Botanik: Borretsch Borago officinalis *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, Juli 17, 2021, 17:41:41 NACHMITTAGS

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Hans-Jürgen Koch

Dieses einjährige Kraut wird wegen seiner nach Gurken schmeckenden Blätter und hübschen, purpurblauen, sternförmigen Blüten gezogen.

Borretsch ist klassischer Bestandteil der Frankfurter Grünen Sauce.
Die etwa 75 cm hohe Pflanze trägt im Frühjahr und Sommer Blütenbüschel.

Frische, junge Blätter werden roh im Salat oder Getränken verwendet bzw. mit Gemüse gekocht. Mit den essbaren Blüten können Salate dekoriert werden.
Zu dieser europäischen Gattung zählen einjährige Kräuter (Borago officinalis), und kurzlebige Stauden (Borago pygmaea). Die im allgemeinen aufrechten Pflanzen sind borstig behaart. Sie bilden Horste aus lanzettlichen, grundständigen Blättern, die im Frühjahr schnell verzweigte, beblätterte Blütenstängel ausbilden.
Als Horst wird in der Botanik eine Pflanzenwuchsform bezeichnet, bei der viele Triebe einer Pflanze eng aneinander stehen.
Ab Ende des Frühjahres tragen die Pflanzen halb-hängende, sternförmige, purpurblaue oder weiße, wegen ihres reichlichen Nektars bei Imkern beliebte Blüten.

Bild 01 Habitus, Borretsch Borago officinalis

Foto: H.-J_Koch

Der Borretsch ist ursprünglich am östlichen Mittelmeer und in Kleinasien beheimatet.
Es soll en die Araber gewesen sein, die den Borretsch mit nach Europa brachten, als sie im 8. Jahrhundert in Spanien einfielen.
Von dort machte die attraktive Würzpflanze dann ihren Weg durch ganz Europa.
In Schwebheim / Unterfranken habe ich große Borretsch-Anbaugebiete gesehen.
Der Borretsch wurde seit dem Mittelalter auch in den mitteleuropäischen Gärten als Gewürz- und Arzneipflanze angebaut. Er galt im 16. Und 17. Jahrhundert als eines der besten herzstärkenden Kräuter, wurde aber auch gegen Melancholie, Schwindsucht, Gelbsucht und Fieber sowie zur Blutreinigung verwendet.
Der zerstoßene Samen, mit Wein eingenommen, sollte den stillenden Müttern Milch bringen.
Das Kraut des Borretschs wird zu Beginn der Blütezeit gesammelt und an schattigen, luftigen plätzen oder auch schnell in der Sonne getrocknet.

Die Droge Boraginis herba besteht aus den getrockneten oberirdischen Pflanzenteilen. Die Schnittdroge ist gekennzeichnet durch Teile der steif behaarten Stängel und grüne Blattstücke, die bereits behaart sind. Die Droge ist nahezu geruchslos und geschmacklos.

Das Borretsch-Kraut enthält Schleim, Gerbstoffe (ca. 3 %), Saponine, Kieselsäure (1,5-2,2%), z T. in wasserlöslicher Form, Gamma-Linolensäure (mit bis zu 25%) und Kaliumsalze (bis zu 17%).
Borago officinalis ist eine krautige Pflanze mit wechselständigen, fast ganzrandigen, zum Grund verschmälerten Blättern und einen eigentümlichen Blütenstand, der Wickel genannt wird.

Unter Wickel versteht man eine bestimmte Blütenstandsform (Cincinnus). Unter der endständigen Blüte der Hauptachse geht nur eine durch eine Blüte abgeschlossene Nebenachse ab, die fortgesetzt abwechselnd rechts und links wieder je eine Nebenachse mit Blüte treibt. Die Wickel findet man beispielsweise bei der Tomate oder beim Vergissmeinnicht (z. B. Myosotis sylvatica).

Bild 02 Zeichnung, Blütenstandsformen (Cincinnus)

A Dichasium, B Wickel, C Schraubel
Dieses Werk ist gemeinfrei
Dichasium, Verzweigungstypus der Sprossachse, bei dem die Hauptachse ihr Wachstum einstellt und jeweils zwei Seitensprosse gleichwertig auswachsen.
Die Wickel leitet sich vom Dichasium ab, indem statt zwei Seitenästen nur einer gebildet wird. Befindet sich der Seitenast immer auf der gleichen Seite, spricht man von einer Schraubel.

