Botanik: Fuchs-Fingerwurz (Dactylorhiza fuchsii) *

Begonnen von jcs, Juli 07, 2021, 20:08:38 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

jcs

Liebes Forum,

in unserem Garten haben sich, mangels intensiver Pflege, einige heimische Orchideen durch Samenflug angesiedelt. Orchideen benötigen bekanntlich spezifische Bodenpilze (Mykorrhiza) um keimen zu können. Das dafür notwendige Bodenleben lässt sich schwer oder gar nicht gezielt einstellen. Als gärtnerisches Hobby interessiert mich, welche Bedingungen für das Keimen dieser Orchideen förderlich sind, und das Mikroskop ist dafür natürlich ein geeignetes Untersuchungswerkzeug.

Eine der vorkommenden Arten ist die Fuchs-Fingerwurz (Dactylorhiza fuchsii), und die möchte ich in diesem Beitrag etwas genauer vorstellen. Die Fuchs-Fingerwurz ist so etwas wie das Gänseblümchen der heimischen Orchideen und kommt aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit relativ häufig vor. Natürlich ist diese Art, wie alle heimischen Orchideen, geschützt und Freilandexemplare stehen somit nicht für mikroskopische Untersuchungen zur Verfügung.

Im Garten keimt die Art in manchen Jahren zahlreich, um in anderen Jahren großteils wieder zu verschwinden. Grundsätzlich mag es die Art eher etwas kühl und feucht, lange sommerliche Trockenperioden verträgt sie schlecht. Wenn alles passt (Bild 1), erreichen die Pflanzen eine stattliche Größe. Bild 2 zeigt den Blütenstand, der (wie bei fast allen Orchideen) optisch durchaus ansprechend ist. In Bild 3 sind mit schwarzen Rechtecken jene Stellen markiert, wo die Art regelmäßig auftaucht. Positiv für die Keimung und den Wuchs ist eine Abdeckung mit Moos oder Rindenmulch. Ich denke, dass dadurch die für die Bodenpilze und das Pflanzenwachstum erforderliche Feuchtigkeit besser verfügbar bleibt.

Bild 4 zeigt einen Schnitt durch den Pflanzenstengel. Geschnitten wurde mit dem Schlittenmikrotom, die Schnittdicke betrug 30µm. Da die Stengel ohne Einbettung nicht gut zu schneiden sind, habe ich in PEG 1500 eingebettet. Gefärbt wurde mit Wacker-Färbung: Acridinrot 10min, Acriflavin 15sec, Astrablau 2min. Danach Einbettung in Euparal und Aufnahme als Panorama mit dem Leica HC PL Fluotar 5x.

Im Schnitt sieht man schön die Leitbündel. Orchideen sind einkeimblättrige Pflanzen, dennoch sind die Leitbündel vergleichsweise regelmäßig angeordnet.

jcs

#1
Im Fall der Erdorchideen ist natürlich vor allem das unterirdische Leben von Interesse. Ich habe deshalb zwei Pflanzen, die ansonsten dem Rasenmäher zum Opfer gefallen wären, ausgegraben und unters Mikroskop gelegt. Bild 5 zeigt die beiden Pflänzchen, und Rhizom ebenso wie die Wurzel sind gut erkennbar. In der Detailaufnahme (Bild 6) erkennt man auch einige Pilzhyphen, die sich auf der Wurzel angesiedelt haben. Diese Hyphen sind vor allem für die Keimung der Samen notwendig, und Pflanze sowie Pilz gehen dabei eine innige Verbindung ein.

Bild 7 zeig den Querschnitt durch so eine Wurzel. Der Schnitt war 25µm dick und wurde, ebenfalls nach Einbettung in PEG 1500 und Schneiden mit dem Schlittenmikrotom, mit Pianese-Färbung eingefärbt. In der Mitte des Schnittes erkennt man das Leitbündel. Die kugeligen Einlagerungen in den äußeren Bereichen sind vermutlich Überbleibsel der Mykorrhiza.

