Interessante Pilzfunde 19 - Verblassender Täubling

Begonnen von Bernd Miggel, Juli 13, 2021, 18:16:01 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

Birken gehen mit einer Vielzahl an Pilzarten eine Mykorrhiza ein. Ein typischer Birkensymbiont ist der Verblassende Täubling Russula exalbicans, um den es sich bei dem Fund handeln dürfte.

Eckdaten:

  • Pilzart: Russula exalbicans (Pers.) Melzer & Zvára
  • Fundort: birkenbestandene Wiese bei Keltern-Ellmendingen in Baden-Württemberg
  • Lebensweise: Mykorrhiza mit Betula pendula
  • Funddatum 12.07.2021
  • Belegnummer: div21006,ellw

Fundort: Auf einer baumbestandenen Wiese wuchsen etwa 30 Exemplare des Täublings innerhalb von fünf Metern um zwei Birken. Es handelte sich um relativ kleine Fruchtkörper in recht unterschiedlichen Hutfarben.


Bild 1 - Der Fundort: eine birkenbestandene Wiese. Bei der großen Wucherung in 1 Meter Höhe handelt es sich um den Fruchtkörper des Schiefen Schillerporlings Inonotus obliquus im imperfekten Stadium.


Der Hut sind jung konvex, bald flach ausgebreitet mit mehr oder weniger vertiefter Mitte, bis 90 mm im Durchmesser, cremefarben bis lilarosa (an den Wässrigen Täubling Russula aquosa erinnernd) oder hell rosenrot, fleischrosa, dunkel weinrot, zentral jedoch meist Richtung grünlich, olivlich, graulich.
Die Huthaut ist auch trocken noch fettig glänzend, klebrig, körnig etwa wie beim Bluttäubling Russula sangiunaria. Sie ist mindestens bis zur Hälfte des Radius dünn abziehbar, darunter das Fleisch weiß oder hell rosalich.
Der Hutrand ist jung glatt, reif jedoch auf 5 mm ausgeprägt gerieft.


Bild 2 - Eine kleinere Gruppe des gefundenen Täublings mit blassem bis rosarotem Hut.



Bild 2a - Größere, ältere Exemplare, z.T. mit graulichem und rosa überhauchtem Stiel



Bild 3 - Die Hutoberfläche eines noch nicht ganz ausgewachsenes Exemplars mit speckigem Glanz. Die anhaftenden Humusteilchen weisen auf einen klebrigen Hut hin.



Die Lamellen sind jung creme, fest, reif bis buttergelblich, sehr brüchig und weich, dünn, dicht , bis 6 mm breit, stark mit Lamelletten untermischt, jedoch sind nur wenige Lamellen in Stielnähe gegabelt


Bild 4 - Blick auf den Lamellenbereich des Exemplares von Bild 3. Am Rand ergibt sich po lfd. mm etwa eine Lamelle (verkürzte Lamellen mitgezählt). Die verkürzten Lamellen (Lamelletten) beginnen stets am Hutrand, während die Gabelungen meist in Stielnähe entspringen.


Der Stiel ist maximal 85 x 18 mm groß, reinweiß, längsadrig, reif mit deutlichem Graustich, ein Fruchtkörper grau und dabei einseitig rötlich überhaucht, gerade oder etwas verbogen, gleichdick oder nach unten hin etwas verdickt. Stielbasis einiger Exemplare gelblich.
Eisensulfat-Farbreaktion im oberen Stielfleisch: nach einer Minute schwach rosa.



Bild 5 - Zwei längs durchgeschnittene Stiele. Links vom Fruchtkörper der Bilder 3 und 4, rechts der leicht angegraute Stiel eines älteren Exemplars. Links oben die schwach rosa Verfärbung mit Eisensulfat einer Minute Einwirkzeit.


Das Fleisch ist weiß, jung fest und im Stiel ausgefüllt, reif weich, mürbe, im Stiel wattig ausgestopft oder kaverniert.

