, Zitterpappeln, Weiden, Eichen, Buchen...

Die Sammelfruchtkörper (Stromata) sind recht unscheinbar, und man muss schon genau hinsehen, um sie zu identifizieren (Bild 1). Die Stromata sind schwach bräunlich mit dunklem, flachem Rand. Nimmt man eine 10-20-fache Lupe zu Hilfe, kann man die Öffnungen (Ostiolen) der Einzelfruchtkörper als Pünktchen erkennen (Bild 2). Die Ostiolen heben sich schwarz vom bräunlichen Stroma ab!


Bild 1 (oben) - Stromata von Diatrype decorticata mit geschwungenen flachen, schwarzen Berandungen.
Bild 2 (unten) - Blick durch eine starke Handlupe. Die Ostiolen heben sich als schwarze Pünktchen vom umgebenden Stroma ab.

Schneidet man so ein Stroma an, kommen die dicht an dicht liegenden Einzelfruchtkörper (Perithecien) mit ihrer schwarzen Wandung zum Vorschein. Sie sind nach RAPPAZ [1987) 300-500 µm im Durchmesser. Im reifen Zustand sind sie mit einer gallertigen Masse gefüllt, die die Schläuche (Asci) mit Sporen enthält. Bild 2 zeigt, dass die Ostiolen sternartig radial gespalten/geschlitzt/gefurcht und gegenüber dem sie umgebenden Stroma leicht erhaben sind.


Bild 3 - Stroma im angeschnittenen Zustand. Die Perithecien besitzen schwarze Wandungen und sind teilweise mit der geleeartigen Fruchtmasse gefüllt. Die schwarzen Ostiolen sind deutlich radial gespalten/geschlitzt/gefurcht und gegenüber dem bräunlichen Stroma leicht erhaben. Sie haben einen Durchmesser von ca. 80 µm, die kugel- bis eiförmigen Perithecien liegen dicht an dicht und sind hier etwa 150 µm dick.
Wichtige scheint mir, dass die Perithecien 1-2-lagig autreten. Es gibt also eine obere Lage und, wenn man so will, eine untere.


Um an die Asci und an die in ihnen enthaltenen Sporen zu gelangen, entnimmt man einem angeschnittenen Perithecium die geleeartige Fruchtmasse. Um abzuklären, ob die Asci Jod-positiv sind, färbt man mit Baralscher Lösung an und schaut nach, ob der sogen. Apikalapparat (Verschließmechanismus, durch den die Sporen entlassen werden) sich verfärbt. In unserem Fall ergab sich ein "Hauch" von Blau. Diese äußerst schwache Verfärbung ist im Foto kaum erkennbar (linkes oberes Ende des Ascus in Bild 4). Diese Reaktion wird in RAPPAZ (1987) für Diatrype decorticata ebenfalls erwähnt.


Bild 4 - Sehr schwach Jod-positiver, noch unreifer Ascus, gefärbt in Baralscher Lösung.


Wichtig sind natürlich noch Sporenzahl und Sporenanordnung im Ascus. Bei der Gattung Diatrype enthalten die Asci generell acht Sporen. Wie die Bilder 5 und 6 zeigen, haben wir es außerdem mit einer einreihigen (uniseriat) bis unregelmäßig zweireihigen (unregelmäßig biseriat) Anordnung zu tun.


Bild 5 (oben) und Bild 6 (unten) zeigen die Anordnung der Sporen im Ascus. Leichte Anfärbung mit Phloxin in Wasser.

Schließlich kommen wir zu den Sporen. Sie sind würstchenförmig (allantoid), glatt, durchscheinend (hyalin) und besitzen folgende Maße (Es wird das 95 % Konfidenzintervall zu Grunde gelegt):

LxB 6,7-9.6 x 1,5-2,2 µm, LxB(av) 7,9-8,4 x 1,8-1,9 µm, Q 3,4-5,5, Q(av) 4,3-4,7, V 9-21 µm3, V(av) 13-16 µm3
Hierin sind Q = Schlankheitsgrad = Länge / Breite, V = Volumen, av = Durchschnittswert (average).


Bild 7 - Die Sporen sind allantoid, glatt, hyalin und im Schnitt 7,9-8,4 x 1,8-1,9 µm groß. Präparat in Wasser + Phloxin.


Zusammenfassung
Stroma - bräunlich, flach, Rand schwarz.
Ostiolen - klein (mit bloßem Auge nicht erkennbar), schwarz, radial gerieft, gegenüber dem Stroma leicht erhaben.
Sporenmittelwerte - LxB(av) 7,9-8,4 x 1,8-1,9 µm, Q(av) 4,3-4,7,  V(av) 13-16 µm3


Viel Freude beim Anschauen!

Bernd


Verwendete Literatur
GÖRKE, C. & LOTZ-WINTER, H. (2015): Reflexionen zur Gattung Diatrype in Deutschland. Südwestdeutsche Pilzrundschau, 51. Jg. Heft 2: 40-45.
RAPPAZ, F. (1987): Taxonomie et nomenclature des Diatrypacées a asques octosporés. Mycologia Helvetica 2: 285-648.
https://fundkorb.de/pilze/diatrype-decorticata-fl%C3%A4chiges-eckenscheibchen

Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080[/size]

plaenerdd

Hallo Bernd,
auch wenn ich alles andere als ein "Pilzer" bin, lese ich Deine Beiträge immer sehr gerne. Bitte weitermachen! Ist eine große Bereicherung für das Forum.
Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Bernd Miggel

#2
Hallo Gerd,
meiner Meinung nach lernt man eine Pilzart nur dann richtig kennen, wenn man sie detailliert beschreibt.
Ich hab übrigens noch ein Foto des Fundorts oben eingefügt.
L.G. - Bernd