Bild: visuell vs. fotografisch

Begonnen von Eckhard F. H., August 18, 2021, 21:16:00 NACHMITTAGS

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Eckhard F. H.

Hallo Mikroskopiker,
seit Jahren streite ich mit unserem Sohn über folgende Thematik:
Sieht man generell beim visuellen Durchblick durchs Mikro mehr Details als im nachfolgenden optimalsten Foto des gleichen Objektes?
Wer kennt sich aus? Ist das so und falls ja - was ist der Grund?
Gruß - EFH

Flagellate

Naja, die Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten.

Das Auge ist erstmal von der visuellen Leistung besser als jede Kamera. Insbesondere bei Bewegungen ist das Auge besser als eine Kamera, da diese die Bewegung ja nicht ins Bild einfangen kann.
Bei unbewegten Objekten hingegen spielt es keine Rolle, wenn wir vom hypothetisch optimalen Foto ausgehen, da dieses folglich das Objekt optimal, aber auch nur so gut, wie das Auge abbildet.

Jetzt ist es allerdings auch so, dass sich immer die Frage stellt, was das "optimale Foto" ist. Durch Bildbearbeitung/optimierung sind wir in der Lage sogar Strukturen sichtbar zu machen, welche eigentlich nicht oder nur kaum im Lichtmirkoskop sichtbar wären, weil andere störende Einflüsse dies verhindern. Ich rede hier natürlich nicht von Photoshop-Nachbearbeitung, sondern von professioneller Soft/Hardware, welche das Sensorsignal der Kamera direkt optimiert. Die sogenannte Backgroundsubstraction, welche häufig bei Bildern genutzt wird, kann auch direkt am Mikroskop durchgeführt werden. Hierdurch ist das "live"-Bild schon deutlich besser als der Blick durchs Mikroskop. Außerdem können natürlich Kontrast und Belichtung, sowie Kontrastverhältnisse angepasst werden.

Das ganze nennt sich "video-enhanced light microscopy" und wird schon ewig in der Wissenschaft eingesetzt. Früher war es allerdings wirklich richtig teuer, da zusätzliche Geräte benötigt wurden. Mit der richtigen Software schafft das heute natürlich jeder Rechner

Korrekt angewendet ist diese Methode und das daraus resultierende Bild deutlich besser als der Blick druchs Mikroskop, da störende Effekt ausgebeldet und schwache Signale verstärkt werden können.  Allerdings kann darunter natürlich auch die Bildqualität leiden, wenn man sich auf bestimmte Strukturen beschränken will.

Mir ist es damit bereits gelungen feinste Strukturen sichtbar zu machen. Das gesamte Bild sah furchtbar aus, da der Kontrast völlig übertrieben war. Für den Nachweis der Strukturen hingegen war es optimal. Durchs Mirksokop keine Chance!

Also, unterm Strich kann man sagen, dass die Frage nicht eindeutig geklärt werden kann, wenn Sie nicht konkreter formuliert wird.

Grüße,
Tobias

reblaus

Hallo -

Leider reichen meine optischen Kenntnisse nicht aus um berechnen zu können, ob die Akkomodationsfähigkeit der Augenlinse hierbei noch eine Rolle spielen könnte, d.h. ob das Auge unbewußt mit einer gewissen Frequenz "stackt", ähnlich wie es ja auch auf der Fläche nicht stillsteht sondern mit dem winzigen gelben Fleck die Fläche "scannt".

Jedenfalls habe ich immer das Gefühl, dass ich im Okular besser (mehr, schärfer?) sehe als im nicht gestackten Foto, selbst mit 30 MPix VF. Allerdings gehöre ich zu der Minderheit der einäugigem Mikroskopiker.

Viele Grüße

Rolf

kmueho

Hallo Eckhard,

der Blick durch die Okulare des Mikroskops sieht meistens besser aus, selbst bei Verwendung einer guten Kamera.
Das Auge hat (z.B.) einen vielfach höheren Kontrastumfang, als Kameras. Und wenn das Objekt eine vertikale Ausdehnung hat, können Auge + Gehirn sich bei Verstellen der Fokusebene schnell ein 3D-Modell zusammendenken. Das ist in der Form nicht einmal bei gestackten Fotos sichtbar, da dort zwar alles gleichzeitig scharf ist, aber die Höheninformation verschwindet.