Geschmack der Lamellen vorübergehend scharf und unangenehm, des Hut- und Stiel-Fleischs nur pikant, fast mild.
Geruch aus dem Lamellenbereich: 1 reifer Fruchtkörper deutlich säuerlich-fruchtig, die restlichen Exemplare mit kaum wahrnehmbarem Geruch.

Farbe frisch ausgefallenen Sporenpulvers: ocker IIIc nach Farbtafel Marxmüller.


Bernd Miggel

#1
Die Sporen sind warzig-gratig, mit isolierten und durch feine Linien oder kurze Grate miteinander verbundenen Warzen. Die Höhe der Ornamentation beträgt bis 0,5 (0,6) µm. Die Ornamentation ist stark amyloid, d.h. sie färbt sich mit Melzers Reagenz schwarz. Der Hilarfleck ist meist nur schwach amyloid.

Mittelwerte der Sporenmaße (Grundlage: 23 repräsentative Sporen, 95-prozentiges Vertrauensintervall):

Lav x Bav = 7,5-7,9 x 5,9-6,2 µm     Qav = Lav / Bav = 1,25-1,30     Vav = 140-160 µm3

mit Länge L, Breite B, Schlankheitsgrad Q = L / B, Volumen V; Index für Mittelwert av (average)


Bild 6 - Obere Kalotte der Sporen, Präparat in Melzers Reagenz angefärbt. Bei einer der etwa mittig im Bild liegenden Sporen schaut man direkt von oben auf das Stielchen (Appendix) und den Hilarfleck (Plage). Während die Ornamente sich stark schwarz färben (stark amyloid), verfärbt sich ein Großteil des Hilarflecks nur grau. Lediglich am "entfernten Ende" färbt er sich schwarz.


Hier noch ein REM-Foto einer Spore, für das ich Stefan Diller herzlich danke:




Die Hutdeckschicht (Epikutis) besteht zum einen aus zylindrischen bis schwach keuligen, apikal gerundeten, bis 7 µm dicken Pileozystiden. Diese sind nach meinen Beobachtungen fast immer zweizellig, d.h. sie besitzen stets eine Septe. Außerdem schwärzt der Inhalt der Pileozystiden in Sulfovanillin deutlich (Bild 7).


Bild 7 - Quetschpräparat der Epicutis in Sulfovanillin, worin sich die Pileozystiden partiell schwarz verfärben. Von der Form her sind sie lang geschlängelt mit zylindrischem oder leicht kopfigem Terminalbereich.



Bild 8 - Quetschpräparat der Epicutis in SDS-Kongorot mit vier Pileozystiden. Jeder der gelben Pfeile zeigt auf eine Septe. Bei den elliptischen Objekten handelt es sich um Sporen.


Zum anderen besteht die Epikutis aus 1,5-2,5 µm dicken "Haaren" (Hyphenenden), deren Terminalglied 20-30 µm lang und am Ende gerundet oder etwas kopfig ausgeführt ist.


Bild 9 - Quetschpräparat der Epicutis in SDS-Kongorot. Bei den nach außen ragenden Hyphenenden handelt es sich um die sogen. "Haare" (engl. "Crins"). Unten im Bild zwei über Kreuz verlaufende Pileozystiden.


Ein 20 µm dicker Huthaut-Schnitt zeigt als Epikutis-Typ ein Ixotricholderm mit darüber liegender, beinahe hyphenfreier Schleimschicht.


Bild 10 - Ein 20 µm dicker Huthautschnitt, gefärbt in SDS-Kongorot. Die Schichtung von oben nach unten: oben (1) eine 25 µm dicke hyphenarme Schleimschicht, darunter (2) eine 60 µm dicke Schicht dichter, verschleimter Hyphen, darunter (3) eine 60 µm dicke unverschleinte Hyphenlage und ganz unten (4) beginnen die Sphärozystennester, von denen eines gut sichtbar ist. Anhand des Bildes lässt sich sehr schön die kogophobe Eigenschaft des Schleims zeigen. Die Hyphen der beiden oberen Lagen wachsen schräg nach oben. Mithin liegt als Huthauttyp ein sogen Ixotrichoderm vor.


