Interessante Pilzfunde 23 - Unsichere Täublingsart

Begonnen von Bernd Miggel, August 07, 2021, 11:11:25 VORMITTAG

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Bernd Miggel

Vor einigen Tagen fand ich in meinem Hauswald große, milde, geruchlose Täublinge mit bräunlichrotem Hut, buttergelblichen Lamellen und weißem, rötlich überhauchtem Stiel.

Für mich ist die Art bisher nicht bestimmbar; und deshalb bitte ich um eure Mithilfe!

Eckdaten:

  • Pilzart: Russula spec.
  • Fundort: Kalkbuchenwald (Vogelsang-Biotop) bei Straubenhardt in Baden-Württemberg
  • Lebensweise: Mykorrhiza hier mit Rotbuche oder Traubeneicheiche
  • Funddatum: 25.07.2021
  • Belegnummer: div21015,vog
   
   
Makroskopische Merkmale:

Hüte etwa 120 mm im Durchmesser, trüb bräunlich rot  mit leichter Tendenz nach weinrot, bei KORNERUP, A. & WANSCHER, J.H. (1961) etwa 9C4-6. Die Huthaut war zu etwa einem Viertel des Radius abziehbar, darunter das Fleisch schwach rötlich durchgefärbt. Stiele weiß mit rötlicher Überhauchung bzw. mit rötlichen Bereichen. Lamellen breit, brüchig, buttergelblich.


Bild 1 - Die Exemplare am Standort, einem Orchideen-Buchenwald mit Rotbuchen und Traubeneichen.



Bild 2 - Die Hutoberfläche: matt glänzend, bräunlich rot, etwas körnig.



Bild 3 - Die Lamellen: Sie sind breit, dicht stehend, in Stielnähe vielfach gegabelt, am Rand mit wenigen Lamelletten.



Bild 4 - Exsikkat Fruchtkörper 1: Hutoberfläche dunkel weinrot, Stiel weiß mit rötlicher bis weinroter Zonierung; Lamellen fast orangegelb.



Makrochemische Farbreaktionen:
Eisensulfat (Bild 5 rechts, oben am Stiel) färbt Stieloberfläche und Stielfleisch schwach rosa. Phenol (Bild 5 rechts, unten am Stiel) reagiert sehr verzögert braun bis violett:


Bild 5 - Links Exsikkat Fruchtkörper 2: Hutoberfläche glänzend, heller weinrot, Stiel weiß mit weinroter Zonierung; rechts Makrochemische Verfärbungen sowohl auf der Stieloberfläche als auch im Stielfleisch nach 12 Minuten: oben Eisensulfat, unten Phenol.






Bernd Miggel

#1
Mikroskopische Merkmale:

Die Sporenpulverfarbe ist satt gelb, nach den Farbtafeln von Romagnesi und Marxmüller etwa IVd.


Die Sporen (Bild 6):

Sie sind relativ groß, rundlich und besitzen ein isoliert hochwarziges, deutlich amyloides Ornament.

Maße (aus 32 repräsentativen Sporen mit 95-prozentigem Vertrauensintervall hochgerechnet):

Lav x Bav = 8,8-8,9 x 7,7-8,0 µm; Qav = 1,11-1,14; Vav = 266-297 µm3; Warzen bis 1,2 µm hoch.

Mit Länge L, Breite B, Schlankheitsgrad Q = L / B; V = Volumen; av = Index für Mittelwert (average).


Bild 6 - Sporenpräparat in Melzers Reagenz.


Die Huthaut (Bilder 7-11):

Bild 7:

Oben links: Huthauthaare vielfach septiert, z.T. apikal kopfig; Pileozystiden pfriemartig bis zylindrisch oder schlankkeulig mit graulicher Inkrustierung.
Unten links: stark verzweigtes, vielfach septiertes  Huthauthaar-Bäumchen, ein Terminalglied als Pileozystide ausgeformt.
Oben und unten rechts: dickwandige, dornenartige Zellelemente:


Bild 7 - Zupfpräparate der Hutdeckschicht in SDS-Kongorot.