Bild 03 Blütenstand, Doppelwickel

Dieses Werk ist gemeinfrei.
Die Blütenkronen vom Borretsch stehen in Doppelwickeln.
Der in den Blüten enthaltene Farbstoff wirkt als Indikator. Wie Lackmus verfärbt er sich rot, wenn er in saure Lösungen kommt. Bei älteren Blüten ist eine leichte Rotfärbung zu beobachten.
Die blauen Blüten sind essbar (sie enthalten deutlich weniger Alkaloide als die Blätter), haben einen süßlichen Geschmack und werden gerne als Salatdekoration verwendet. Essig lässt die Farbe der Blüten in rot umschlagen.
Die blauen Blüten verfügen über leuchtende Strichsaftmale, die für bestäubende Insekten sichtbar, für den Menschen jedoch ohne Hilfsmittel nicht erkennbar sind.

Bild 04 Identische Blütenstandsform

Foto: H.-J_Koch

Systematik:
Familie: Raublattgewächse (Boraginaceae)
Unterfamilie: Boraginoideae
Tribus: Boragineae
Gattung: Borretsch (Borago)
Art: Borretsch
Wissenschaftlicher Name: Borago officinalis
Trivialnamen: Burres, Borgelkraut, Wohlgemutkraut, Boretsch, Gurkenkraut oder Kukumerkraut
Englische Bezeichnung: Borago
Einige Autoren leiten Borretsch vom lateinischen Wort borra, ,,Gewebe aus rauer Wolle", ab und vermuten eine Beziehung zu den behaarten Stängeln und Blättern.

Bild 05 Behaarter Blütenstiel und Blütenkelch, Borretsch Borago officinalis

Foto: H.-J_Koch
Die Schlundschuppen des Borretschs schützen den Nektar vor unerwünschten Blütenbesuchern.
Der Kronschlund hat drei Funktionen. Er dient zum einen als Saftmalring und soll blütenbesuchende Insekten belohnen. Zum anderen imitiert er Staubbeutel und soll auf diese Weise Insekten anlocken. Er soll dagegen auch bestäubungsunfähige Insekten fernhalten. Im Inneren der etwa 3 Millimeter langen Kronröhre wird für Bienen, zahlreiche Falter und langrüsselige Fliegenarten Nektar angeboten.

Bild 06 Blätter, Borretsch Borago officinalis

Die grundständigen Blätter bilden eine Rosette, die unteren Stängelblätter sind kurzgestielt, die oberen sitzend.

Bild 07 Illustration, Borretsch Borago officinalis

Dieses Werk ist gemeinfrei.
B = Habitus, Borago officinalis
1 Längsschnitt Blüte
3 = Klausenfrucht
Eine Klausenfrucht ist eine spezielle Form der Zerfallfrucht, eine Bruchfrucht, die vor allem bei den Pflanzenfamilien der Lippenblütler (Lamiaceae) und Raublattgewächse (Boraginaceae) vorkommt.

Spross, Querschnitt
30 Mikrometer



Sechs fixierte, ungefärbte Schnitte.


Bild 08 Übersicht, Negativaufnahme FastStone Image Viewer, Borretsch Borago officinalis


Bild 09 Drüsenhaar, Negativaufnahme FastStone Image Viewer, Borretsch Borago officinalis

Unter der Epidermis liegt ein Kollenchymgewebe.

Vier nicht fixierte, ungefärbte Schnitte, Autofluoreszenz.

Bild 10 Autofluoreszenz, Detailaufnahme, Übersicht, Borretsch Borago officinalis

LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 11 Autofluoreszenz, Detailaufnahme, Borretsch Borago officinalis


Bild 12 Trichom, Autofluoreszenz, Borretsch Borago officinalis


Bild 13 Trichom, Autofluoreszenz, Borretsch Borago officinalis


Bild 14 Schnittstelle, Borretsch Borago officinalis


Das Blatt geht ohne Stiel direkt vom Blatt ab; ich habe versucht genau diese Stelle zu treffen (Spross und Blattansatz).

Wacker 3 A - Färbung (Acridinrot – Acriflavin - Astrablau)
1. Schnitte liegen in 50 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridiorot 8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest.
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) 15 Sekunden
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest.
7. Nachfärbung Astrablau 60 Sekunden
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol (99,9 %
10. Einschluss in Euparal
Ergebnis:
Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.
Fotos: Nikon D5000, Sony Alpha 6000

Bild 15 Übersicht, Borretsch Borago officinalis

Stängel ist abgerundet bis schwach kantig und ist meist anliegend behaart – ebenso die Laubblätter.

