Hauptmenü

Was so angefallen ist

Begonnen von Martin Kreutz, August 21, 2021, 18:50:35 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Martin Kreutz

Liebes Forum,

in den letzten Wochen und Monaten sind wieder einige Mikrofotos angefallen, von denen ich hier eine kleine Auswahl zeigen möchte.

Anfang Juni hat Michael Plewka einen online Vortrag der Mikro AG NWV Hagen über Rädertiere in Fließgewässern gehalten. Fließgewässer waren bei meiner Probennahme immer komplett außen vor. Deshalb habe ich mich auf Grund dieses interessanten Vortrages mal zu einem Fließgewässer begeben, um mal so schauen was ich dort so finde. Die Wahl fiel auf den Mühlenbach bei Böhringen, ein ca. 2 m breiter Bach. Dort habe ich Algenwatten von einem Felsen in der Strömung abgezupft:



Darin fand ich ein Rädertier, welches zwei sehr lange Tastcirren am Kopf hatte, weshalb ich es erstmal "Einhorn" genannt. With a little help von Michael ließ es sich jedoch als Cephalodella megalocephala identifizieren, ein Rädertier welches sich auf das Leben in Fließgewässern angepasst hat. Mir war bis dahin unbekannt, dass es solche angepassten Formen gibt:



Hier Cephalodella megalocephala mit dem 100 X Objektiv:



Danach machte ich noch eine weitere Exkursion zur Aach. Wegen des dortigen Hochwassers konnte ich keine Probe direkt aus dem Fluß nehmen, aber die Kuhweiden zu beiden Seiten waren überschwemmt worden und haben verkrautete Teiche voller Frösche hinterlassen:



Darin fand ich Volvox globator, eine der drei Volvox-Arten, welche in Europa vorkommen. Meist wird Volvox aureus gefunden und gezeigt, weshlab ich hier mal Volvox globator zeigen möchte:



Hier eine Aufnahme der Zellen in lateraler Sicht. Sie sind alle flach und linsenförmig, was typisch für Volvox globator ist:



In Aufsicht erkennt man die komplexe Struktur der Zellschicht. Die Zellen sind über recht dicke Plasmastränge miteinander verbunden. Darunter sieht man noch regelmäßige, polygonale Linien. Diese Linien entstehen durch die Grenzen der Gallertlager, die jede einzelne Zelle um sich herum bildet. Dort wo die Gallerthüllen der Einzelzellen zusammenstoßen, entsteht die sichtbare Grenzschicht. Das regelmäßige, polygonale Muster entsteht also ganz automatisch, sozusagen selbstorganisierend:



In den gleichen Proben aus diesen verkrauteten Teichen fand ich massenweise Didinium nasutum. Durch die schiere Anzahl konnte ich sehr häufig den Beutefang von Didinium beobachten. Bei kleinen Vergrößerungen erkennt man jedoch nicht viel, wie das funktioniert. Ich habe dann einfach mal versucht ein Exemplar mit gefangener Beute (es war Coleps) vorsichtig herauszupipettieren und unter ein Deckglas zu bekommen. Erstaunlicher Weise ließ Didinium die Beute nicht los und ich konnte das Foto unten mit dem 100 X aufnehmen. Man erkennt wunderbar, wie Didinium seine Extrusomen abgeschossen hat und diese die Beute wie an Seilen festhalten:



Aus meinem Stammgebiet Simmelried konnte ich den stattlichen Ciliaten Ophryoglena flava isolieren. Dieser Ciliat ist recht fotogen, weil er nicht nur groß ist, sondern auch eine kompliziert aufgebaute Mundöffnung mit dem mysteriösen Lieberkühn'schen Organell aufweist. In ventraler Ansicht erscheint die Mundöffnung wie eine 6 geformt. Auf der rechten Aufnahme erkennt man das Lieberkühn'sche Organell als opak gelblichen Körper:



Hier die laterale Ansicht von Ophryoglena flava:



Das Lieberkühn'sche Organell ist im "Gaumen" der Mundöffnung lokalisiert:


Mem = Membranelle
LK = Lieberkühn'scher Körper
MT = Mundtricher

Die Mundöffnung von Ophryoglena kann sich enorm erweitern. Es wird vermutet, dass das Lieberkühn'sche Organell der Stabilisierung dieses Dehnungsmechanismus dient. Es wurde auch schon vermutet, dass es ein Lichtrezeptor sein könnte. Für diese Funktion gibt es jedoch keine Hinweise (Phototaxis).

An Ophryoglena flava konnte ich noch sehr schön die Exkretionsporen der kontraktilen Vakuole in lateraler Ansicht beobachten. Es sind sozusagen die Auslassventile, welches das gesammelte Wasser in der KV nach Außen entlassen. Man erkennt in den Poren, dass sie durch eine Membran scheinbar verschlossen sind. Sie erscheinen topfförmig. Ich beobachtete dann genau, was zum Zeitpunkt der Entleerung in den Poren passiert. Ich konnte jedoch keinerlei Bewegung in den Poren beobachten und auch die Membran war statisch. Das Wasser muss also auf molekularer Ebene diese Membran passieren und zwar ziemlich schnell. Ein rätselhafter Vorgang, wie ich finde.


EP = Exkretionsporen

Hier zwei Funde vom schwimmenden Deckglas. Dort findet man oft die farblosen Cryptomonade Chilomonas paramecium, die zuweilen in Massen auftritt:



Außerdem finde ich sehr oft eine kleine Gelbgrünalge, welche ich als Centritractus dubius identifizieren konnte:



Am Boden des Gefäßes fand ich schöne Fressgemeinschaften von Raphidiophrys elegans mit den langen Plasmabrücken zwischen den Teilkolonien:



Zum Schluss noch die Chrysophycee Uroglena volvox, die oft auch massenweise im Plankton von Teichen auftritt. Obwohl so häufig hatte ich bisher keine brauchbares Fotos davon, da die Einzelzellen der Kolonie bei Deckglasdruck of denaturieren oder den Verband verlassen. Diesmal hatte ich jedoch Glück und ich konnte eine Detailaufnahme der Einzelzellen mit ihren zwei unterschiedlich langen Geißeln mit dem 100 X schießen:




Soviel der kleine Einblick in meine Fotoausbeute. Viel Spass beim anschauen!

Martin

mikropit

Hallo Martin, vielen Dank für die Vielfalt welche Du zeigst. Das ist Tümpeln und Mikro-Fotokunst auf höchstem Niveau.
Dazu noch die vielfältige Wissensweitergabe.
Weiter so.
Peter - mikropit
mikropit

SNoK

Lieber Martin,

ich schließe mich an, wieder tolle Aufnahmen und Informationen! Wenn ich das auch mal hinbekäme...

Grüße
Stephan
Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK)
Stemis: Zeiss 508, Wild Heerbrugg M5
Kameras: Sony alpha 6500 und 6400
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

Jürgen Boschert

Hallo Martin,

wieder ein toller, lehrreicher Faden, den Du da aufgemacht hast

Danke !
Beste Grüße !

JB