Bild 8:
Bei Täublingen mit Pileozystiden färben sich diese in Sulfovanillin meist deutlich grau bis schwarz an. Hier sind vier nur scheienhaft erkennbar:


Bild 8 - Zupfpräparate der Hutdeckschicht in Sulfovanillin


Bilder 9-11:
Um säureresistente Inkrustierung von Huthautelementen sichtbar zu machen, färbt man ein Huthautfragment mit Karbolfuchsin an und wächt danach mit schwacher Salzsäure aus. Säureresistente Inkrustierungen bleiben an den entsprechenden Huthautelementen als rote Überzüge oder Tropfen sichtbar. Im Bild erkennt man zahlreiche Pileozystiden und Primordialhyphen mit säureresistenten Inkrustierungen.


Bild 9 - Zupfpräparate der Hutdeckschicht in Karbolfuchsin mit anschließendem Auswaschen in 2-prozentiger Salzsäure



Bild 10 - siehe Bild 9.



Bild 11 - Zupfpräparat der Hutdeckschicht in Karbolfuchsin mit anschließendem Auswaschen in 2-prozentiger Salzsäure: Verzweigte Primordialhyphen und Pileozystide mit säureresistenten Inkrustierungen.


Viele Vergnügen beim Anschauen!

Bernd



Weiterführende Literatur:
EINHELLINGER, A. (1985): Die Gattung Russula in Bayern. - Hoppea, Denkschr. der  Regensburgischen Bot. Ges. Bd. 43.
KORNERUP, A. & WANSCHER, J.H. (1961): Taschenlexikon der Farben. Muster Schmidt Verlag, Zürich, Göttingen.
KRÄNZLIN, F. (2005): Pilze der Schweiz Band 6.
MARXMÜLLER, H. (2014): Russularum Icones: 340-343. - Anatis-Verlag.
MICHAEL, E., HENNIG, B. KREISEL, H. (1983): Handbuch für Pilzfreunde Band V.
ROMAGNESI, H. (1967): Les Russules d' Europe et d'Afrique du Nord, Paris.
SARNARI, M. (2005): Monografia illustrata del Genere Russula in Europa, Tomo Secondo. - AMB, Trento.

Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

Fachausdrücke, Abkürzungen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729

Peter Ludwig

Hallo Bernd,

könnte das ein Apfeltäubling sein?

Viele Grüße,

Peter

Bernd Miggel

Hallo Peter,

falsch geraten, ein Apfeltäubling ist es nicht. ;)

lg - Bernd

Tom Ate

Hallo,
wird wohl ein Rotstieliger Ledertäubling, Russula olivacea, sein.
Grüße
Tom
Ein Werk der Schönheit ist ein Glück für immer.

Bernd Miggel

#5
Hallo Tom,

ein bisschen Geduld noch!  :)

lg - Bernd

Bernd Miggel

#6
Hallo Peter,
Apfeltäublinge haben schon vor Ort auffällig leuchtende, glänzende Farben. Auch sind Lamellen und ausgefallendes Sporenpulver viel weniger gelb.

Hallo Tom,
an den Rotstieligen Ledertäubling hatte ich im Wald auch gedacht. Aber da passen zwei Merkmale nicht:
Die Phenolreaktion hätte viel spontaner und viel deutlicher rotviolett ausfallen müssen.
Die Huthaut dürfte weder Pileozystiden noch inkrustierte Primordialhyphen besitzen.

Was mir auch Probleme macht, sind die dornenartigen Elemente in der Huthaut (Bild 07 rechts oben und unten), die ich bisher nur beim Fleischroten und beim Grünen Speisetäubling beobachtet habe.

Ich bin ziemlich ratlos  :(

lg - Bernd



Peter Reil

Hallo Bernd,

makroskopisch würde ich auch zuerst an den Rotstieligen Ledertäubling denken.
Mikroskopisch passt - außer den Sporen - nichts so richtig.

So kann ich leider auch nicht weiterhelfen.

Liebe Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Bernd Miggel

Hallo zusammen,

hier noch zwei RAM-Aufnahmen der Sporen, für die ich mich bei Stefan Diller, Würzburg herzlich bedanken möchte!:






Viele Grüße
Bernd