Interessante Pilzfunde 25 - Ockertäubling

Begonnen von Bernd Miggel, September 11, 2021, 23:07:18 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

Der Ockertäubling ist eine der bekanntesten Täublingsarten mit seinem ockerfarbenem Hut, den weißen Lamellen und dem weißen, basal gelblich überhauchten, im Alter grauenden Stiel. Er ist quasi geruchlos und schmeckt meist leicht scharf. Er bevorzugt saure Böden; Lebensweise: Mykorrhiza sowohl mit Laub- als auch mit Nadelbäumen

Ich möchte anhand eines Fundes vor allem auf seine Besonderheiten eingehen.

Eckdaten:

    Pilzart: Russula ochroleuca Fr.
    Fundort: NSG Waldmoor-Torfstich bei Oberreichenbach in Baden-Württemberg
    Begleitbäume waren Fichten, Weißtannen und Moorbirken
    Bodenart: saurer Boden mit Torfanteil
    Funddatum 05.09.2021
    Belegnummer: wt21022,vab


Makroskopische Merkmale:


Die Bilder 1 und 2 zeigen Fruchtkörper am Fundort, zwischen Glänzendem Etagenmoos, Schönem Kranzmoos und Torfmoos. Die Hutfarbe variiert von reingelb bis fast olivlich gelb, wobei der Rand heller und die Mitte stärker durchgefärbt ist. Fleisch (Schneckenfraßstelle), Stiele und Lamellen sind weiß. Bild 2 läßt ein leichtes Grauen der Stiele erahnen. Die Stielbasis ist gelblich übertönt.


Bild 1 - Exemplare am Fundort, Blick schräg von oben auf die Hüte.


Bild 2 - Exemplare am Fundort, Blick von unten auf Lamellen und Stiel.


Bild 3 zeigt eine Großaufnahme der Hutoberfläche. Die anhaftenden Tannennadeln lassen vermuten, dass der Hut, zumindest bei feuchter Witterung, klebrig ist.


Bild 3 - Hut von oben.


Bild 4 zeigt weiße Lamellen und weißes Stielfleisch. Die Lamellen sind relativ gleichmäßig, vielfach in Stielnähe gegabelt, ab und zu auch mit verkürzten Lamellen untermischt. Die Lamelendichte lässt sich am Maßstab ablesen.


Bild 4 - Lamellenbereich.


Für Bild 5 wurde der Stiel eines ausgewachsenen Fruchtkörper längs halbiert. Man erkennt weißes Stielfleisch und eine gelbliche Stielbasis. Die Eisensulfat-Reaktion im oberen Stielbereich wurde nach fünf Minuten Einwirkzeit aufgenommen. Es ist zu sehen, dass die rosa Reaktion im Fleisch stärker ausfällt als auf der Rinde. Für die Kalilauge-Reaktion wurde ein Tropfen KOH 30 % auf die Stielbasis aufgebracht und die braunrote Farbreaktion unmittelbar danach fotografiert. Diese Farbreaktion verschwindet im Verlauf weniger Sekunden wieder!


Bild 5 - Stiel und makrochemische Farbreaktionen.



Bernd Miggel

#1
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Mikroskopische Merkmale:

Die Sporen sind im wesentlichen breit ellipsoid mit bis zu 1 µm hohen Warzen und kurzen, genauso hohen Graten. Die Warzen fließen hier und da zu zweit oder dritt zusammen. Außerdem sind sie vielfach durch feine Linien miteinander zu Teilnetzen verbunden. Die Ornamente und auch der Hilarfleck sind stark amyloid. Geschätzte Mittelwerte, basierend auf einer Probe aus 30 repräsentativen Sporen (95-prozentiges Vertrauensintervall):

Lav x Bav = 8,4-8,8 x 7,1-7,3 µm; Qav = 1,18-1,22; Vav = 220-245 µm3   -    mit L Länge, B Breite, Q Schlankheitsgrad = L/B, V Volumen, av Average (Mittelwert)


Bild 6 - Sporen in Melzers Reagenz.

Die Huthaut besteht aus einem Geflecht etwa 3 µm dicker Hyphen, deren Endbereiche, die sogen. "Haare", z.T. lichtbrechend und gelbbräunlich gefärbt sind. Um dies zu zeigen, habe ich vom Hut eines Exsikkats unter dem Stemi einen feinen Skalbschnitt angefertigt, diesen auf einem OT in einen Tropfen GDS überführt und 30 Min. aufweichen lassen. Nach dem Auflegen des Deckglases habe ich das Präparat noch etwas gequetscht, um die Strukturelemente zu verteilen. Hierbei war die schleimige Konsistenz der Huthaut spürbar:


Bild 7 - Huthaut-Quetschpräparat in GDS.


