Botanik: Große Sternmiere Stellaria holostea

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, Juni 12, 2021, 10:50:24 VORMITTAG

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

in unseren Laubwäldern entwickeln sich im zeitigen Frühling vor dem Blattaustrieb der Bäume regelmäßig eine üppige Bodenflora.

Diese als Frühjahrsblüher bezeichneten Pflanzen verfügen über unterirdische Sprossorgane, die ihnen einen schnellen vegetativen Aufbau ermöglichen.
Die Pflanzen müssen kurzfristig zur Blüten- und Samen- bzw. Fruchtbildung gelangen, weil sie als Sonnenpflanzen auf ausreichende Lichtmenge angewiesen sind.

Die Lichtphase des Waldes ist aber beendet, sobald das Lichtdach geschlossen ist.
Für die Bodenflora beginnt dann die Schattenphase. Die Lichtwerte in % des vollen Sonnenlichtes können dabei von 30-100% während der Lichtphase bis auf 0,1% in der Schattenphase abfallen.
Charakteristische Pflanzen sind in der Schattenphase des Waldes u. a. Waldmeister Asperula odorata und die Große Sternmiere Stellaria holostea.

Zahlreiche Arten, die meist klein und unscheinbar sind, gehören zu den folgenden Gattungen Sternkraut oder Sternmiere (Stellaria), Hornkraut (Cerastium). Sie haben fast alle kleine weiße oder rosafarbene Blüten. Manchmal fehlen die Kronblätter.

Die Große Sternmiere ist in den warmgemäßigten Zonen Europas und West-Asiens, sowie in einigen Ländern Nordafrikas verbreitet. Ins östliche Nordamerika wurde die Art eingeführt

Bild 01 Habitus, Große Sternmiere Stellaria holostea

Foto: H.-J_Koch

Die Große Sternmiere wächst auf sandigen oder lehmigen, meist kalkfreien oder entkalkten Böden. Häufig von der Ebene bis in mittlere Gebirgslagen, oft in großen Gruppen.
Die Große Sternmiere ist eine mehrjährige krautige Pflanze. Ihre Rhizome sind ohne Wurzelknollen. Der immergrüne Chamäphyt wächst mit aufsteigenden, vierkantigen Stängeln und erreicht Wuchshöhen zwischen 20 und 60 Zentimetern.

Chamaephyten sind nach dem System der Lebensformen nach Raunkiær ausdauernde Pflanzen, deren Überdauerungsorgane sich unterhalb der mittleren Schneehöhe von 50 cm befinden und damit im Schutz einer Schneedecke überwintern.
(Christen Christiansen Raunkiær war ein dänischer Botaniker, er war von 1912 bis 1923 Professor für Botanik an der Universität Kopenhagen)

Die längeren rauen Stängel tragen zahlreiche langgestielte Blüten und finden oft Halt an Nachbarpflanzen.
Die steifen, oft nach hinten gebogenen Blätter finden untereinander oder an anderen Pflanzen Halt. Die Pflanze kann dadurch trotz der recht dünnen Stängel in die Höhe wachsen.
Insgesamt sind die Stängel dieser Pflanze ziemlich schwach und zerreißen leicht an den Stellen, an denen die gegenständigen Blattpaare sprießen. Ihre 3 bis 8 Zentimeter langen, ungeteilten schmal-lanzettlichen Blätter sind steif, am Rande behaart und ungestielt. Ihr trugdoldenartiger Blütenstand besteht aus 6 bis 15 Einzelblüten mit einem Durchmesser von zwei bis drei Zentimetern.
Die radiärsymmetrischen Blüten stehen in einem dichasial verzweigten Blütenstand, einem sogenannten Zymoid.

Dichasium = Verzweigungstypus der Sprossachse, bei dem die Hauptachse ihr Wachstum einstellt und jeweils zwei Seitensprosse gleichwertig auswachsen.
Dabei wiederholt sich mehrfach nacheinander ein Verzweigungsmuster, bei dem die Hauptachse in einer Blüte endet, welche wiederum von jeweils zwei Seitenachsen übergipfelt wird.