Durch Aussaat der Samen im Bodensubstrat habe ich vesucht, eine Keimung zu initiieren. Bild 8 zeigt ein Samenkorn im Stereomikroskop, das bereits leicht angeschwollen ist und im Kontakt mit den umliegenden Pilzhyphen am Weg zur Keimung war. Leider ist der Keimungsvorgang stehengeblieben, Protokorm oder Pflanze ist daraus also nicht geworden. Mit den heurigen Samen werde ich einen neuen Versuch starten.

jcs

#2
Interessant sind auch die Blüten. Ohne Einbettung funktioniert ein Schnitt hier natürlich nicht. PEG-Einbettung ist hier leider nicht ausreichend, ich habe mich deshalb an meine ersten Paraffinschnitte gewagt. Dazu wurden die Blüten in AFE fixiert und für mehrere Tage in 70% Ethanol aufbewahrt. Danach für mehrere Stunden Isopropanol gelagert, in ein zweites Isopropanolbad umgelegt und danach in ein drittes, wo sie über Nacht lagen, um eventuell vorhandenes  Wasser zu entfernen. Am nächsten Tag in einer 1:1 Mischung Paraffin-Isopropanol bei 60°C infiltriert und schlussendlich 8h in Paraffin bei 60°C noch einmal infiltriert.

Nach der Herstellung der Blöcke habe ich 15µm dicke Schnitte am Schlittenmikrotom hergestellt und bei 60°C im Wasserbad gestreckt. NAch Transfer auf die Objektträger wurde das Paraffin in Xylol entfernt und die Proben in mehreren Schritten in 50%-iges Ethanol überführt. Danach die übliche Färbung mit Wacker und Aufnahme mit dem 5x-Objektiv (Panorama aus ca. 10 Aufnahmen). Bild 9 zeigt das Endergebnis, für meine ersten Schritte im Paraffin-Business hoffentlich halbwegs ok.

Ich habe versucht, die Blütenmerkmale zu kennzeichnen, bitte um Korrektur, falls ich danebenliege. Man erkennt den Teil eines inneren Blütenblattes (Petale - PE) sowie eines äußeren Blütenblatts (Sepale - SE). Die Narbe (NA) ist ebenfalls erkennbar, ebenso der Fruchtknoten (FK) mit den Samenanlagen. Der Sporn (SP) lockt Insekten auf der Suche nach Nektar an, den sie dort aber nicht finden werden. Viele Orchideen sind Täuschblumen, die nur vorgeben, eine ergiebige Nahrungsquelle zu sein. Das Rostellum (RO) ist auch sichtbar.

Bild 10 zeigt die Aufnahme ohne Beschriftungen. Bild 11 ist eine Makroaufnahme der Blüte, wo ich die entsprechenden Merkmale aus Bild 9 ebenfalls bezeichnet habe.

Bild 12 zeigt schlussendlich einen weiteren Paraffinschnitt, diesmal ein Querschnitt durch eine Blütenknospe. Hier bin ich mir allerdings zu unsicher über die Zuordnung der einzelnen Strukturen, ich zeige das Bild deshalb kommentarlos.

LG

Jürgen

Literatur:

Griebl N., Die Orchideen Österreichs, 2013, Freya Verlag

Sathiyadash K., Muthukumar T., Karthikeyan V., Rajendran K. (2020) Orchid Mycorrhizal Fungi: Structure, Function, and Diversity. In: Khasim S., Hegde S., González-Arnao M., Thammasiri K. (eds) Orchid Biology: Recent Trends & Challenges. Springer, Singapore. https://doi.org/10.1007/978-981-32-9456-1_13

Alex H.

Hallo Jürgen,

vielen Dank für diesen sehr interessanten Beitrag!

Grüße
Alex
Botanik, vorrangig heimische Wildpflanzen, die Morphologie der Sporen, Pollen, Blüten, Früchte und Samen, Blütenökologie, Kryptogamen im Allgemeinen;
Stereolupe: optimiertes LZOS MBS-10; Mikroskop: gut ausgestattetes LOMO Biolam;

Hans-Jürgen Koch

Hallo Jürgen,

super Beitrag.
Der Querschnitt durch eine Blütenknospe ist Spitze.
Die Färbezeit (Astrablau) bei meiner Wacker-Färbung beträgt nur 1 Minute, ein Versuch ist es wert.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

Fahrenheit

Lieber Jürgen,

danke für den ausführlichen und interessanten Beitrag, den ich gerne gelistet habe!

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

jcs

#6
@Alex, Jörg, danke für Eure Rückmeldungen. Freut mich, wenn der Beitrag Anklang findet.

@Hans-Jürgen, danke für den Tipp mit Astrablau, den werde ich bei Gelegenheit gerne ausprobieren. Obwohl ich sagen muss, dass für mich der Problembär beim Färben eher das Acriflavin ist. Wenn das nur ein paar Sekunden zu lange in Kontakt mit den Schnitten ist, verschwindet das Rot des Acridinrots fast vollständig und der Schnitt verliert Brillanz und wird recht grünstichig. Aber da werde ich mich in Zukunft noch spielen.

LG

Jürgen