Der Aufbau der Huthaut lässt sich nur durch einen feinen Querschnitt darstellen. Hier im Beispiel habe ich einen 30 µm dicken Mikrotomschnitt angefertigt, 5 Min. in Tannin gebeizt und dann 5 Min. in FeCl3 eingefärbt. Nach Auflegen des Deckglases ließ ich zum Umfärben in Richtung violetter bis blauer Farbtöne noch Toluidinblau unter dem Deckglas durchziehen. In Bild 8 von oben nach unten:

  • Fast violettlich gefärbter Randbereich, bestehend aus Schleim mit wenigen Hyphen
  • hellblau gefärbter, verschleimter Bereich mit locker verteilten, schräg ausgerichteten Hyphen
  • dunkel graublauer Bereich eines unverschleimten, dichten Geflechts liegender Hyphen
  • ganz unten schwarzgrau mit hellen Kavernen die unverschleimte Huttrama


Bild 8 - Huthautschnitt, TER & TB - Färbung


Notizen:


  • Die braunrote KOH-Reaktion an der Stielbasis ist auf eine gelbliche Hyphenschicht zurückzuführen, die die untere Stielhälfte überzieht. Dieses Merkmal besitzen, außer dem Ockertäubling, nur noch der Milde Kammtäubling und der Lederstieltäubling.
  • Soweit mir bekannt, ist der Ockertäubling die einzige Täublingsart, die in der Huthaut die gelblichen "Haare" besitzt.
  • Beim Einfärben des Huthautschnitts läuft der Schleim leider stark aus, so dass sich oben keine deutliche Berandung ergibt. Was tun?


Ähnliche Arten:


  • Im Moor unter Birken findet man den Gelben Graustieltäubling Russula claroflava. Dieser besitzt einen kanariengelben Hut, einen reinweißen Stiel und einen bei Verletzung stark grauenden Fruchtkörper. Er ist im Geschmack stets völlig mild. Die KOH-Reaktion an der Stielbasis ist negativ.
  • Der bei Rotbuchen wachsende Gallentäubling Russula felleasieht ähnlich aus. Allerdings ist sein gesamter Fruchtkörper hell gelblich gefärbt, und er riecht obstig und schmeckt fürchterlich scharf.


Viel Vergnügen beim Anschauen!

Bernd



Weiterführende Literatur:


    EINHELLINGER, A. (1985): Die Gattung Russula in Bayern. - Hoppea, Denkschr. der  Regensburgischen Bot. Ges. Bd. 43
    MARXMÜLLER, H. (2014): Russularum Icones: 240-243. - Anatis-Verlag
    MICHAEL, E., HENNIG, B. KREISEL, H. (1983): Handbuch für Pilzfreunde Band V: Nr. 82
    ROMAGNESI, H. (Reprint 1985): Les Russules d'Europe et d'Afrique du Nord
    https://fundkorb.de/pilze/russula-ochroleuca-ockert%C3%A4ubling

Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

Fachausdrücke, Abkürzungen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729



Peter Reil

Hallo Bernd,

wie immer eine tolle Darstellung!

Ich finde das mit dem Schleim voll in Ordnung. Eine echte Grenze ist bei Schleim vielleicht auch gar nicht so gut sichtbar zu machen.

Liebe Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Bernd Miggel

#3
Hallo Peter,

danke für das Lob!
Jetzt hab ich nochmal einen Versuch gemacht. Diesmal:

  • Huthaut-Fragment in Formaldehyddämpfen fixieren. Das soll auch den Schleim stabilisieren.
  • In einer PEG4000-Lösung in Methylcellosolve durchziehen und erhärten lassen. Hierdurch soll der Schleim ebenfalls stabilisiert werden.
  • Erhärtetes Fragment mittels PEG seitlich auf ein Balsaholz-Vierkantstäbchen aufkleben.
  • 30 µm dicke Mikrotomschnitte anfertigen.
  • 5 Min. in "Tannin  3 % in Borsäure 2 %" beizen.
  • 5 Min. in "FeCL3 5 % in Wasser" anfärben. Der Schleim wird grau.
  • Nach Auflegen des Deckglases zum Umfärben in Richtung blauer Farbtöne "Toluidinblau 0,01 % in Borsäure 2 %" unter dem Deckglas durchziehen lassen.
  • Nach 15 Min. fotografieren
  • Zwischen den einzelnen Schritten je 2 x mit Wasser spülen.

Im Ergebnis sieht man die einzelnen Schichten recht gut. Vor allem ist die hyphenlose Schleimschicht ganz oben jetzt von der Umgebung und der tiefer liegenden Hyphenlage deutlich abgesetzt:




Herzliche Grüße
Bernd