Bild 02 Blüte, Große Sternmiere Stellaria holostea

Foto: H.-J_Koch

Die weißen Blüten bestehen aus fünf, bis zur Mitte gespaltenen Kronblättern. Diese werden etwa doppelt so lang wie der sechs bis acht Millimeter lange nervenlose Kelch. Der Fruchtknoten ist oberständig, es werden drei Griffel pro Blüte ausgebildet. Die Blüten der Großen Sternmiere besitzen krautige Tragblätter. Die Pflanze blüht in der Zeit von April bis Juni und entwickelt im Sommer kugelige Fruchtkapseln, die in etwa die Größe des Kelchs haben. Bei Reife öffnen sich diese mit sechs Klappen und entlassen die 2–2,4 Millimeter großen dicht gehökerten Samen.

Bild 03 Große Sternmiere Stellaria holostea


Die Große Sternmiere schließt sich bei schlechtem Wetter und über Nacht, Bleien bei schlechtem Wetter die Besucher fern, so findet eine Selbstbestäubung statt.

Die Art tritt fast ausschließlich in größeren, allerdings selten bestandsbildenden, Gruppen auf. Die Verbreitung ihrer Samen erfolgt durch den Wind. Über vegetative Vermehrung aus ihren Rhizomknospsen und Sprossen aus den vorjährigen, bodennahen Trieben, bildet sie schnell kleine Horste aus.
Da nicht alle Blüten zugleich blühen, sondern an den Stielen nacheinander, zieht sich die Blütezeit über mehrere Monate hin, obwohl die Einzelblüten nur eine kurze Lebensdauer haben.

Stellaria holostea ist eine wichtige Nahrungspflanze für etliche Nachtfalterarten. Beispielsweise ist sie eine Nektarpflanze des Hornkraut-Tageulchens (Panemeria tenebrata). Für mehrere weitere Eulenfalter und Spanner stellt sie eine wichtige Raupen-Futterpflanze dar, insbesondere für den potenziell gefährdeten Sternmieren-Blattspanner (Euphyia biangulata), den stark gefährdeten Hornkraut-Blattspanner (Euphyia frustata) und die gefährdete Braune Glattrückeneule (Aporophyla lutulenta).
Das Pflücken der großen Sternmiere zieht nach altem Volksglauben Gewitter heran. Kundige Kräuterfrauen nutzten den ausgepressten Saft der Pflanze gegen Augenentzündungen. Sogar als Mittel zur beschleunigten Heilung von Knochenbrüchen wurde das zarte Kraut eingesetzt.
Über ihre Giftigkeit habe ich bisher nichts gefunden. Die Pferde fressen aber in der Regel auch um sie herum.

Bild 04 Illustration, Große Sternmiere Stellaria holostea

Dieses Werk ist gemeinfrei.
Autor: Jan Kops (1765–1849)

Systematik:
Ordnung: Nelkenartige (Caryophyllales)
Familie: Nelkengewächse (Caryophyllaceae)
Unterfamilie: Alsinoideae
Gattung: Sternmieren (Stellaria)
Art: Große Sternmiere
Wissenschaftlicher Name: Stellaria holostea
Travialnamen: Echte Sternmiere, Waldmiere, Große Sternmiere, oder Großblütige Sternmiere 
Englische Bezeichnung: Easter-bell
Stellaria: lat. stella = Stern (Blüte); "Sternmiere"

Spross, Querschnitt
35 Mikrometer

Drei fixierte, ungefärbte Schnitte.

Bild 05 ungefärbter Schnitt, Große Sternmiere Stellaria holostea


Bild 06 ungefärbter Schnitt, Große Sternmiere Stellaria holostea


Bild 07 ungefärbter Schnitt, Große Sternmiere Stellaria holostea


Vier nicht fixierte, ungefärbte Schnitte.

Bild 08 Autofluoreszenz, Übersicht, Große Sternmiere Stellaria holostea

LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 09 Autofluoreszenz, Große Sternmiere Stellaria holostea


Bild 10 Autofluoreszenz, Große Sternmiere Stellaria holostea


Bild 11 Autofluoreszenz, Große Sternmiere Stellaria holostea


Wacker 3 A - Färbung (Acridinrot – Acriflavin - Astrablau)
1. Schnitte liegen in 50 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridiorot 8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest.
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) 30 Sekunden
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest.
7. Nachfärbung Astrablau 60 Sekunden
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol (99,9 %
10. Einschluss in Euparal