Verwechslunnsmöglichkeit
Der Verschiedenfarbige Täubling Russula versicolor ist in vielen Merkmalen ähnlich. Seine Fruchtkörper sind allerdingsdeutlich kleiner (meist bis 50 mm Hutdurchmesser). Auch sind die Pileozystiden bei R. versicolor meist mehrfach septiert, Romagnesi (1967) zeichnet bis zu vier Septen)
Was für diese Art spräche, wären die Weichheit und relative Dünnfleischigkeit der Fruchtkörper und die bei einigen Exemplaren fast komplette Abtiehbarkeit der Huthaut.



Viel Vergnügen beim Anschauen

Bernd


Weiterführende Literatur:

  • EINHELLINGER, A. (1985): Die Gattung Russula in Bayern. - Hoppea, Denkschr. der  Regensburgischen Bot. Ges. Bd. 43
  • MARXMÜLLER, H. (2014): Russularum Icones: 340-343. - Anatis-Verlag
  • MICHAEL, E., HENNIG, B. KREISEL, H. (1983): Handbuch für Pilzfreunde Band V: Nr. 109
  • ROMAGNESI, H. (Reprint 1985): Les Russules d'Europe et d'Afrique du Nord
https://fundkorb.de/pilze/russula-exalbicans-verblassender-t%C3%A4ubling

Fachausdrücke, Abkürzungen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729

Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

Michael L.

Hallo Bernd,

sehr schöner Beitrag, danke fürs zeigen. Der Pilz Freund und Feind des Baums :-)

Viele Grüße,

Michael

HDD

Hallo Bernd

Ein toller Bericht. Sehr inspirierend auch für einen Nicht-Pilzler. Klasse gemacht.

Viele Grüße   Horst-Dieter

Peter Reil

Hallo Bernd,

schöne Darstellung, gerade auch die Sporenbilder!
Ich weiß, wie schwer die zu stacken sind.

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Bernd Miggel

Hallo zusammen,

danke für das Lob!

Hallo Peter,

das Stacken gelingt mir am besten, wenn ich am Mikroskop keine Einzelbilder mache, sondern ein kleines Video, währenddessen ich am Feintrieb drehe.
Danach wird das Video in Einzelbilder zerlegt und der relevante Bereich, also die obere Kugelhälfte, zum Stacken verwendet.

Viele Grüße
Bernd

Bernd Miggel

#6
Hallo zusammen,

ein Pilzfreund wies mich aus gutem Grund darauf hin, dass es sich bei meinem Fund um den Verblassenden Täubling Russula exalbicans handeln könnte!
Da neue Funde Russula exalbicans bestätigen, habe ich den Artikel umgeschrieben. Außerdem lade ich zur Diskussion ein! :)

Viele Grüße
Bernd

Bernd Miggel

Hallo miteinander,

im Beitrag habe ich noch das REM-Foto einer Spore eingefügt.

Viele Grüße - Bernd

Peter Reil

Hallo Bernd,

klasse Ergänzung!

Mir hilft so ein REM-Bild ungemein, eine bessere räumliche Vorstellung der Sporen zu bekommen.

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

jcs

Ich finde das REM-Bild der Sporen auch sehr aussagekräftig und hilfreich, um eine gute Vorstellung des Aussehens der Sporen zu bekommen. Sollte es nicht "Stefan Diller" statt "Stefan Hiller" heißen?

LG

Jürgen

plaenerdd

Hallo Bernd,
auch mir gefällt der Beitrag, bis auf die Tatsache, dass das REM-Bild 2x da ist und davon einmal mit der Bildunterschrift vom Huthautschnitt.
LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Bernd Miggel

Hallo Gerd,

das liegt nicht an mir. Passiert in diesem Forum immer wieder mal, dass ein Bild zweimal dargestellt wird und dafür ein anderes verschwindet. Keine Ahnung, woran das liegt. :(

L.G. - Bernd

plaenerdd

Hallo Bernd,
ich habe den Verdacht, dass das aber am ehesten mit nachträglich eingefügten Bildern passiert, wenn man irgendwelche Reihenfolgen durcheinander bringt oder Positionen im Quellordner, aber eine echte Regel habe ich auch noch nicht entdecken können.
LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph