Bakterielle Geißelrotation bei Spirillum volutans

Begonnen von Heribert Cypionka, Dezember 28, 2009, 13:56:31 NACHMITTAGS

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Heribert Cypionka

Liebes Forum,

einzelne Bakteriengeißeln sind mit einer Dicke von 12 - 18 nm zu dünn für eine Darstellung im Lichtmikroskop (es sei denn man lagert Stoffe auf oder bringt sie zum Fluoreszieren). Nun gibt es aber einige besonders große Bakterien, die nicht etwa besonders dicke Geißeln haben, aber Büschel von Geißeln an den Zellenden tragen (bipolar lophotriche Begeißelung). Bei solchen lassen sich Geißeln fotografieren, kaum aber in Aktion filmen. Wenn man nun das Glück hat, dass eines von diesen Riesenbakterien (Spirillum volutans) ein Geißelbüschel am Untergrund angeklebt hat, kann man evtl. beobachten, wie der 'Schwanz mit dem Hund wedelt', hier dargestellt in 10-facher Zeitlupe.



Anders als eukaryotische Geißeln sind die von Bakterien mehr oder weniger starr und enthalten nicht mehrere Fibrillen, die sich aktiv aneinander vorbei bewegen, um einen Schlag zu bewirken. Statt dessen ist in der Zellhülle ein Motor verankert, der eine echte Rotation bewirkt. Anhand der periodisch wiederkehrenden Strukturen der Zelle (Volutin-Granula) lässt sich erkennen, dass die Zelle wie ein Knethaken am Rührgerät rotiert und sich nicht schlangenförmig verbiegt. (Das Geißelbüschel am anderen Zellpol ist hier nicht im Fokus, war aber ohnehin nur manchmal zu sehen)

Zur Technik: Beobachtung im DIC mit einem 20er Objektiv (Plan Neofluar) mit 1.6-fach Optovar, 10x Okular (Ofenrohr-)adaptiert an Canon A620. Filmaufnahme mit 6-fachem Zoom (ergibt 1920-fache Vergrößerung) und 30 Bildern pro Sekunde, Extraktion der Frames mit dem Freeware-Programm VirtualDub, Beschnitt, Kontrastverstärkung, Einzeichnen des Maßstabs und der Beschriftung, sowie Erzeugung des animierten Gif-Files mit PICOLAY.

Hier noch ein Link zu einem früheren Beitrag über die Bewegung von Spirochaeten
http://www.mikroskopie.de/mikforum/read.php?2,48756,48756#msg-48756


Viel Spaß beim Ansehen

Heribert Cypionka

http://www.picolay.de



reblaus

Hallo -
habe ich das recht verstanden, die Geißelwurzel kann sich frei im Lager drehen? Aber wie ist das bei einem Geißelbündel?
Tolle Bilder
Gruß
Rolf

Fahrenheit

Lieber Herr Cypionka,

vielen Dank für die sehr interessanten Filmaufnahmen samt zugehörigen Erläuterungen!

Herzliche Grüße!
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Heribert Cypionka

Vielen Dank für die freundlichen Kommentare!

Zitathabe ich das recht verstanden, die Geißelwurzel kann sich frei im Lager drehen? Aber wie ist das bei einem Geißelbündel?

Hier noch ein Schema zum Aufbau: http://www.grundlagen-der-mikrobiologie.icbm.de/abb/abb0307.jpg. Dass der Mechanismus auch bei einem Bündel von Geißeln funktionieren soll, ist in der Tat nicht so leicht einsehbar. Die einzelnen Flagellen müssen - besonders in der Nähe der Zelle - eine erhebliche Flexibilität aufweisen, um sich auf eine gemeinsame Operation einigen zu können. Man sieht ja, dass das Bündel von der Zelle weg immer schlanker wird...

Herzlichen Mikrogruß

Heribert Cypionka

Druse

Guten Abend Herr Cypionka,

auch ich bin fasziniert von der Aufnahme. Vielen Dank, auch für die Erklärung.

Ob sich wohl auch ein Helicobacter pylori filmen lässt? Ich kenne Fotos von ihm und weiß über Diagnostik und Therapie des Bakteriums, aber die Bewegung, das "Schrauben" interessiert mich sehr.

Viele Grüße
Mila


Martin Kreutz

Hallo Herr Cypionka,

wirklich beeindruckende und einwandfreie Aufnahmen. Interessant, dass Sie diese Aufnahmen mit einem völlig "überzogenen" 20X Obj. machen konnten. Da frage ich mich, warum ich mir für viel Geld ein 100 X gekauft habe. Jedenfalls interessante Technik!

Schönen Abend!

Martin Kreutz
 

Michael Plewka

hallo Herr Cypionka,
immer wieder dasselbe Problem: soll man das wiederholen, was die anderen Forumsmitglieder schon gesagt haben? Ich tu es einfach mal wieder: eine extrem anregende Dokumentation! Danke dafür!
beste Grüße Michael Plewka

Heribert Cypionka

Vielen Dank für die freundlichen Kommentare!

ZitatOb sich wohl auch ein Helicobacter pylori filmen lässt?

Man liest ja öfter 'Helicobacter bohrt sich mit Hilfe seiner Geißeln in die Magenschleimhaut'. Ich kenne mich mit den Pathogenen nicht wirklich aus, möchte aber bezweifeln, dass dieser Vorgang gefilmt wurde (und auch, ob es wirklich so geht). Immerhin hat der Keim offenbar spezielle Anheftungsstrukturen. In Reinkultur verhalten sich Bakterien aber oft ganz anders ...

Was die Leistung des 20er Objektivs angeht, bin ich selbst immer wieder überrascht. Ich muss zugeben, es hat sogar noch einen Phasenring eingebaut. Warum nicht wenigstens das 40er Objektiv nehmen und dann weniger Optovar und/oder Zoom verwenden (Herr Kreutz weiß das sicher selber)? Zum Filmen braucht man Tiefenschärfe (Stacken geht bei schnellen Bewegungen nicht) und Kontrast. Beides liefert das 20er besser als das 40er. Das Optovar und Zoomen dient der Formatfüllung der Bilder - die Kamera liefert nur 640 x 480 Pixel. Die Auflösung wird dadurch nicht verbessert, reichte aber bei meinem Objekt zum Glück aus.

Was ich mich frage: Hat nicht jemand mal eine der neuen Digicams für Mikroaufnahmen verwendet, die bis zu 1000 Bilder pro Sekunde liefern können (Casio Exilim)?  Dann wäre mein Film nicht so ruckelig - Licht hätte ich noch genug...

Beste Mikrogüße

Heribert Cypionka