Fotos: Nikon D5000

Bild 12 Übersicht, Große Sternmiere Stellaria holostea


Bild 13 Detailaufnahme, Große Sternmiere Stellaria holostea


Bild 14 Detailaufnahme mit Beschriftung, Große Sternmiere Stellaria holostea

MP = Markparenchym, H = Hohlraum, SK = geschlossener Sklerenchymring, EP = Epidermis, RP = Rindenparenchym, CU = Cuticula, KK = Kanten-Kollenchym

Bild 15 Detailaufnahme, Große Sternmiere Stellaria holostea


Bild 16 Detailaufnahme, Große Sternmiere Stellaria holostea


Bild 17 Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Große Sternmiere Stellaria holostea

Auflicht Beleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm
LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 18 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz,  Große Sternmiere Stellaria holostea


Bild 19 Detailaufnahme Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Große Sternmiere Stellaria holostea


Bild 20 Detailaufnahme Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Große Sternmiere Stellaria holostea


Bild 21 Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Große Sternmiere Stellaria holostea


Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Hans-Jürgen Koch

Blatt, Querschnitt
25 Mikrometer

Zwei ungefärbte Schnitte

Bild 22 Detailaufnahme, fixierte Probe, Große Sternmiere Stellaria holostea


Bild 23 Trichom (Pflanzenhaar), Große Sternmiere Stellaria holostea


Bild 24 Detailaufnahme, Große Sternmiere Stellaria holostea


Bild 25 Detailaufnahme, Große Sternmiere Stellaria holostea


Bild 26 Detailaufnahme, Große Sternmiere Stellaria holostea

Stomata sind Spaltöffnungen der Epidermis, die zum internen und externen Gasaustausch einer Pflanze dienen. Eine Spaltöffnung (Stoma) besteht aus zwei sogenannten Schließzellen, die meist bohnenförmig um eine Öffnung in der Blattunterseite angeordnet sind.

Bild 27 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Große Sternmiere Stellaria holostea

Auflicht Beleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm
LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Fazit:

Die Große Sternmiere ist eine leicht zerbrechliche Pflanze, die sich nur durch andere in ihrer Nähe wachsende Pflanzen (Spreizklimmer) aufrecht halten kann, sie besitzen keine spezialisierten Mechanismen zum Klettern wie Ranken oder die Haftorgane der Selbstklimmer.
Dünne Schnitte vom hohlen Spross (Durchmesser 2 mm) zu erstellen sind schon abenteuerlich, das Material ist weich und ,,matschig".

Quellen und weiterführende Informationen:

Wikipedia; Freie Enzyklopädie
Aichele ,,Kosmos Pflanzenführer", ISBN: 3-86047-394-8
Dietmar Sichele ,,Was blüht denn da?", 1991
Helmut Bechtel ,,Pflanzenführer", 1983
Rita Lüder ,,Grundkurs Pflanzenbestimmung" ISBN: 3-494-01418-3
,,Was blüht denn da?", ISBN: 978-3-440-11379-0"
,,Der neue Kosmos Tier- und Pflanzenführer", ISBN: 3-440-07286-X
,,Kosmos Blumenführer", ISBN: 978-3-440-13012-4
,,Pflanzen des Waldes", ISBN: 3-405-13355-6
,,Das große illustrierte Pflanzenbuch", 1966

Die Informationen für Beschreibungen werden von mir selbst aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Dabei benutze ich sowohl Bücher als auch Internet Quellen. Texte werden anschließend individuell von mir selbst verfasst.
Sollte ich ein Copyright © verletzt haben, so geschieht dies nicht mit Absicht. Bitte schicke mir ein E-Mail, wenn es der Fall sein soll.
Für konstruktive Kritik bin ich ebenso offen wie für lobende Worte.

Gruß
Hans-Jürgen
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Bernd Miggel

Lieber Hans-Jürgen,

wieder mal eine fantastische Ausarbeitung, vielen Dank!

Herzliche Grüße
Bernd

Wutsdorff Peter

Grüß´ Dich Hans-Jürgen,
auch ich bin wieder  begeistert!!
Herzlichen Glückwunsch
Gruß Peter

Hans-Jürgen Koch

Lieber Bernd, hallo Peter,

danke für euer Feedback.

Gruß
Hans-Jürgen
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