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Absorptionsbüschel

Begonnen von Florian D., Juni 12, 2021, 00:03:54 VORMITTAG

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Florian D.

Glückauf Forum!

Vor 2 Wochen hatte ich das grosse Vergnügen Olaf besuchen zu dürfen. Wunderbar, dem Meister an der Drehbank zu  beobachten, aber natürlich haben wir auch zusammen mikroskopiert. Olaf wacht ja wie Alberich über die Dünnschliff-Schatzkammer von Steeg und Reuthers, ist aber im Gegensatz zu Letzterem wesentlich freigiebiger. So hat er denn auch einen Epidot-Schliff brüderlich mit mir geteilt. Dieser zeigt nicht nur starke zweiachsige Doppelbrechung sondern darüber hinaus auch Dichroismus, d. h., ähnlich wie ein Polarisationsfilter, absorbiert er Licht je nach Polarisationsrichtung verschieden stark.
Dies führt zu eigenartigen Effekten, über die, obwohl sicher schon lange verstanden, in der Literatur wenig intuitiv Eingängiges zu finden ist. Berek widmet diesen Erscheinungen in seinen Büchern einige Seiten und zeigt einige schwarz-weiss Photographien.
Sehr eindrucksvoll hat Olaf dies auf seiner Homepage für seine ehemaligen Studenten aufbereitet:
https://homepage.ruhr-uni-bochum.de/olaf.medenbach/download/kristalloptik/spezielles.ppt
Interessant ist insbesondere, dass man bereits ganz ohne Polarisatoren dunkle "Absorptionsbüschel" beobachtet, ja sogar schon mit blossem Auge, siehe 1. Bild. Im Zentrum zwischen den Spitzen der beiden dunklen Büschel liegt eine optische Achse. Ohne Absorptionserscheinungen würde sich entlang dieser beliebig polarisiertes Licht ausbreiten, ohne seine Polarisationsrichtung zu ändern.
Die Absorptionsbüschel erinnern ein bisschen an die Isogyren die man bei gewöhnlichen doppelbrechenden Materialien ohne Dichroismus zwischen Polarisatoren beobachtet und ich halte diese Analogie für sehr treffend. In 2. Bild ist ein konoskopisches Bild an einem Brookit zwischen parallelen  Polarisatoren abgebildet. Man sieht, dass durch jede optische Achse ein dunkles Isogyrenbüschel verläuft. Aufgrund der gerichteten Absorption im Epidot, hat dieser gewissermassen schon Polarisatoren eingebaut, und diese liegen gleich zueinander ausgerichtet sowohl oben wie auch unten im Kristall. Diese Polarisationsrichtungen maximaler und minimaler Absorption verändern sich kaum in dem relevanten Gesichtsfeld. Ganz anders die Hauptachsen der Doppelbrechung. Entlang der optischen Achse sind diese Hauptachsen gleich lang. Bewegen wir uns davon in irgendeine Richtung fort, ändert sich nicht nur deren Länge, sondern auch deren Lage. Dort, wo die Helligkeit maximal ist, liegen die Hauptachsen parallel zu den Absorptionsachsen. Von den beiden Polarisationsrichtungen wird eine stark absorbiert, während die Andere nur wenig geschwächt wird, so wie wenn unpolarisiertes Licht durch einen Polarisationsfilter fällt. In Bild 3 ist ein Analysator zugeschaltet und man sieht, dass das Licht entlang der vorher hellen Büschel stark polarisiert ist, so dass es fast ganz ausgelöscht wird. Anders im Inneren der Absorptionsbüschel. Dort liegen die  Polarisationshauptachsen in oder Nahe 45 Grad zu den Polarisationsrichtungen minimaler und maximaler Auslöschung.
Tritt Anfangs z. B. Licht in den Kristall ein, das so polarisiert ist, dass es nur wenig geschwächt wird, so wird sich seine Polarisationsrichtung beim weiteren Durchgang durch den Kristall drehen, so dass es stark absorbiert wird. Das Licht wird dadurch in Summe stärker geschwächt, als das Licht, das sich in den helleren Zonen fortpflanzt. Entlang dieser Richtungen erscheint der Kristall, immer relativ zu momentanen Polarisation des Lichtes betrachtet, wie ein Stapel schraubenartig gegeneinander verdrehter Polarisationsfilter.
Da der Drehwinkel der Polarisation von der Weglänge des Lichtes durch den Kristall abhängt, sieht man auch einige Isochromaten. Andererseits ist der Polarisierungsgrad nicht so hoch wie bei dem Licht, dass die hellen Sektoren durchläuft.
In der Hoffnung, dass die Wenigen, die dies vielleicht interessiert, dies auch ohne Hochglanzgraphiken nachzuvollziehen verbringen, sendet schöne Grüsse,
Florian

hugojun

Hallo Florian,
wenn ich Bild 1 richtig interpretiere, ist auch dieses konoskopisch durchleuchtet. Es liegt in N-S Richtung (auch Kristall-Richtung für den hohen oder niedrigen Brechungsindex)
geringe,  bis keine Absorption von Grün vor.
Würde man nun weißes Licht benutzen und eine linearen POL Filter E-W ausrichten, ohne den Kristall zu drehen,
sollten Farben oberhalb bzw. unterhalb der Wellenlänge von Grün dominieren (natürlich immer ohne Analysator),
so als beobachte man den Dichroismus orthoskopisch im linear Polarisiertem Licht?

LG
Jürgen


hugojun

#2
....
Der Pleochroismus der absorbierenden Kristalle weicht mit abnehmender Symmetrie des Kristallsystems ,
zunehmend von der Lage der Indices ab.
Da man schon öfters gelesen hat, dass sich der Biotit gut eignet, den Polarisator N-S bzw. EW (neue oder alte Norm)
auszurichten, ergibt sich für monoklinen Kristallen nur eine Übereinstimmung von Morphologie (Spaltsystem ) ,
Brechungsindex und stärkster Pleochroismus in Schnitte ꓕ zur b-Achse .Das Spaltsystem ist aber umläufig auch ꓕ zu a sichtbar  .
Macht sich das Stark bemerkbar oder kann man das vernachlässigen?
Kann man z.B. durch konoskopische Beobachtung sicherstellen, dass man ꓕ zu b einstellt?

LG
Jürgen

olaf.med

Lieber Jürgen,

die Absorption in a- und b-Richtung beim Biotit ist identisch wie man an Kopfschnitten (solchen, die keine Spur der Spaltbarkeit zeigen) sehen kann. In diesen Schnitten kann man auch die Richtung der b-Achse bestimmen, wenn der Biotit nicht stark verzwillingt und dadurch pseudoeinachsig ist.

Herzliche Grüße, Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Florian D.

Zitat von: hugojun in Juni 12, 2021, 13:39:43 NACHMITTAGS
Hallo Florian,
wenn ich Bild 1 richtig interpretiere, ist auch dieses konoskopisch durchleuchtet. Es liegt in N-S Richtung (auch Kristall-Richtung für den hohen oder niedrigen Brechungsindex)
geringe,  bis keine Absorption von Grün vor.


Hallo Jürgen,
so würde ich das nicht sagen. In N-S Richtung liegen die Hauptabsorptionsachsen parallel zu den Hauptdoppelbrechungsachsen. D. h. eine Polarisation wird stark absorbiert, die andere hingegen weniger.
Anbei ein Bild ohne Polarisator aber mit Analysator E-W im weissem Licht.

Viele Grüsse
Florian

hugojun

Hallo Florian ,

In den S/W Abbildungen Berek 1934 und 1953 ist auch die nicht-polarisierte Darstellung konoskopisch beobachtet dargestellt. Die sogenannten Windungsachsen
habe ich in meiner Ausgabe von 1953 zunächst nicht erkennen können. In der Ausgabe von 1934, ist es kontrastreicher dargestellt. Somit konnte ich auch
den Unterschied in den ersten beiden Darstellungen erkennen, was mir zunächst verborgen blieb. Der ,,quasi" Austrittspunkt der optischen Achse lässt erst
bei zuschalten des Analysators parallel zur Halbierungsebene die ,,kleinen schwarzen Flecken ,,auf den Kegelspitzen der Büchel sichtbar werden.
Die Natur des rechts – bzw. linksdrehenden zirkularen Lichtes ist dann in einer dritten Darstellung unter Zuhilfenahme eines λ/4 Plättchens dargestellt.
Je nach Orientierung des λ/4 Plättchens, verschwindet dann einer der beiden ,,schwarzen Flecken".
,,In der Hoffnung, dass die Wenigen, die dies vielleicht interessiert, dies auch ohne Hochglanzgraphiken nachzuvollziehen verbringen, sendet schöne Grüße,"
Sind diese schwarzen Flecken bei direkter Betrachtung gut zu sehen (entsprechendes Präparat vorausgesetzt) und/oder nur fototechnisch eine Herausforderung
, da ich sie auf deinen Bildern nur erahnen kann, wie
in der Abbildung aus der Berek 1953 Ausgabe, in Olafs Animation aber schon deutlicher sind?
Funktioniert der Versuch auch, wenn das λ/4 Plättchen zwischen Präparat und Analysator sitzt?
LG
Jürgen

Florian D.

Hallo Jürgen,

ja, die Windungsachsen (oder soll ich -axen schreiben?) sind gut sichtbar, anbei
1. Mit Analysator und Polarisator parallel und EW,
2. statt unten Linearpolarisator ein Zirkularfilter, oben in N-S Richtung der Analysator,
3. Unten Zirkularpolarisator, oben Linearpolarisator EW mit zwischengeschaltetem lambda/4 (also ebenfalls ein Zirkularpolarisator) in Auslöschungsstellung.

In 1. erkennt man die Windungsachsen symmetrisch als dunkle Punkte,
In 3. ist die eine Achse hell, die andere dunkel.

Mit der genauen Interpretation hadere ich noch.

Viele Grüsse
Florian



Viele Grüsse
Florian

hugojun

Hallo Florian ,
zu Antwort #6 Bild 2 sehe ich eine Analogie zu den Müller´schen Streifen. Das resultierende Licht einer Hälfte ist entgegengesetzt zur anderen Hälfte ausgelöscht.
Genau um den ½ Betrag der Lichtwellenlänge. Dies zeigt deutlicher als die ,,schwarzen Flecken", dass der Polarisationszustand in beiden Hälften nicht der
gleiche sein kann. Dicke und Wellenlänge sind für beide Hälften gleich.

LG
Jürgen

Florian D.

Hallo Jürgen,

ja, wobei der Phasenunterschied der Isogyren eigentlich schon ohne Berücksichtigung der Absorption erklärt werden kann. Weit weg von der optisch Achse ist die Doppelbrechung gross und die sich fortpflanzenden Lichtstrahlen sind praktisch linear polarisiert. Tritt auf der rechten Seite zirkularpolarisiertes Licht ein, so wird es in 2 lineare Teilstrahlen zerlegt. Werden diese durch die Doppelbrechung jetzt um weitere 90 Grad gegeneinander phasenverschoben, erhält man linear polarisiertes Licht und beobachtet je nach Stellung des Analysators Helligkeit oder Auslöschung. Für den entsprechenden Punkt auf der linken Seite beobachtet man ebenfalls 90 Grad Phasenverschiebung, aber mit anderem Vorzeichen. Daher sind dort auch Helligkeit und Dunkelheit vertauscht.

Viele Grüsse
Florian

Florian D.

Ganz schnell zum Vergleich das Bild mit Brookit. Mit denselben Einstellungen wie #6 Bild 2 (unten Zirkularpolarisator, oben linearer Analysator). Man erkennt entlang der Isogyren wiederum den Phasensprung.

