Obskures Lebewesen und ein Verdacht

Begonnen von Daniel Steiner, Dezember 16, 2009, 21:48:55 NACHMITTAGS

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Daniel Steiner

Liebe Leserinnen und Leser,

eine unscheinbare Regenwasserpfütze vor dem Haus war hier schon mal Thema (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=3847.msg24079#msg24079) sowie hier (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=3929.msg24841#msg24841).
Erst jetzt wurde ich auf einen weiteren "Beifang" aufmerksam. Es handelt sich um einen inzwischen weit verzweigten Organismus auf dem Grund der Petrischale:



Im Zeitrafferfilm (WMV, ca. 1.2 MB) sieht man, dass in den Strängen Vakuolen transportiert werden, und die "Pseudopodien" selbst nicht ganz reglos sind:

http://www.steiner-strings.ch/mikro/forum/20091216/freshwater-plasmodium_20091201.wmv

Nebst dem dubiosen Geschöpf sind eilig herumwuselnde Amöben, vermutlich Mayorella, im Bild.
Vielleicht gelingt mir bald noch eine bessere, v.a. längere Sequenz. Das ist nicht ganz einfach, da ich durch eine mehrere mm dicke Wasserschicht in der Petrischale fotografiere - sehr erschütterungsanfällig. Da ich das 40er Objektiv nicht baden möchte, kann ich auch nicht höher vergrössern.
Stutzig hat mich das Video hier gemacht:

http://blip.tv/file/711200

Dessen Erzeuger war im alten Forum aktiv, ich vermisse seine Beiträge sehr... Demnach könnte es sich um ein sogenantes "big freshwater plasmodium" handeln, einen Organismus, der noch ungenügend untersucht zu sein scheint. Im Internet ist praktisch nichts darüber zu finden.
Kennt sich jemand hier mit solchen obskuren, schleimpilz- bis amöbenartigen Organismen aus oder kennt Informationsquellen dazu?
Für sachdienliche Hinweise dankt das Amöbendezernat:

Daniel Steiner

Walter Pfliegler

Die Fotos und Links sind sehr interessant! Ich bin sehr gespannt!

Gibt es ein Medium in Petrischale? Ich werde auch für diese Plasmodien in Bücher und in Pfützen auch suchen!

Walter
Walter - Amateur Naturfotograf, Ungarn

Daniel Steiner

Hallo Walter,

die Petrischale enthält nur Fundortwasser, nach und nach ersetze ich das verdunstende Wasser mit frischem, kohlensäurefreiem Mineralwasser. Fütterung gelegentlich mit einem Krümelchen Trockenhefe. Allmählich breiten sich nebst Rädertierchen nun auch Nematoden aus, und die zunehmende Verschlammung stört die Sicht auf den Grund der Schale. Mal sehen, ob ich die Probe etwas entschlammen kann für weitere Aufnahmen. Zu sagen ist noch, dass ich die Probe nicht allzu warm halte, die Raumtemperatur ist um 15 - 16°C.
Ich bin gespannt, ob du Hinweise oder sogar den Organismus selbst findest! Vielleicht ist bedeutsam, dass meine ursprüngliche Probe Kontakt mit altem Laubholz hatte.

Grüsse, Daniel

Daniel Steiner

Hier habe ich einen weiteren Zeitrafferfilm:

http://www.steiner-strings.ch/mikro/forum/20091216/20091219_1.wmv

(Windows Media, ca. 5 MB)

Hier ist die langsame Ortsveränderung des "Geflechts" deutlich zu sehen. Im zweiten Teil, mit einer Beschleunigung von 450x, lösen sich die Stränge in Einzelzellen auf.
Ich hoffe, man sieht, was ich zeigen möchte, trotz vieler technischer Unzulänglichkeiten. Gegen Ende des Streifens wird die Sache arg unscharf wegen absinkendem Wasserspiegel in der Petrischale, und die emsigen Mitbewohner lenken etwas von der Sache ab (sind aber ihrerseits recht interessantes "Beigemüse"). Für bessere Aufnahmen müsste wohl ein Inversmikroskop und eine andere Kamera her.

Es ist mir nach wie vor nicht klar, wer dieser Petrischalenbewohner ist. Hinweise willkommen!

Herzliche Grüsse,
Daniel Steiner

liftboy

Hallo in die Runde,
könnte vielleicht ein Schleimpilz sein?
Gruß
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Walter Pfliegler

#5
Zitat von: liftboy in Dezember 21, 2009, 18:57:56 NACHMITTAGS
Hallo in die Runde,
könnte vielleicht ein Schleimpilz sein?
Gruß
Wolfgang

Lieber Wolfgang, es gibt leider zu viele verschiedene, nicht verwandte Lebewesen, die als Schleimpilz bezeichnet werden. In deutschem Wikipedia ist es leider ein Bisschen vermischt, in wahrheit sind viele Schleimpilze miteinander gar nicht verwandt, gehören nicht zu demselben Stamm.
Da dieses Ding Fruchtkörper bisher nicht gemacht hat, ist es sehr schwierig zu entscheiden. Es gibt ein Paar andere Protisten, die auch Plasmodien, oder ähnlich aussehende Strukturen bilden (zB Labyrinthulomycetes)

Grüsse, Walter
Walter - Amateur Naturfotograf, Ungarn

Daniel Steiner

Guten Abend,
je länger ich das "Ding" beobachte, desto mehr wird mir bewusst, wieviel Unbekanntes und schwer Einzuordnendes die Welt birgt. Auch das ist eine Erkenntnis...
Inzwischen gibt es kaum noch Netzstrukturen, dafür unbewegliche (?) Einzel"zellen" in grosser Zahl:



Ich werde versuchen, einige davon auf einen Objektträger zu kriegen, um sie bei höherer Vergrösserung zu studieren. Mit dem 10x Objektiv konnte ich keinerlei Binnenstruktur sehen.

Danke an alle fürs Miträtseln!
Herzliche Grüsse und frohe, geruhsame Festtage

Daniel.

Ernst Hippe

Hallo Herr Steiner,

das ist ein Organismus, den ich so oder so ähnlich schon oft beobachtet habe. Es wäre wichtig zu wissen, ob die Körnchenströmung periodisch die Richtung wechselt oder nicht, ob Strömung in beiden Richtungen zugleich in einem Plasmastrang besteht. Ich vermute meist eine Leptomyxa (reticulata?), eine plasmodiale Nacktamöbe.
Gruß Ernst Hippe
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Daniel Steiner

Lieber Herr Hippe,

die Plasmaströmung scheint nicht hin- und herzupendeln, somit dürfte ein Schleimpilz eher auszuschliessen sein.
Andrerseits, wie wäre im Amöbenfall (Leptomyxa o.ä.) dann die Auflösung des Netzes in kleine Teilchen zu erklären?
Nun, ich möchte mich da nicht zu sehr festbeissen; vielleicht begegnet mir das Rätsel ein andermal wieder.
Ich bedanke mich herzlich für die erhaltenen Anregungen und verbleibe einmal mehr staunend -

Daniel Steiner.

Ernst Hippe

Lieber Herr Steiner,

diese Auflösung im lauter kleine Teilchen hatte ich völlig übersehen; sie ist mir noch nicht vorgekommen. Höchst interessant - ich bin also auf weitere Beobachtungen gespannt. Dieses Gebiet wird leider sonst selten beackert.
Schöne Feiertage noch!
Gruß Ernst Hippe
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