Bild 16 Detailaufnahme, Borretsch Borago officinalis


Bild 17 Detailaufnahme, Borretsch Borago officinalis


Bild 18 Detailaufnahme, Borretsch Borago officinalis


Bild 19 Detailaufnahm, mit Beschriftung Borretsch Borago officinalis

PH = Protoxylem, TR = Trichom (einreihiges, aus 3 – 8 Zellen bestehendes Gliederhaar), SK = Sklerenchym, XY = Xylem, KO = schwach ausgeprägtes Kollenchym, EP = Epidermis, MP = Markparenchym

Bild 20 Detailaufnahme, Borretsch Borago officinalis


Bild 21 Detailaufnahme Dunkelfeld, Borretsch Borago officinalis


Bild 22 Detailaufnahme, Dunkelfeld, Borretsch Borago officinalis


Bild 23 Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Borretsch Borago officinalis

Auflicht Beleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm
LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 24 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Borretsch Borago officinalis


Bild 25 Detailaufnahme Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Borretsch Borago officinalis


Quellen und weiterführende Informationen:
Dieter Ennet ,,Lexikon der Heilpflanzen", ISBN: 3-933203-96-1
Lüder ,,Grundkurs Pflanzenbestimmung", ISBN: 3-494-01418-3
Schönfelder ,,Das neue Handbuch der Heilpflanzen", ISBN: 978-3-440-12931-6
Frances Welland ,,Pflanzen"; ISBN: 0-75259-615-2
,,Botanica" Das Abc der Pflanzen, ISBN: 3-8290-0868-6
,,Wildkräuter", ISBN: 978-3-8338-2611-5
,,Die große Enzyklopädie der Arzneipflanzen und Drogen", ISBN: 978-3-89996-508-7
,,Heilpflanzen und ihre Kräfte", 1985

Die Informationen für Beschreibungen werden von mir selbst aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Dabei benutze ich sowohl Bücher als auch Internet Quellen. Texte werden anschließend individuell von mir selbst verfasst.
Warum mache ich das Alles?
Ich mache das in erster Linie zu meinem eigenen Vergnügen, ,,Just for fun" als Hobby also.
Gerne zeige ich euch die schönen Seiten der Pflanzen.
Viele Aufnahmen von einer Pflanze ermöglichen eine umfassende Wahrnehmung.
Es freut mich natürlich sehr, wenn auch euch die Bilder gefallen.
Für konstruktive Kritik bin ich ebenso offen wie für lobende Worte.
Doch zunächst einmal wünsche ich viel Freude beim Lesen.

Hans-Jürgen

Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Bernd Miggel

Lieber Hans-Jürgen,

vielen dank für diese eindrucksvolle Ausarbeitung!

Einen herzlichen Gruß

Bernd

Hans-Jürgen Koch

Lieber Bernd,

danke für deine Rückmeldung.

Gruß
Hans-Jürgen
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Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

vielen Dank für den wieder sehr ausführlichen und interessanten Beitrag, den ich gerne gelistet habe.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Günter

Hallo Hans-Jürgen,

wieder eine tolle Dokumentation dieses heimischen Gartenkrautes, danke.
In der Küche wird der Borretsch mittlerweile leider ja auch etwas kritisch beurteilt, wegen der enthaltenen giftigen Pyrrolizidinalkaloide.

Grüße
Günter
über mich   
Folge denen, die die Wahrheit suchen.
zweifle an denen, die sie gefunden haben.

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,
danke.

Hallo Günter,
danke für deinen Hinweis.

Borretsch enthält Alkaloide. Diese sogenannten sekundären Pflanzeninhaltsstoffe dienen der Pflanze zur Abwehr von Fressfeinden. Beim Borretsch sind das Pyrrolizidinalalkaloide. Diese sind auch in anderen Raublattgewächsen zu finden, zum Beispiel in Beinwell (Symphytum) und Natternkopf (Echium).
Pyrrolizidinalalkaloide setzen sich aus verschiedenen Stoffen zusammen, von denen jeder für sich genommen giftig ist.
Giftige Alkaloide beim Borretsch:
Amabilin, Intermedin, Lycopsamin, Supinin, Thesinin

Die Dosis macht ja bekanntermaßen das Gift. In geringen Mengen können wir Borretsch also problemlos verzehren.
Aufgrund der enthaltenden Pyrrolizidinalalkaloide, sollte das Kraut jedoch für Heilzwecke nicht mehr verwendet werden.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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