Viele Grüsse
Florian

hugojun

Ich habe das auch selber mal an echten OA´s einer etwas dickeren Glimmer-Scheibe mit und ohne Kompensator
( hier λ/8 ) und mit monochromem Licht gemacht. Du hast recht, die Phasenverschiebung ist auch hier deutlich zu sehen.
Dennoch scheint es einen Unterschied zu geben, das könnte sich aber auch mit der Dicken des Präparats ändern,
denn bei dir wie bei mir (nur geschwächt, weil λ/8) werden die Büchel (bei echten OA die Isogyren) geschwächt bzw.
bei λ/4 gelöscht. Beim ,,quasi"-Achsenbild aber nicht.?!

LG

Jürgen










Florian D.

Entlang der sogenannten Windungsachsen tritt, zumindest wenn der Kristall dick genug ist, zirkularpolarisiertes Licht aus dem Kristall aus, obwohl der Kristall nicht optisch aktiv ist. Dabei ist weist das Licht, das entlang der 2 Achsen austritt, entgegengesetzte Zirkularpolarisation auf.
Um diese Achsen zu lokalisieren habe ich es jetzt für zweckmässig befunden, überhaupt keinen Polarisator zu verwenden, sondern den Analysator in Kombination mit dem Berek-Kompensator. Damit kann man dann bequem alle möglichen elliptischen Polarisationen einstellen.
Bild 1 ist ohne Berek oder mit unverkippten Berek aufgenommen. Das Licht, das durch die ehemalige optische Achse im Zentrum tritt, ist stark linear polarisiert und wird ausgelöscht.
Bild 2 ist mit dem Berek in lambda/4 Stellung; zirkularpolarisiertes Licht eines Drehsinns  wird durchgelassen, das des anderen Drehsinns ausgelöscht: Eine Windungsachse ist als scharfer schwarzer Punkt zu erkennen, auf der linken hingegen starke Aufhellung.
Bild 3: Die Phasenverschiebung beträgt lambda/2, dies ist quasi das Negativ von Bild 1.
Bild 4: Der Kompensator ist wieder auf lambda/4 eingestellt, jetzt aber im um 90 Grad verdrehten Schlitz eingeschoben. Die durchgelassene/ ausgelöschte Zirkularpolarisation ist komplementär zur der in Bild 2.
Die andere Windungsachse erscheint nun als schwarzer Punkt.
Mit einem idealen Kompensator sollten sich die Bildsequenzen mit weiter steigender Phasenverschiebung periodisch wiederholen, allerdings kompensiert der Berek zunehmend schmalere Bereiche im konoskopischen Bild.


Viele Grüsse
Florian

hugojun

#12
Hallo Florian,
danke für das neue Experiment. Diese Sequenz lässt die Verhältnisse nun deutlicher werden, vor allem
der Vergleich mit den ,,Negativ"-Bild.  Da in der Literatur kein Hinweis gegeben ist, bin ich immer davon ausgegangen,
dass das erste Bild in den folgenden Bildern um 90° verdreht ist.
Du hast die Versuche mit dem Berek-Kompensator durchgeführt: Zwischen Bild 2 und 4 hast du ihn azimutal um 90°
gedreht, genügt es nicht, den Berek-K in die entgegengesetzte Kipp-lage zu bringen, um den gleichen Effekt zu bekommen.
Was würde bei Benutzung eines Ehringhaus-Kompensators passieren?

LG
Jürgen

Florian D.

Hallo Jürgen,

klar kannst Du auch einen Ehringhaus verwenden!
Die Wegdifferenz im Kompensator verändert sich ja symmetrisch mit dem Kippwinkel.
Du musst aber schon zwischen Additions- und Subtraktionsstellung wechseln, wenn du das Vorzeichen der Wegdifferenz ändern möchtest.

Viele Grüsse
Florian