Es gibt aber Umstände, unter denen ein Foto Details sichtbar machen kann, die der direkte Blick nicht offenbart.
Das wären z.B. feinste Details bei Objektiven, die ein hohes Verhältnis von Apertur und Vergrößerung haben. Dazu ist allerdings eine wirklich(!) hochauflösende Kamera erforderlich. Die kann dann schärfer sehen, als das Auge.
Sehr dunkle Bilder (z.B. Flureszenz) können nach einer längeren Belichtung (z.B. 10 - 30 Sek.) besser aussehen, als das dunkle Bild im Okular. Das Gleiche gilt für lebende Organismen - insbesondere, wenn sich diese schnell bewegen. Ein geblitztes Foto friert die Bewegung ein. Die Möglichkeiten der digitalen Nachbearbeitung von Bildern liefern in schwierigen Fällen häufig bessere Resultate (Schärfen, Kontrastanhebung, Farb-, Gamma- und Helligkeitskorrektur und nicht zuletzt "Fleckentfernung").

Pauschal ist die Frage daher nicht zu beantworten. Aber (von problematischen Fällen abgesehen) ist der Blick durch die Okulare nicht durch ein Foto zu ersetzen.

Viele Grüße,
Kai

Eckhard F. H.

<Aber (von problematischen Fällen abgesehen) ist der Blick durch die Okulare nicht durch ein Foto zu ersetzen.>

Hallo Kai,
das meine ich auch. Aufgrund der erkennbaren Konstruktion des Auges dürfte das niemals der Fall sein. Es müssen sich noch bisher unbekannte Prozesse beim Sehen abspielen. 
Gruß - EFH

Lupus

Hallo,

ZitatDas Auge hat (z.B.) einen vielfach höheren Kontrastumfang, als Kameras.
das kann ich so nicht nachvollziehen.

ZitatEs gibt aber Umstände, unter denen ein Foto Details sichtbar machen kann, die der direkte Blick nicht offenbart.
Das wären z.B. feinste Details bei Objektiven, die ein hohes Verhältnis von Apertur und Vergrößerung haben. Dazu ist allerdings eine wirklich(!) hochauflösende Kamera erforderlich. Die kann dann schärfer sehen, als das Auge.
Wenn man die Okularvergrößerung anpasst, trifft das ebenfalls nicht zu.

Hubert

Thomas Böder

Hallo Kai,

die digitalen Sensoren haben das Auge im Kontrastumfang schon lange überholt!

Grüße, Thomas.
Hauptmikroskope: Leitz Panphot, Ortholux, Zeiss Nf u. Technival u. Citoval 2, Reichert Zetopan
Kleinmikroskope: reichlich...

Flagellate

Zitat von: Eckhard F. H. in August 19, 2021, 16:21:32 NACHMITTAGS
<Aber (von problematischen Fällen abgesehen) ist der Blick durch die Okulare nicht durch ein Foto zu ersetzen.>

Hallo Kai,
das meine ich auch. Aufgrund der erkennbaren Konstruktion des Auges dürfte das niemals der Fall sein. Es müssen sich noch bisher unbekannte Prozesse beim Sehen abspielen. 
Gruß - EFH

Der Vergleich Foto und Auge sollte aber auch schon fair bleiben.

Die Fokus-Ebene muss bei Foto und "Blick durchs Okular" schon gleich bleiben. Natürlich hat das Auge einen Vorteil beim durchfokussieren. Dann können wir aber auch kein Foto (selbst wenn es gestackt ist) als gleichwertig betrachten. Ein Foto kann eben keine 3D-Struktur, die logischerweise beim durchfokussieren entsteht, abbilden.
Ein fairer Vergleich wäre hier ein vernünftiger Stack, der Bild für Bild durchgesehen wird.

Grüße,
Tobias

Jürgen Boschert

Hallo zusammen,

Zitat... die digitalen Sensoren haben das Auge im Kontrastumfang schon lange überholt!
...

Da kann ich Thomas nach eigener, neuer Erfahrung nur beipflichten. Ich habe jetzt Sony NEXen an meine Mikroskope adaptiert und für den LiveView K4-Monitore angeschlossen: Ich war wirklich baff, als ich das Bild auf dem Monitor hinsichtlich Farbsättigung und Kontrast DEUTLICH besser fand als beim Blick durchs Okular, das war wirklich ein neues Erlebnis. Hinsichtlich der Detail-Wiedergabe kommt die Technik allerdings noch nicht ganz mit.
Beste Grüße !

JB

Peter V.

Hallo Jürgen,

na ja, Du hast halt Zeiss  ;) Mit den delaminierten Okularen wirds halt nicht besser...  :D

Nein, Spaß beiseite: Das würde ich aber dann eher als eine künstliche Verstärkung der Sättigung und des Kontrastes durch die Kamerafirmware bezeichnen. Kameras sind ja heute oft darauf programmiert, direkt "schöne" Bilder mit gesättigten Farben und starken Kontrasten zu produzieren. Aber ob das dann die Realität ist?


Herzliche Grüße
Peter
Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Jürgen Boschert

Hallo Peter,

natürlich ist das so, wie Du schreibst; aber ..., unser "Auge", sprich der Zentralrechner, macht ja auch nichts anderes, nur macht die technische Software da erhebliche Fortschritte und holt gewaltig auf. Bin noch nicht dazu gekommen, RAW-Bilder anzuschauen, da sieht´s vielleicht anders aus.
Beste Grüße !

JB

xf00741

Zitat von: Thomas Böder in August 19, 2021, 17:19:40 NACHMITTAGS
Hallo Kai,

die digitalen Sensoren haben das Auge im Kontrastumfang schon lange überholt!

Grüße, Thomas.


Quelle?


Gruss
Jörg
Zeiss Standard WL IV FL
Zeiss Standard WL DL, POL, DIK
Wild M5

RainerTeubner

Hallo,

das hab ich in der Wikipedia zum Stichwort "Dynamikumfang" gefunden:


Viele Grüße

Rainer
Mikroskop: Carl Zeiss Standard Universal
Bildbearbeitung: Gimp, Helicon focus und picolay
Kamera: Canon EOS 5D II

Werner

Unser Auge hat in der Sehgrube ein Raster der Zäpfchen von etwa 5µm Dicke, eng aneinanderliegende quasi Sechsecke. Feinere Kontraste als diese 5 µm als Abstand werden also gar nicht wahrgenommen bzw. in diesem Bereich wird aufintegriert.
Das schärfste aller Augen haben die Falken, µm-Angaben habe ich allerdings nicht gefunden.

Wenn ein Kamerasensor 5 µm Zellenabstand hat, entspricht er dem Auge, wenn er einen geringeren Abstand hat, ist die Auflösung höher. Das gilt allerdings nur bis zur Beugungsbegrenzung der Optik.
Aus den Megapixeln des Sensors kann man die Zellengröße grob berechnen, wenn man die Zeilen- und Spaltenanzahl, deren Form und die Außenabmessungen kennt. Und wenn die Werte nicht gelogen sind (Marketing-Physik). Genauere Daten sind nur unter dem Auflicht-Mikroskop zu erhalten.

Gruß - Werner

Thomas Böder

Zitat von: xf00741 in August 19, 2021, 19:11:54 NACHMITTAGS
Zitat von: Thomas Böder in August 19, 2021, 17:19:40 NACHMITTAGS
Hallo Kai,

die digitalen Sensoren haben das Auge im Kontrastumfang schon lange überholt!

Grüße, Thomas.


Quelle?




Gruss
Jörg

Wikipedia

Hauptmikroskope: Leitz Panphot, Ortholux, Zeiss Nf u. Technival u. Citoval 2, Reichert Zetopan
Kleinmikroskope: reichlich...